Montag, der 13. Februar 2006.

5.45 Uhr:
[Kinderwohnung, Filterkaffee.]
Um 4.30 aufzustehen, ging nach nur drei Stunden Schlaf noch nicht. Um 1.31 Uhr rief jemand an. Ich weiß nicht, wer. Stürzte zwar noch vom Hochbett hinunter zum Mobilchen, das in der Küche sich auflud, aber ich kam zu spät. Die Nummer des Anrufers ist unterdrückt, aber das Gerät hat die Uhrzeit protokolliert. Bin also erst jetzt hoch. Hab immer noch die „Arabella“ im Ohr.
Bis etwa neun will ich an ARGO sitzen, dann in die Arbeitswohnung wechseln. Auch das DTs schreibe ich später. Filterkaffee also, der Küchentisch, die rosa Kapuze und eine erste Zigarette. Davor überkam mich ein beschämender Anfall von Raucherhusten.

(Schrieb ich schon, daß sich wegen ARGO ein Verlag gemeldet hat? Vorsichtig fragte er an.)

8.46 Uhr:
[Strauss, Ein Heldenleben.]
Bis eben – bei Strauss, dann Janácek und nun wieder Strauss – an ARGO durchgearbeitet, dabei auch >>>> einen früheren Auszug noch einmal kommentiert, mit dem vorangeschrittenen Romanwissen von heute („Nachtrag II“). Jetzt zweidrei Toasts, mein Frühstücksei; danach wird zusammengepackt und in die Arbeitswohnung gefahren, worin VERBEEN auf mich wartet. Gutes, sehr gutes Arbeitsgefühl. Und noch einmal die Sehnsucht zur Arabella-Musik. Werd ich halt, weil doch der Verstärker defekt ist, meine Schallplattenaufnahme nur einkanalig hören.
Hab ich Ihnen schon „guten Morgen“ gesagt?

10.03 Uhr:
[Strauss, Arabella.]
Ausgeräumt, den Laptop auf dem ziemlich veraschten und chaotischen Schreibtisch aufgestellt, dann das Bettzeug bezogen und Teewasser zum Kochen gebracht. Einige Zeit am Verstärker herumgefummelt; jetzt – vielleicht wieder nur vorübergehend – schenkt er mir diese Arabella, die unter Jeffrey Tate >>>> auf meiner SchallplattenEinspielung die schöne Kiri te Kanawa singt. Ach, ich bin so berauscht, ich habe ein S t ü c k neu entdeckt! So etwas geschieht mir in dieser Macht vielleicht alle einzwei Jahre einmal. Leute, wie kann ich Euch dieses W u n d e r erklären?! >>>> June hat mich vorgestern nacht gefragt, ob ich weinen könne. Ja, ich kann es.

Erst nun das DTs und dann gleich >>>> VERBEEN.

12.31 Uhr:
Das hat mich eben aufgehalten: Eine der beiden möglichen Sprecherinnen für SAN MICHELE ist jetzt sauer auf mich. A sagte aber eher zu, und zwar definitiv, als B. Noch auf dem Band spricht B., sie wolle das Stück unbedingt machen, nachdem sie es gelesen habe; aber sie wisse eben nicht 100%ig, ob sie könne. Als ich sie nun anrief, nachdem ich A den Zuschlag gegeben hatte, und ihr absagte, war sie richtiggehend verletzt: Sie habe jetzt bereits einen Flug gebucht. Aber mich deshalb vorher angerufen, das hat sie nicht. Was soll ich tun in solchen Situationen? Ärgerlich und schade.
Jetzt muß ich wirklich Mittagsschlaf halten…

17.45 Uhr:
Telefonat mit Nasrin Verbeen in Chicago. Gestern war sie in Eile und konnte nicht sprechen. Jetzt eben hat sie mich aus anderem Grund… ja, abgewürgt. Ich protokollier gerade das… sagen wir: „Gespräch“. Bin ziemlich betroffen, auch wenn die Angelegenheit wirklich heikel ist. Aber ich hab da so eine S p u r… – Vielleicht stell ich das Gedächtnisprotokoll in die Verbeen-Reihe Der Dschungel. Aber niemals mehr als ein Stück täglich pro Rubrik, und für heute ist das ja getan.

Diese Schauspielerin, der ich absagen mußte, hat wieder angerufen und mir vorgeworfen, meine Absage sei menschlich nicht in Ordnung. Jetzt weiß ich gar nicht, wie damit umgehen. Auf Band sprach sie, sie wolle u n b e d i n g t die SAN-MICHELE-ROLLE sprechen, aber es sei nicht hundertprozentig sicher, daß das terminlich gehe. Ich schrieb ja vorm Mittagsschlaf drüber. Nun sagt sie, ich hätte ihr sagen müssen, daß ich noch andere ansprechen würde. Das habe ich, glaube ich, im ersten Telefonat auch getan. Aber unabhängig davon spricht man doch ohnedies mehrere an, wenn eine Produktion bereits in zwei Wochen ansteht. Da ist ja nicht mehr viel Zeit. Neben den Flugkosten wirft mir die junge Dame vor: „Sie glauben ja nicht, was das b e d e u t e t, ein Manuskript zu lesen, wenn man nicht immer daheim ist.“ Ja Gottchen, was soll ich jetzt tun? Zu meinem Glück rief Uschi Wissner an, die >>>> die Schauspielagentur attori leitet. Ich erzählte ihr den Vorfall. Sie lachte nur. „Da mach dir bloß keinen Kopf! Sowas ist völlig normal, gehört auch zu m e i n e m Tagesgeschäft, auch daß plötzlich etwas abgesagt wird, das telefonisch längst klarwar. Sicher ist das nicht schön. Und bei dir war ja noch nicht einmal endgültig zugesagt worden.“ Das hat mich ein wenig beruhigt, dennoch tut mir die Angelegenheit leid. Ich sei telefonisch nicht erreichbar gewesen, sagt die Schauspielerin weiter. Sie hatte nur die Telefonnummer meiner Arbeitswohnung. Aber das Band, auf das sie gesprochen hat, nennt in der Ansage meine Mobilnummer. Man hätte mich also sehr wohl erreichen können.
Und sie drohte indirekt: Sie habe viele Kollegen, denen werde sie den Vorfall erzählen. Sie muß sich auf diese kleine Rolle wahnsinnig gefreut haben nach der Lektüre; so groß ist die Enttäuschung offenbar, daß die Frau aggressiv wird. Weil ich das jetzt begreife, ist es gleich doppelt schmerzhaft.

Hübsch ist übrigens, daß mir jemand, ebenfalls auf dem Anrufbeantworter und wahrscheinlich aus dem Fernsehen, den langen Werbesermon einer Telefonsexwerbung aufgenommen hat. „Willst du reife Frauen? Ruf an! 6666666 undsoweiter.” Drei oder vier solcher Takes. Die hörte ich heute morgen gleich zur Begrüßung.