Immer noch Melancholie. Das Krausserjournal des Mittwochs, dem 16. November 2011. Beginn der Niederschrift.

5.25 Uhr:
[Noch keine Musik. Muß erst wählen.]
Um zehn vor fünf hoch, vom Vulkanlager diesmal selbst, weil die Schlafcouch für zweie zu schmal ist, jedenfalls wenn man sich dreht. Die Löwin kam spät am Abend, noch ganz von den Wiener Schrammerln erschöpft. Mein Junge ließ sich nicht blicken, weil er Musiktheorie dazubekommen hat, von der er meinte, sie entbinde vom praktischen Üben. Gänzlich unrecht hat er nicht: die Kinder sind terminlich dermaßen eingespannt, daß sie ein Recht, na sowieso, darauf haben, Freizeit einzufordern oder sie sich einfach zu nehmen. Ich sehe das ein; dennoch wirft es instrumententechnisch zurück. Da muß der Junge selbst entscheiden.

Die Melancholia-Diskussion geht weiter, auch wenn diadorim >>>> eine Woge des Abschieds darunterschrieb. Mir wird dagegen klar, wie eben nicht melancholisch, sondern aggressiv dieser Film ist; wahrscheinlich hat genau das meine Gegenwehr provoziert. Ich bin keiner, der auch noch die andere Wange hinhält. Deshalb ‚verteidige‘ ich auch nicht, sondern greife zurück an. Benutzte Melancholie, eingesetzt als eine verdeckte, doch mit dem ganzen Weltuntergang operierende Aggression: Melancholie als Wasserstoffbombe. Genau dafür dient von Trier der Kitsch: der legt sich gefühlig über die Wahrheit, verzuckert und kandiert sie, sowohl die eigene wie, um sie zu verkleben, die der Zuschauer. Was aber nicht bei allen funktioniert, wahrscheinlich dort um so weniger, wo sie für anderer Leben Verantwortung tragen und sie auch tragen wollen.

Krausser->>>>Hörstück: Heut ist der erste Tag der Niederschrift meines Typoskripts; nach drei Tagen, am kommenden Sonnabendmorgen, sollte und muß die erste Fassung fertig sein. Dann bleibt das Wochenende für die Überarbeitung; ab Montag werden schließlich die Sprechpartien aufgenommen und wird das ganze Stück, im Ohr und an dem Laptop, inszeniert: wofür ich wiederum eine (knappe) Woche habe.

2 thoughts on “Immer noch Melancholie. Das Krausserjournal des Mittwochs, dem 16. November 2011. Beginn der Niederschrift.

  1. Melancholia … ist ein schönes Beispiel dafür, das FREIHEIT (Sie schrieben mir anderenorts darüber) eine romantische Idee ist. Oder um es in der Sprache der Aufklärung zu formulieren. Freiheit ist etwas, was wir hoffen dürfen, von mir aus auch müssen, aber auf jeden Fall “nur” das. Und, immer noch in der Sprache Kants, die Bedingung der Möglichkeit der Freiheit ist das offene Ende, die andere Möglichkeit.
    Ansonsten widerstreitet Freiheit der Vernunft. Und das ist es, was Trier mit diesem kitschigen Film gezeigt hat. Wenn die andere Möglichkeit nicht existiert, dann gibt es keine Freiheit.

    PS: Ich mag aber naturgemäß diejenigen, die bis zum letzten Moment fordern, dass es anders sein müsse. Das sind die Einzigen, die mir sympathisch sind. Schönen Restsonntag.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .