Andreas Zielcke zertritt für die Süddeutsche Zeitung das Selbstbestimmungsrecht einer Frau. Am 19. Oktober 2017 anstelle eines Arbeitsjournales: Entgegnung einem Feinde.



Ein Buch wird zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Nach fünf Jahren wird ihm, guter Führung wegen, der
bedingte Freigang erlaubt, an dessen Einschränkungen
es sich hält.
So gehen die Jahre dahin, und endlich ist das Strafmaß
verbüßt. Das Buch kommt wieder frei.
Es öffnet die Augen, blinzelt in die zur Unvertrauten ge-
wordene wundervolle Sonne – als es vom ersten Stein all
derer getroffen wird, die unversöhnlich waren und sind.
„Verbrennt es, verbrennt es!“ schreien die Philister.
Sie tun es seit je oder, an Tauen, richten das Kreuz auf,
um es, das Buch, daranzunageln.

Burckhard Fahler, Schlechte Fabeln



Die Headline >>>> dieses Artikels ist gut: Worte, Wunden. Sie ist sogar ausgezeichnet und der Mann, der drunter schreibt, ein ausgewiesener Kenner. So wär es ehrenwert gewesen, von ihm beachtet, vielleicht sogar gewürdigt, egal, auch heftig kritisiert zu werden.
Nämlich wären von Andreas Zielcke, geboren 1943 und bis zum Jahr 2007 Feuilletonchef der Süddeutschen Zeitung, so oder so Erkenntnisse zu erwarten gewesen über ein Buch, dessen originale Gestalt der öffentlichen Zugänglichkeit lange Zeit entzogen war – Erkenntnisse literarischer Art, vielleicht sogar romanästhetischer oder, falls ihn alleine der Inhalt interessierte (für die „normale“ Leserin, den „normalen“ Leser völlig akzeptabel), über die Geworfenheiten der behandelten Helden und allgemein die Frage, wie recht zu leben sei und was es uns erschwere. Dazu das Buch hätte er nicht einmal mögen müssen, lediglich tun, was eines Kritikers ist, jedenfalls sein sollte: Sich auf es erst einmal einzulassen oder – zu schweigen.
Herr Zielcke hat beides nicht gekonnt.

Nun ist einem 74jährigen Mann, mithin einem Rentner, vielleicht nicht wirklich mehr zuzumuten, im Horte seiner Lektüren auch Obsessives zu dulden oder gar die Zeichen einer Zeit noch zu sehen, der das Private heikel wurde, geschweige ihnen zu folgen. Alles, was Internet ist, mag ihm mit allem Recht seiner Generation und also seiner Prägungen unheimlich dünken und deshalb ihm ein Dichter, der sich schon früh darauf einließ, suspekt sein. Mehr noch: daß ein solcher sein Allerprivatestes, das unumgänglicherweise Privatestes auch anderer ist, zu Material der künstlerischen Gestaltung macht, darf er mit guten Gründen für problematisch halten und deshalb eines solchen Buches Verbot nachvollziehbar begrüßen. Wenn aber der Verbotsgrund fiel, meinethalben den Kopf schütteln und igitt! oder sonstwas denken, nicht aber so tun, als stünde das Buch erst vor dem Prozeß, und er, als wäre er von dem Dichter geschädigt, schichtet nun Beweisgrund um Beweisgrund gegen ihn auf, wie um das Buch noch einmal zu verbieten.
Dies ist genau Herrn Zielckes Ziel. Zumindest will er die Verbreitung erschweren. Zu fürchten steht, es sei ihm nun gelungen.
Starke Rhetorik, fürwahr! Sein emotionsdurchbrodelter Artikel wimmelt vor Epitheta – ein deutliches Zeichen. Seine Leser:innen allerdings sollten sich fragen, welch enormer, ja „unmittelbar“ erregender Roman es sein muß, in einem gestandenen, gar altersreifen – um nicht zu sagen: „weisen“ – Mann so etwas auszulösen.

Herr Zielcke, ich habe ein Problem, das Ihnen, fürcht‘ ich, wohl bewußt, wenn nicht gar ein taktisches Mittel Ihrer Strategie ist. Denn so gerne ich Ihrem Text Satz für Satz gegenreden würde, ist‘s mir doch nicht erlaubt, ohne diesmal zwar nicht mit dem Persönlichkeits-, wohl aber Urheberrecht in Konflikt zu geraten; selbst längere Zitate sind heutzutage ohne die Genehmigung ihrer Autoren – oder derer, die ihre Rechte vertreten – nicht mehr erlaubt. Wes‘zufolge mir gar nichts anderes übrig bleibt, als ebenso rein zu behaupten, wie eben Sie es tun.
Solch eine Behauptung etwa sagte, es gehe Ihnen im eigentlichen gar nicht um dieses spezielle Buch, sondern um die Vernichtung eines Autors insgesamt, einem in meinem Fall Bedürfnis, das sie durchaus mit vielen Kritikern teilen und – wenn auch signifikant weniger – Kritikerinnen.
Sie tun es auch wirklich geschickt: etwa, indem Sie mir, dem Autor von >>>> Meere, einen Mißbrauch vorwerfen, den Sie durch Ihren eigenen noch betonen. Denn Sie nehmen den Willen der Frau, der das verbotene Buch nun befreit hat, gar nicht für eigenen Willen. Dahinter wirkt eine so rhetorische wie, im juristischen Sinn, suggestive Form von Autor-Diskriminierung. Fast muß Ihr Leser meinen, sie, diese Frau, sei zu ihrer Willensbekundung genötigt, wenn nicht gar gezwungen worden – und wenn, von wem dann wohl als von mir?

