Mittwoch, der 28. Dezember 2005.

9.14 Uhr:
[Gielen, die glocken sind auf falscher spur.]
Leichtes Schneegestöber vorm während des Schlafes geöffneten, jetzt geschlossenen Fenster, das sieht wurderschön aus, und die Kälte im Arbeitsraum ist ausgesprochen erträglich, zumal der mit Eigner hinuntergekippte Alkohol leicht nachfeuert.
Ich will mal wieder an ARGO, sollte aber auch endlich sämtliche Briefe öffnen, die ich aus Angst noch ungeöffnet hier überall herumliegen habe: um das Unheil zu fixieren; es ist bekannt, daß es dann kleiner wird. Überhaupt wäre einmal wieder nicht nur sich an ein DTs zu h a l t e n, sondern Struktur auch in diesen Arbeitsraum hineinzubringen. Dann muß ich, sofern jedenfalls die Visacard noch funktioniert, ein onlineTickett für die Innsbruck-Veranstaltung am 10. und 11. Januar buchen und ausdrucken; aber der Drucker streikt momentan: das ist kein hardware-, sondern ein software-Problem, um das ich mich ebenfalls kümmern sollte heute. Desgleichen ist bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung anzurufen wegen des Feuilleton-Auftrags bzgl. Traumtheater Salome. Nur hat, und das erzählte er mir vorgestern, ein Freund einen Brief an die dortige Chefredaktion geschickt, in welchem er auf meine verlagslose Situation aufmerksam gemacht hat – ich empfinde das als eine Art Bettelbrief an eine zudem völlig falsche Adresse. Aber es war zu spät. Nun ist die Sache mir ziemlich peinlich, und ich mag eben n i cht, was ich aber sollte, anrufen dort. *Leichte Grummeln in der Schriftstellerseele.

Seltsam, diese programmatischen Adorno- und SelbstZitate in Gielens Musik für Sechs Instrumentalisten. Ich bin mir nicht sicher, ob es gut ist, so etwas zu tun. Dagegen sind die ArpGedichte darin sehr schön:

Das Licht löst sich aus dem Tag
und die Flügel besuchen die Lippen.
Zwischen Himmel und Zunge wächst das goldene Gewicht.

13.12 Uhr:
In einem anhaltenden Arbeitsanfall die gesamte restliche Überarbeitung des Teils 3 von ARGO fertiggestellt. Hab sogar Annika abgesagt, die mich mittags noch einmal treffen wollte. Jetzt Mittagsschlaf, dann die Seiten umformatieren, ausdrucken und den ersten beiden Teilen anhängen. Und an die Freunde hinausmailen, die gegenlesen wollen.

14.42 Uhr:
Wie… wie werd ich die Gedanken los…?: Viel zu unruhig, um zu schlafen. Hab es eine ¾ Stunde lang vergeblich versucht. Bin extrem müde zwar, aber eben auch extrem unruhig. Das verbotene Buch und daß mir Eigner gestern nacht noch erzählte, der deutsche PEN, dessen Mitglieder wir sind, kümmere sich zwar im Ausland um die Freiheit des Wortes und gebe mächtig damit an, im Inland aber verkneife er sich und setze nicht einmal eine Untersuchungskommission ein, zu deren Bildung er auf der letzten Jahrestagung expressis verbis beauftragt worden ist… die Geldnot und die verlorene Frau… all das jagt und jagt und jagt durch meinen Schädel. Ich werd jetzt den Dritten ARGOteil ausdrucken lassen und mich parallel um den platten Hinterreifen des Fahrrades kümmern.

16.35 Uhr:
[Weber, Euryanthe.]
Irre, was >>>> ich eben im Briefkasten fand:



Das Problem dabei ist, daß der Verfasser – Anton Moosbach – eine Figur aus JOACHIM ZILTS VERWIRRUNGEN ist, eine Erzählung, die ich >>>> noch einmal zu überarbeiten begonnen habe, weil sie sprachlich weit hinter allem anderen zurücksteht, aber ihre Konstruktion für mich eine entscheidende ästhetische Wende bedeutet hat. Als solche wird die Erzählung nun von Moosbach – oder dem, der denselben Namen trägt – tatsächlich auch interpretiert und herbeigenommen. Die „Lizentiatsarbeit“ an der Uni Zürich ist bei einer/m Prof. Höll-Chimaere vorgelegt, was auch wieder für einen riesigen Fake spricht. Liest man nun in der enorm aufwendigen Arbeit, ist sie in jeder Zeile b e l e g t und ausgesprochen gut argumentiert – bis dahin, daß ich Guattari/Deleuze nie gelesen habe. Was stimmt. Und obendrein sind dem Text 200 Euro „für die Lektüre Ihres Weblogs“ beigelegt. Außerdem gibt es ein kryptisches P.S.: „Bauer redet zuviel.“ Wer i s t Bauer? frag ich mich nun. Da der Sendung eine Diskette mit dem Text als pdf beigelegt ist, sehe ich das als ungenannte Aufforderung an, die Arbeit unter dem anderen Sekundären in der >>>> fiktionären Website einzustellen. Wenn davon ausgegangen wird, daß Moosbach-als-Figur diese Arbeit an der Uni Zürich tatsächlich vorgelegt hat (oder spätere Germanisten das voraussetzen und entsprechend zitieren), dann wäre die Arbeit eine direkte, sich nämlich realisierende Fortschreibung meines von ihr untersuchten literarischen Experimentes.

Auf dem anderen Tisch stapeln sich die ausgedruckten ARGO-Seiten. Es ist, seh ich nun, erschreckend viel.

P.S.: Zu Moosbach >>>> h i e r.