Das Sexuelle. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (95).

Weil es die – abgesehen von Hunger und Durst – ursprünglichsten Lebenskräfte des Menschen direkt mit den allervermittelsten, denen durch Geist, konfrontiert. Der Auflösung des organischen Körpers im Netz, der ein chemischer von Stimulans und Reaktion ist, wird dadurch begegnet, daß man sich zu ihm radikal zurückbeugt. Interessanterweise ist neben der Destruktion von Organen (militärische Entwicklung) die Rekonstruktion der Organe (Sexuelles als letzten Grundes zeugend*) nach wie vor das wichtigste Standbein des Internets; sozusagen h a t es nur zwei. Wie der Mensch. Alles andere dazwischen sind moderierende Sublimationen, die man Hände nennen könnte – entwickelt, weil der Fang nicht mehr reicht. Die Reihe, so gesehen, wäre: aufrechter Gang, Rückgang des Reißzahns/Entwicklung der Hand, das Werkzeug schließlich, daraus die Verfeinerung der Zunge, daraus wiederum die Sprache (ohne die der Glaube nicht wäre und nicht die Kunst), und schließlich das Internet. Die Fortpflanzungsorgane sind quasi unverändert geblieben.

Imgrunde müßte einer wie ich, der es mit dem Internet ernst meint, gleichzeitig zum Ackerbau und/oder zur Jagd, bzw. Fischerei zurückkehren; er käme sonst nie in den Tiefen an, noch berührte er jemals die Höhen. Sondern verbleibt im Zwischenraum.

Immerhin sind Kinder da. Ohne die wäre es sowieso müßig.

[*) Auch wenn Sexualität qua Kontrazeption von ihrem Grund
entbunden zu sein scheint, bleibt sie doch auf Reproduktion gerichtet;
das b l e i b t der Suchtgrund und die Lockung,
letztlich ist Wollust ihr Geschmacksstoff.]


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5 thoughts on “Das Sexuelle. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (95).

  1. eros wenn man hier von einer entwicklung sprechen möchte, die zu einem internet führt, dann darf man das sexuelle nicht im animalischen zeugungsakt stehen lassen. die grösste errungenschaft der sublimation des menschen ist der eros, der die sexuelle energie von der reproduktion entbindet. erst die erotik ist eine geistesleistung, die uns vom tier abhebt. diese sicht wäre in bezug auf das internet richtiger.

    1. @perkampus: Nein. Genau hier liegt der menschliche Denkfehler, diese Form unbewußter und zugleich falscharroganter Überhebung. Wie immer auch Sexus in den Eros sublimiert ist, es b l e i b t doch bei der Grundbewegung. Wir erheben uns n i c h t; wie verfeinern aber. Das ist ein kategorialer Unterschied. Entziehen Sie dem Gehirn den Sauerstoff, stirbt es – und sterben alle Kulturleistungen mit ihm.
      Demut ist angesagt gegenüber der Schöpfung. Und Schöpfung ist ein – Naturprozeß. Das Gehirn (und der Geist) gehören schlichtweg dazu, stehen nicht außer- sondern absolut innerhalb.

      [Eine Form der Verfeinerung ist die Pervertierung. Darauf wies ich an anderen Stellen bereits hin und werde ich wieder, in anderer Form, hinweisen.]

    2. natur natürlich bin ich einverstanden damit, daß der sexus die grundbewegung bleibt, keine frage. ich weiß indes jedoch nicht, ob “verfeinern” das richtige wort ist, wenn doch es AUCH damit zu tun hat. was mir wichtig erscheint, ist, zu sagen, daß es bei der erotik nicht um den zeugungsakt geht, daß wir mehr mit unserer sexualität anfangen können. anders ausgedrückt – und ich beziehe mich hier ja auf die kulturelle leistung des internets – sehe ich nicht, daß wir durch das internet die schöpfung verfeinern. auch hier ist eine erhebung über die natur zu erkennen. ich gehe davon aus, daß jede kulturelle leistung der natur widerspricht, daß kultur ja nachgerade das ist, was der mensch der natur entgegensetzt.

      noch etwas fällt mir auf: sie apostrophieren den geist plötzlich, den sie vor kurzem noch in die chemischen prozesse des gehirns legten.
      ausweichen kann man damit: wir könnten freilich sagen, wir, teil der schöpfung, schöpfen – und alles bleibt natur.

    3. “auch hier ist eine erhebung über die natur zu erkennen”. Nein. Sondern bloß eine – möglicherweise vorübergehende, möglicherweise weiterführende – Ausdifferenzierung. Mein Ansatz entspricht Ihrem letzten Satz: wir befinden uns i n der Matrix; allein der Systembegriff ist nicht mehr hinreichend. Meine hirnphysiologische Orientierung bleibt indes.

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