Das ist, ich gebe es zu, höchst wirksam Infamie. Wer mag denn jetzt noch erkennen, daß Sie es sind, ein Selbstbestimmungsrecht mit dem Absatz zu treten? zumal das einer Frau, um deren Wohlfahrt Ihr Text zu kämpfen sich bauscht. Hier, nicht bei mir, hat das alte und hämische Patriarchat gegen sie, diese Frau, nicht nur den Stinkefinger, sondern die Hand gehoben, die, wenn die Argumente ausgehn, halt auch gern mal zuschlägt. Auf der Buchmesse >>>> haben wir’s neulich erlebt. Es wirkt hier – strukturell – ganz derselbe Ungeist.
Der Mißbraucher, nein, bin wahrlich nicht ich.

Ich war es auch zuvor nicht. Sie gehören, Herr Zielcke, zu einer Generation von Journalisten, denen an präziser Recherche noch gelegen war. So hätten Sie doch Blicke in die Prozeßakten werfen können. Genau das taten Sie offenbar nicht. Sonst wäre Ihnen zur Kenntnis gebracht, daß ich vor Drucklegung, sogar lange vor ihr, das Typoskript des Romanes der späteren Klägerin zugeschickt habe. Ihre Antwort war, wie immer man sie wertet, eindeutig: Sie wolle das Buch erst lesen, wenn es herausgekommen sei. So erklärte sie selbst es vor Gericht zu den Akten.
Tatsächlich, da gaben ihr die Richter recht, hätte man – auch ich nicht – von ihr nicht verlangen können, daß sie meinen Text auch lese; ihn aber nach dieser Bekundung veröffentlichen zu lassen, war ein Mißbrauch eben nicht – auch dann nicht, wenn das Buch Persönlichkeitsrechte der Klägerin angeblich oder tatsächlich verletzte. Hätte ich denn ohne Not darauf verzichten sollen, diesen Roman in die Welt zu bringen, ahnend, daß er eine Verletzung darstellen würde? Ich ahnte es tatsächlich nicht. Im Gegenteil ging ich davon aus, daß die Frau sehr wohl weiß, wie Kunst entsteht; wir hatten ja zusammen gelebt: Sie hatte nicht nur mich, sondern auch mein Werk geliebt. So wußte sie durchaus, wie immer wieder ich eigenes Erleben in meinen Texten fiktionalisierte. Und fiktionalisiert ist Meere von Anfang bis Ende.
Das war auch niemals strittig.
Die Frage des Prozesses spitzte sich anders zu: Inwieweit ist jemand von seinem nahsten Freundes- und Familienkreis noch erkennbar. – Nur kann man verfremden, wie man nur will, die Nahsten werden immer erkennen.

Dabei war mir bei allem die Klägerin selbst, also ihre Position, gar nicht problematisch. Ich verstand sie gut und verstehe sie noch jetzt, und aber jetzt versteh ich sie noch einmal ganz besonders. Skandal vielmehr war für mich die Reaktion der Kritik. Skandal waren die aufeinandergehäuften Falschmeldungen, die oft sehr bewußt als solche lanciert wurden. Da sind nun Sie keine Ausnahme, insofern ich einige Gründe habe, von meiner Annahme besser abzustehen, es liege Ihrem Text eine Nachlässigkeit der Recherche zugrunde, sondern daß Sie mit vollem Bewußtsein Falsches behaupten.

Interessant zum Beispiel, daß Sie Ihren Lesern erzählen, ich hätte meinen Helden, den Maler Fichte, als „erbärmlichen Realitätsverweigerer” gezeichnet. Ähm – bitte wo? Die „unbarmherzige Brennschärfe”, mit der ich die Physis – übrigens nicht nur, wie Ihr Artikel unterschiebt, der Protagonistin – beschriebe, spricht wohl eher eine andere Sprache, zumal Ihr Begriff von Barmherzigkeit angesichts erotischer Vorgänge doch recht katholisch wirkt, nur leider auf calvinistische, statt lebensfroh-mediterraner Art.
Nicht das Buch ist der Skandal, sondern für Sie der Körper selbst, und Körperliches. Sie perpetuieren die monotheistische Feindlichkeit gegen Sekrete und Sinne. Dieses, wenn ich’s recht betrachte, scheint hinter Ihrer Empörtheit zu wirken. Der Anlaß selbst, wie ich oben betonte, hat sich ja aufgehoben: Die angeblich oder tatsächlich Geschädigte selbst hat es getan. Es wäre an Ihnen, das zu akzeptieren. Daß Sie es nicht tun, zeigt, woher Ihr innerer Wind weht.
Dafür spricht darüber hinaus, daß Sie – ebenfalls sehr geschickt – eine Haltung Maxim Billers mit der meinen vermischen, indem Sie Ihre Conclusio zu ihm als – freilich indirekt – auch meine Position unterstellen: „Einen als kleinbürgerlich deklarierten Willen braucht ein Künstler, heißt das wohl, nicht zu respektieren.” – Wo herrje hätte ich jemals die Klägerin kleinbürgerlich genannt? Wenn sie irgendetwas wahrlich nicht ist, dann das. Und daß ich für das Buch kämpfte, weil ich fälschlich meinte, der Begriff der Erkennbarkeit beziehe sich auf Personen des Öffentlichen Lebens, hatte schlichtweg seinen Grund darin, daß genau dieses bis damals die Grundlage der juristischen Auslegungen war.
Auch hier hätten Sie sich kundig machen können.
Erst mit Meere änderte es sich; – in Billers Fall war die Öffentlichkeit der in seinem Fall Klägerinnen gegeben. Daß beide Bücher, seines und meines, aber auch aus völlig anderen Gründen, nämlich wegen unserer geradezu gegenläufigen kunstästhetischen Ansichten, überhaupt nicht vergleichbar sind, – diesen Umstand kehren auch Sie besser unter den Tisch und wiederholen statt dessen eine Frage, die den Buchprozeß ständig begleitet hat und deren Antwort zu dem bekannten, nun aber eben aufgehobenen Ergebnis führte.
Ich habe diese Antwort akzeptiert, indessen schon lange im Vorfeld entsprechend reagiert: Es kam – auch da schon mit Einwilligung der Klägerin – zu der „persischen” Fassung des Romans. Sie hingegen tun so, als wäre alles immer noch strittig. Gewissermaßen, siehe oben das Motto, wollen Sie das Strafmaß für das Buch im nachhinein erhöhen.

Und dann der Clou Ihrer Begründungsfindung, verzeihen Sie, wenn ich lache. Doch Frankreich gegen Deutschland auszuspielen, am Beispiel des Persönlichkeitsrechts, ist von geradezu bizarrem Argumentationsdilettantismus. Nämlich weder in Frankreich wäre es zu einer Verurteilung des Romanes jemals gekommen – noch übrigens in den USA; er wäre dort nicht einmal infrage gestellt worden.
Bitte lesen Sie gelegentlich auch hierzu die juristische Fachliteratur. Wissen, Herr Zielcke, kann nicht schaden; schaden tut immer nur „Meinung”, besonders aber das Ressentiment. Dieses führt sogar dazu, daß nun, was ich zutiefst vermeiden wollte, die Frau, für die Sie angeblich streiten, erst recht und, wenn Sie so wollen, noch einmal verletzt wird.
Denn sofort, Sie können es >>>> hier in Der Dschungel furchtbar nachlesen, hängen sich die Mitläufer der „Meinung” an Sie dran und kläffen häßlichst mit, und anonym. Da wird, um mir zu schaden, durchaus nicht davor zurückgescheut, die Frau selbst zu diffamieren: Hauptsache, man kriegt den Herbst damit weg, den, wie >>>> verräterischerweise einer schrieb, „Adligen”.
Die Sippenhaftsgesinnung, mit der ich es von Kindesbeinen an genau wie Fichte, mein „Held”, zu tun gehabt habe – ein Motiv des Romans, das sehr bewußt ignoriert worden ist und das nun auch Sie ignorieren – schlägt neu auf das ekelhafteste durch, nun seinerseits „geadelt” durch Sie, ja von Ihnen neu erst angestachelt. Moralische Empörung führt zu Häme, wenn sie sich zu Volkswillen bündelt. Das Buch selbst, um das es jetzt doch gehen sollte, geht darin unter. Das, genau das, ist intendiert.

Meere „verhandelt” nicht nur eine Liebes- und obsessive Künstlergeschichte; viel entscheidender ist, daß dieser Roman sowohl den Umgang mit der sogenannten deutschen Vergangenheitsbewältigung in den Blick nimmt wie ihre Hilflosigkeit im Aufeinandertreffen mit nächsten Generationen, und er erzählt, was sich de facto mit den neuen Technologien in der Seele der Menschen vollzieht; er gibt sogar eine Erklärung dafür. Und er klagt, klagt im bisweilen Ton >>>> Jeremias’. Schon das Motto des Buches, von Kipling, schlägt ihn an. Auch dieses, das Sie „Resignation und Selbstmitleid” nennen, hat eine künstlerische Funktion. Es ist gebaut, nicht larmoyant.
Die Bewegung des Romans ist immer wieder eine fort vom Ich über das „er” zum Wir. Nach unserer Art wird gefragt: Der allgemeine Verlust ist in den personalen gespiegelt. „Horchst du nach innen, hörst du das Draußen”, schrieb Ernst Bloch. Daher das hier zum ersten Mal in meinem Werk sich derart scharf zentrierende Primat des Privaten.
Geradezu notwendigerweise geriet es in einen Konflikt mit sich selbst, der sich nicht nur juristisch austrug, das war sogar die Nebensache – einmal abgesehen davon, daß Ihr Angriff auf das „absolutistische Selbstverständnis” der Künste ihnen eine Wirkkraft nehmen will, die sie sich mit Begriffen wie Kunstautonomie und auch Genie ziemlich bitter erstritten haben: nämlich weg vom Lakaientum, in dem die heutige Gegenwart sie gerne wieder sehen möchte, nur daß die neuen Herren nicht etwa mehr feudal sind, sondern Quote und Mainstream heißen, denen „demokratisch” man sich unterwerfen solle; sprich: dem Markt.
Die Wahrheit hingegen von Meere – und anderen Büchern, auch anderer selbstverständlich, mehr – liegt davon jenseits. Auf den Punkt hat es >>>> Gerd-Peter Eigner gebracht: „Denn jede persönliche Katastrophe ist doch nur die genauere Auskunft über den Zustand der übrigen Welt.“ Die genauere, Herr Zielcke, ecco! Deshalb, nicht aus larmoyanten Gründen, ist auf der künstlerischen Darstellung des Privaten zu beharren.

Im übrigen gilt, daß es hierzulande auch dann keine Zensur gibt, wenn Sie sie gerne sähen; geschrieben und gedruckt werden darf alles, solange niemand dagegen klagt. Das ist gut so, das eine wie die Möglichkeit des anderen. Nur hat sich eben der Klagegrund gegen Meere nach fünfzehn Jahren erübrigt, und es wird Zeit, nach der Qualität dieses Buches zu fragen und darüber zu sprechen, nicht aber mehr über die Umstände seiner Entstehung, geschweige verletzter Persönlichkeitsrechte. So hat es die Frau entschieden, die alleine es war, sich verwundet fühlen zu dürfen und zu können. Es ist an Ihnen, das zu erkennen und – sich zu entschuldigen: nicht bei mir, bewahre! Sondern persönlich bei ihr.

ANH
Oktober 2017

ANH 16.10.2017 von (c.) Michael M. Roth
[Fotografie: >>>> Michael M. Roth
16.10.2017]

15 thoughts on “Andreas Zielcke zertritt für die Süddeutsche Zeitung das Selbstbestimmungsrecht einer Frau. Am 19. Oktober 2017 anstelle eines Arbeitsjournales: Entgegnung einem Feinde.

    1. Meine Meinung dazu Die Entgegnung gefällt mir.
      Wenn diese Zeitung Anstand hat, würde sie dort gedruckt veröffentlicht werden. Doch wir leben wohl in einer Zeit, wo Anstand von Zeitungen nicht zu erwarten sind. Ähnlich verhält es sich mit den meisten Kollegen eines Autoren.
      Wir Leser stehen ja nur da mit offenem Mund und staunen über „Replikanten und Menschen“. Ich kann doch nicht einen Autoren versuchen klein zu machen, weil ich sein Buch nicht mag. Da muss ich mich doch als ernst zu nehmender Kritiker mit dem Buch beschäftigen.
      Das alles ist nicht passiert.
      Ich kann einen Menschen hassen oder lieben, doch ein Buch eigentlich nicht. Mit einem Buch kann ich auch keine Sinnlichkeit haben, es sei denn, ich bin ein Idiot. (Das geht allerdings auch mit Menschen, nur eben da wirklich.)
      Es sei denn in einem übertragenen Sinne, dass ich mir in meinem Kopf die Protagonisten, smile auch nur Replikanten, als Wirklichkeit vorstelle. Das ist aber ein Trick in meinem Kopf, diese Figuren sind nicht wirklich, auch ein Fichte nicht.
      Also beginnen nun diese Art Kritiker den Helden mit seinem Autoren gleich zu setzen, weil sie unbedingt das hassen wollen, was da beim Lesen in ihrem Kopf entstanden ist.
      Und tatsächlich hat der Kritiker ganze Kübel von Hass und Anlehnung gegen den Autor ausgegossen, aber ich glaube in seinem letzten Satz gibt er zu, dass es ein „Kunstwerk“ ist.
      Da kommt der Verdacht auf, um sich abzusichern gegen den Vorwurf der üblen Nachrede.
      Das Privatleben eines Autors, und da gehört auch seine Sexualität dazu, geht niemanden etwas an.
      Wie man mit seinen Büchern umgeht dagegen, ist tatsächlich eine öffentliche Sache, das geht alle an.
      Die Vermengung von beiden scheint mir die einzige Sache zu sein, die man hier dem Autoren „vorwerfen“ könnte, nicht weil er ein böser Mensch ist, sondern vielleicht etwas naiv war, wie wirklich böse Menschen sein können, die nicht dem Buch, sondern ihm weh tun wollten, das heißt verletzen.
      Und da es sich ja um einen frei schaffenden Künstler handelt, probiert man es nun mit übler Nachrede, ihm wirklich zu schaden.
      Das ist Existenz bedrohend.
      Ich werde auch nicht den Eindruck los, dass alle großen Zeitungen gewissermaßen triumphierend ein Gerichtsurteil benutzten, den Autor in Acht und Bann zu schlagen.

      Wahrscheinlich könnten in anderen Ländern sogar Mörder aus einem Gefängnis heraus Erfolgsromane schreiben.
      Dieser Autor jedoch ist nicht wegen Vergewaltigung oder ähnliche Schandtaten vor Gericht verurteilt wurden. Ging es nicht eigentlich darum. Verantwortung für die Privatsphäre einer Frau zu haben, weil es in der blöden Welt genug Idioten gibt, die vermeinen könnten, diese Frau in einem Buch zu erkennen?

      Und jetzt, da es die juristische Unterstützung des Verbots nicht mehr gibt, erst recht nachtreten?
      Ist das Wut darüber?
      Das schreibe ich vorausschauend, weil man das ja kennt, eine beginnt und die anderen folgen. Ich schrieb vom „Anstand“ der Zeitungen.
      Sie sollten es mal nicht tun, diese großen Haie in dem Becken.
      Wie wäre es einfach mit einer fairen Buchkritik?
      Lange genug stand ja der Autor im Mittelpunkt des Interesses, jetzt könnte doch auch mal sein Text dran sein.

    2. @Harfim zum Interesse Gestern stand >>>> dort noch ein sehr sehr kluger Kommentar Peter H. Gogolins, der, glaube ich, seine Hand genau auf die Hintergründe der auch von Ihnen klar gesehenen Vorgänge gelegt hat. Es ist nicht ganz so einfach, daß der Autor (ich also) im Mittelpunkt des Interesses stand. Ein wirkliches Interesse drückt sich anders aus als durch Ressentiment; ein Interesse will, wie das Wort schon sagt – esse, ‘sein’, inter, ‘dazwischen’, ‘dabei’ – sich zu einem Teil von etwas machen oder ein Teil von etwas zu einem Teil von sich. Hier vielmehr geht es, auch das war bei Gogolin zu lesen, um Abwehr – psychoanalytisch ausgedrückt: um Reaktionsbildung. Möglicherweise ist dies den Leuten gar nicht bewußt; sie würden es wahrscheinlich abstreiten.
      Leider hat Gogolin seinen Text gelöscht, nachdem sofort auch er, und zwar >>>>auf das mieseste, attackiert wurde. Er, Gogolin, hält das derzeit in keiner Weise aus.
      Gleich attackiert zu werden passiert übrigens den meisten Leuten, die sich öffentlich, und sei es nur für Momente, auf meine Seite stellen.
      Ich habe den Fehler begangen, den Text nicht zu kopieren und zu sichern; es hätte sich anders zumindest daraus zitieren lassen. Nun will ich aber auch nicht wiederholen, was ich nur in Erinnerung habe. Unterm Strich ging es um meine Einforderung des Körpers, die bei Männern immer sofort den Macho-Verdacht evoziert, so wie bei Leuten, die, aufgewachsen auf einem sagen wir Hof, mit ihrem Boden verwurzelt sind: da denkt der deutsche Intellektuelle immer gleich ein “und Blut” hinzu. Frauen wiederum ist Körper ‘erlaubt’, aber als ein Teil ihrer Emanzipationsbewegung, auch hier also völlig abstrakt, wo bei mir nach wie vor ein Primat der Sinnlichkeit steht. Eine sehr schöne Formulierung Gogolins habe ich allerdings behalten: Man erwarte von mir, daß ich mich für dieses Primat der Sinnlichkeit wenigstens schämte, also ein schlechtes Gewissen hätte. Verübelt wird, daß ich es tatsächlich nicht habe – und daß, obwohl ich eben kein ungebildeter oder, besser noch, ordinärer Primitivling bin, sondern zugleich eine geradezu klassische Bildung liebe und pflege und weitergebe. Wenn Sie das noch zusammendenken mit Politik, wird sehr schnell klar, daß ich eine Freiheit des Denkens und Daseins vertrete, die jegliche Führbarkeit ausschließt. Kurz, ich bin von Kopf, Herz und Schwanz Anarchist, aber keiner von der ‘Anarcho’-Fraktion, sondern geprägt durch Landauer und Mühsam. Jegliche/r autoritär Strukturierte kann gar nicht anders, als eben davor Angst zu haben, sei es als ‘Führer(in)’, sei es als Geführte/r.

    3. @ANH Danke für den Hinweis auf diesen Kommentar Gogolins.
      Ich hatte ihn sogar gelesen, aber sehr schnell und auch nicht zustimmend, was diese Art Sinnlichkeit zu beschreiben betrifft, also schweigend nicht zustimmend, smile, so für mich. Da habe ich mir bewusst keine große Mühe mit gemacht, tut mir leid.
      Er schreibt ja sehr leidenschaftlich, man sagt auch, solchen Menschen gehen schnell mal die Pferde durch, für Freunde ist das liebenswert, für Feinde eine Möglichkeit zur Gegenattacke… darum hatte ich dann sehr den Kopf geschüttelt über diesen geschmacklosen (Gegen) Hasskommentar eines „Feindes“.
      Das ist kein Niveau, dem man sich anschließen sollte, meine ich, weder der einen noch der anderen Seite.
      Wir beide hatten ja schon neulich einen kleinen Ausflug zum Geheimnis und dem „dunklen Kontinent des Weibes“ unternommen. Sexualität und Darstellung in der Kunst.
      Und wir sind da nicht in einem Lager.
      Und trotzdem kann man anständig miteinander umgehen.
      Vor ein paar Tagen nahm ich an bei save.tv war der Film „Elementarteilchen“ gespeichert und ich wollte mir ihn ansehen.
      Ich wusste zu wenig davon, hatte auch den Roman nicht gelesen, aber was ich darüber las, hatte meine Neugierde geweckt.
      Allerdings (Sie sagen dazu immer Ressentiment, smile) kenne ich mich, glaube ich, gut genug, dass ich vom Vorwissen allein überzeugt war, das wird mir nicht gefallen.
      Ich mag ‘s aber auch ganz gern, wenn ich mich irre. Man kann auch behaupten, darum lese ich hier in diesem Blog.
      Ich stellte den Film an und da kam eine Erklärung, der Film ist vertagt, weil ein Schauspieler gestorben ist und man sende nun den Film „Der Mann der Friseuse“, diesen Schauspieler zu ehren.
      Den Film sah ich mir an, auch mir bisher unbekannt.
      Vielleicht kennen Sie ihn jedoch.
      Dieser Film ist für mich genau das, was eine gute Darstellung der Sinnlichkeit mit dem Wissen, das Geheimnis zu bewahren, sein sollte. Ich sah ihn begeistert als große Kunst.
      Aber ich habe die Vermutung, darüber werden wir bei Gelegenheit streiten und sogar den Idioten beweisen können, das so was ganz ohne Hass geht.

      „Gleich attackiert zu werden passiert übrigens den meisten Leuten, die sich öffentlich, und sei es nur für Momente, auf meine Seite stellen.“
      Lol, muss ich mich fürchten?

    4. Nà@Harfim, ich hoffe doch n i c h t.

      (Den “Mann der Friseuse” – Korrektsprach, nebenbei, “Friseurin” – kenne ich leider nicht, und was Hoellebeuqc anbelangt, stehen wir unvermutet auf einer Seite.)

      Ich finde es beruhigend, daß Menschen wie Sie hier lesen und sich äußern, egal ob wir übereinstimmen; im Gegenteil sind Differenzen oft sehr erkenntnisfördernd. Aber Differenzen sind, wie sie heißen: differenziert. Auf dieser Basis läßt sich’s sprechen.

    5. Jetzt nochmals gelesen bezüglich Interesse @ANH

      es stimmt, durch Ihren Blog hier ist ja so eine Art Gegenöffentlichkeit zu den bisher führenden (Print)Medien entstanden, das Internet, dadurch habe ich mich zum Wort “Interesse” verleiten lassen, weil ich es so wahrnehme. Und ich vermute, auch diese Medien nehmen und wie ich aber hoffe, nahmen es so wahr.
      Deswegen wäre es richtig, von einem “Desinteresse” der Medien zu sprechen, das aber besonders betont wirkt für aufmerksame Leser/innen.
      So ungefähr wie “ich beachte dich nicht und das soll auch jeder wissen”, was ja eine gewisse Komik hat. Genau genommen ist das Kinderkram und erinnert mich an meine derzeitige Lektüre “Marie Antoinette” von Stefan Zweig, wo die Königin bewusst am Hofe Madame Dubarry nicht bemerkte und alle belauerten genau das, sorry hier, wenn das zu ironisch wird.
      Das alles kann sich ja ändern, in dem Buch schreibt Zweig, dass dann die Königin sich doch wenigstens zu sieben Worten überreden ließ 🙂 Dazu musste die Mutter Maria Theresa ins Boot gezogen werden.
      Na gute Nacht, würde ich sagen. Das Rokoko lässt grüßen.

  1. [Nochmal gelesen den Artikel. Mag’s gern mit eigenen Worten wiedergeben und rekapitulieren, die wahrscheinlich nach ANHs Replik überflüssig sind (auch wenn ich der Meinung bin, man hätte ihn, den Zielcke, überhaupt ignorieren sollen):] Worauf er dann aber doch am Ende abstellt, ist der Begriff “Selbstbestimmung”, nach all den eher staatsanwältlich klingenden Ausführungen (Herbst ständig in indirekter Rede wiedergegeben: er habe…, um dann seinen Ton im staatsanwältlichen Präsens fortzuführen). Fast als unterstellte er der in einem gewissen Sinne Angesprochenen gerade “Selbstbestimmung” als etwas, mit dem sie willkürlich umgehen könne. Also verbieten oder nicht mehr verbieten. Ohne daß er etwas von den Verletzungen versteht, die er unterstellt, weil Herbst selbst dieses Wort gebraucht hat. Dahinter wittert er ein vermeintliches Geständnis, hinter welcher Hypothese das ganze fiktionäre Gebäude dem Staatsanwalt zusammenzubrechen scheint, so daß es auch gar nicht mehr der Rede wert ist. Man begreift nicht wirklich, was er mit dem Wort “Selbstbestimmung” meint, auf den der Artikel hinausläuft, der mit diesem Wort endet. Indem er ihrer Klage Recht gibt, entzieht er ihr gleichzeitig die Selbstbestimmung hinsichtlich der Klagerücknahme, die er ihr gleichwohl zugesteht als etwas in ihrem Ermessen liegendes. Aber erst, nachdem er ihre Verletzungen gestreichelt als rechtschaffener Staatsanwalt. In dem Sinne: es möge ihr gestattet sein, mit ihren Verletzungen verzeihend zu leben. Ein Ermessen, daß ihr im ganzen vorhergehenden Text negiert wird. Aufgrund der Eingeständnisse des “Täters”, denn ‘er habe…’ oder ‘er sei…’. Immerhin muß man ihm zugestehen, er hat Herbsts Ausführungen zum Hintergrund der jetzigen Veröffentlichung gelesen, die in der Dschungel standen, nicht aber das Buch. Und wie gern benutzte er das Wort “Berserker”: irgendwelche Hunnen aus den Gegenden östlich der zivilisierten Welt. So liest sich das. Er, der Autor, wird am Kragen herbeigezogen.

    1. Ich habe den SZ Artikel immer noch nicht gelesen, aber, ich kann vielleicht sagen, wie es auf mich wirkt(e). Dieses Buch traf auf mich mit einer gehörigen Anmoderation, viele Stimmen, auch die des Autors selbst, noch bevor ich überhaupt eine Seite aufschlagen konnte, gingen diesem Buch voraus, das macht etwas mit der Leseerfahrung, ganz klar. Es erzeugt und nimmt ihm die Spannung als reine Fiktion gleichermaßen, das war beim Traumschiff anders, ich glaube, darin liegt zu einem nicht geringen Teil auch das Problem bei der Rezeption von Meere. Mein Trick ist dann immer, ich halte Autor*innen grundsätzlich für dümmer als ihre Bücher oder zumindest nicht für privilegierter, wenn sie über das, was sie da geschaffen haben, Auskunft geben, das hat mich vielleicht gerettet beim Lesen. Das ist vielleicht grundsätzlich ein Problem, niemand möchte sich sagen lassen, wie er nun dieses Stück Musik zu hören hat, dieses Buch zu lesen, dieses Bild zu betrachten, erst mal möchte man doch unvoreingenommen an etwas herantreten dürfen, weder eingeschüchtert, noch ermutigt werden, sondern schlicht seinen Interessen folgen dürfen und dann muss es zünden, dass man sich sagt, ok, ich möchte vielleicht doch noch mehr darüber wissen, wie ich so ein Barockstilleben lesen kann, weil es mich einfach gepackt hat, als ich davor stand. Vielleicht liegt eine ungute Vereitelung einfach darin, dass ein mit so einem Verbot mal belastetes Buch, diese Unvoreingenommenheit schwerlich wieder herstellen kann, weil ihm das einfach anhängt und dann schaut man zwangsläufig, der eine mehr, die andere weniger, mit dem Auge der einstigen Klägerin, so kommt es vielleicht, selbst wenn die es nun freigegeben hat. Unvoreingenommenheit kriegt man da nicht mehr hin, vielleicht aber diese Freigabe besser mitzudenken. Das scheint offenbar in der SZ (noch) nicht gelungen.

    2. @diadorim, zweierlei 1) Lesehaltung: Da wir in der Literatur anders als in der Musik keine Notation haben, jedenfalls keine präzise, habe ich meinerseits es sehr gerne, Autorinnen und Autoren ihre Texte vortragen zu hören. Dann bekomme ich nämlich einen Eindruck von Klangraum und Rhythmus. Will ich meinerseits eine präzise Klangart erzeugen, baue ich entsprechend meine Sätze. Das führt oft dazu, daß sie für manieriert gehalten werden, weil nicht erkannt wird, wo die Betonung zu liegen hat, damit der Satz gänzlich leicht ist; es wird sozusagen nach Normalart gelesen, und dann spürt man Holperer, die aber nur solche sind, weil nicht präzis gelesen wird. Normalart bedeutet: Ich lese nach meinen Prägungen. Nicht selten haben Menschen überhaupt erst nach meinem Vortrag Zugang in die Texte erhalten.
      So ist der inhaltliche Zugang jetzt ebenfalls durch die “Skandal”geschichte versperrt; das muß “normale” Leser aber nicht stören, sie lesen ja auch Biografien mit Spannung.
      2) Für professionelle Leser gilt das aber nicht. Hier muß mit allem Recht erwartet werden, daß auch die Arbeit des sich-Einlesens und des Findens-des-Rhythmus geleistet wird, und zwar genauso, wie erwartet werden kann und muß, daß sich diese professionellen Leser auf ein Buch-als-Buch, einen Roman-als-Roman konzentrieren. Um dies zu können, ist Bereitschaft erfordert, nämlich auch die, sich seiner persönlichen und/oder betriebskonformen Ressentiments zu begeben. Diese Distanz nicht zu sich selbst, doch sehr wohl zu, ich will einmal sagen, “Vor/Meinungen” ist wesentlich für jede gelungene Kritik, sei sie jubelnd oder zerstörend. Für mich selbst gehe ich, bezogen auf Schlegel und Benjamin, sogar noch viel weiter: Ich brauche zum Gegenstand meiner Betrachtung N ä h e und werde immer bemüht sein, sie herzustellen. Erst dann, habe ich es geschafft, wage ich, über ein Buch (oder Musikstück oder Bild) auch zu schreiben. Dahinter steht der Gedanke, daß ich nicht über dem Kunstwerk stehe, sondern nur aus ihm selbst heraus Wahres schreiben kann. – Dies aber, wohlgemerkt, ist meine Position, die ich nicht auch von anderen verlange. Unvoreingenommenheit verlange ich von Profis aber sehr wohl.

    3. Na ja, Profis sind auch Menschen. So ein Skandal kann ja auch verlockend sein, birgt dann aber die Gefahr, genau ihm nachspüren zu wollen. Ich kann nicht verhehlen, dass ich auch gedacht hab, den Typen hätte ich verlassen anstelle der Protagonistin, aber ich hab eben auch gedacht, das Buch ist auf ihrer Seite, es zeigt eine Art Läuterung. Ich erinnere mich ja auch kurioser Weise eher an die Protagonistin, wie leicht sie Sprachen lernt, wie viel freier sie eigentlich ist und leicht Kontakt aufnimmt zur Bevölkerung und ein zwanghaft Getriebener bewundert das auch an ihr, kommt aber auch nicht aus seiner Haut, ich erinnere es vielleicht als ein Buch, das zeigt, was der Preis der Kunst sein kann. Rein semantisch betrachtet.

    4. Gut, gerade gelesen, na ja, das ist keine Rezension eines Buches. Den Rezensenten interessiert das Buch nicht, ihn interessiert die Instrumentierung des Falls und ähnlich gelagerter Fälle. Ist ärgerlich, aber es wird auch schon so angekündigt, dass es keine Rezension sein will. Blöd ist dabei dann, dass es dennoch als Rezension wahrgenommen wird und werden muss. So kommt es mir vor.

    5. “was der Preis der Kunst sein kann”: Damit – so furchtbar ich es finde – läßt sich einem Zentralen dieses Buches nahekommen, ja. Und daß keine/r der beiden Liebenden aus ihren Häuten rauskommt, die Liebe mag noch so groß sein. Sie spüren es aber: daher die obsessive Dynamik ihrer beider Begehren.
      Daß Meere darüber hinaus ganz auf der Seite Irenes ist, ist ein weiteres; ich habe damals das Wort “poetische Gerechtigkeit” geprägt, ohne deren Imperativ ich dieses Buch tatsächlich niemals geschrieben hätte. Es ist – neben formalen Aspekten – wahrscheinlich das, was Meere am tiefsten von Billers Es/zra unterscheidet (ich weiß nie, ob Esra oder Ezra schreiben, jedesmal muß ich nachschlagen; diesmal unterlaß ich’s).
      Das schmerzhafte an Prozeß, Verbot und Berichterstattung ist für mich bis heute, daß dieser Aspekt gar niemals in einer Rede vorkommt, daß er einfach niedergebügelt und vom Tisch gefegt wird, weil der Autor unbedingt ein Widerling sein soll. Was ich so wenig bin, wie Fichte es ist. Beide hängen wir in Vorbestimmtheiten fest, aus denen ich selbst nur mit riesiger Anstrengung – und eben nach der Katastrophe erst – herauskam. Ob Fichte es geschafft hat, entzieht sich meinem Wissen.

    6. Also, wenn ich ganz schrecklich westentaschig Freudsch lesen wollte, würde ich wirklich denken, es ist eine Art literarische Wiedergutmachung, denn, aber das mag ganz und gar meine Lesart sein, Irene, schwamm sie weg? blieb einfach fort? ich weiß es nicht mehr, aber ich erinnere einen Zurückgebliebenen dabei und eine Sirene, die zurück in ihrem Element ist. Einen an Land, eine im Wasser, zwei, die offensichtlich nur in ganz unterschiedlichen Elementen existieren konnten. Wie wäre es wohl andersherum gewesen, wenn Fichte mit ins Wasser gezogen worden wäre, vielleicht muss dieses Buch noch geschrieben werden. Ferner Land oder Kein Land so fern. Also die Geschichte eines Fichte, wie ich sie gelesen habe, ist vor allem auch die eines Mannes, der die Spielreglen vorgibt, mithin auch eine Geschichte der Kontrolle und seines Zwangs und wie die Angst vor Kontrollverlust letztlich aber den größten Verlust bewirkt. Und, eigentlich sind die Sirenen ja auch die gefährlichen Wesen, Odysseus musste sich die Ohren mit Wachs verstopfen, gut, wenn sie erst gar nicht zum Singen kommen, haben sie keine Macht, verkaufen ihre Stimme, und vielleicht ist das ja eine Art Machtverlangen, die Sirenen zum Schweigen zu bringen, weil Mann um die Gefahr weiß, wenn sie singen. Auch ein Aspekt.

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