III, 404 – Muskelkater

Jemand wurde 68 heute, und wenn der achtjährige Mietvertrag abgelaufen sein wird, bin ich 72 (nicht doch: werde ich sein? (na doch, für die Vorstellung läßt sich durchaus ein Indikativ benutzen, jenseits aller Möglichkeitsformen)). Etwas Ähnliches dachte ich beim Abschluß des ersten Mietvertrags: bei dessen Ablauf haben dann die 60er das Sagen. Ein zahlenspielerisches Weiterdenken versag’ ich mir als Utopie.
Immerhin ihre Söhne (also eine Jemandin). Denn mich zerrte gestern um halb zehn ein Anruf aus dem Bett (la somiglianza tra soleil, weil’s schon hell ist, und sommeil). Mein Holzlieferant. Er habe tatsächlich niemanden gefunden, der mir wie in den letzten drei Jahren gegen Bezahlung das Holz in den Hof schleppt. Und er könne es nun bringen und mir dadurch das Wochenende verderben, wie er sich scherzhaft ausdrückte: immerhin an die zwanzig Doppelzentner. Ich bat mir Bedenkzeit aus. Mußte erstmal richtig wach werden.
Hatte seit langer Zeit mal wieder einen Film bei “Oltre il visibile” unten im Chiostro Boccarini gesehen bzw. mich getraut zu sehen, denn es war eine italienische Produktion. Und ich habe Probleme mit italienischen Filmen: alles hinabgedrückt in Etwas, daß als Realitätsporträt daherkommen will, aber daran scheitert, der Realität einen Kick ins Champagnerhafte zu geben. Und so wirkt das auf mich immer unecht. Aber “The Place” enttäuschte angenehm dieses mein Vorurteil, weil er diesen Kick hatte, die Realität als ein Konstrukt darzustellen, ohne sie deshalb zu leugnen.
Angenehm zu sehen darin eine gewisse Alba Rohrwacher [sic!] (der Vater einer aus Hamburg, der irgendwo in der Nähe von Orvieto (? immerhin ist die Rede von Castelgiorgio in ihrer Biographie, und das liegt oberhalb davon) Honig produziert, der, wie man mir sagte, sogar im Bioladen erhältlich ist… er allerdings, der Honig, sei nicht gerade billig). Das Gesicht war mir neu. Hatte etwas Albinohaftes (Alba!), ähnlich wie Tilda Swinton, dacht’ ich. Und so wurde es dann spät, vor allem mit Tilda dann. Da konnt’ ich mich nicht sattsehen.
Als ich einigermaßen in den Tag gekommen, rief ich das “Geburtstagskind” von heute an: ob ihre Söhne da seien, denn ich hätte da ein Problem. Sie seien da, aber auch meine Ex hätte die beiden (schon vor etlicher Zeit) angefordert, um ebenfalls Holz zu transportieren. Sie würden aber noch schlafen.
Kurz, ich rief den Holzlieferanten an: Schmeiß rüber deine zwanzig Doppelzentner! Er sei, verunsicherte er mir, in zwanzig Minuten da. Die alten Schuhe anziehen, etwas Workermäßiges um den Oberleib. Und schon donnerte die erste Ladung aufs Pflaster vor dem Hofaufgang. Voilà, dacht’ich, maintenant il me faut salir et descendre, ein ständiges Auf und Ab. Gegen vier würde dann die nächste Ladung kommen.
Dann am frühen Nachmittag kam tatsächlich einer der kräftig gebauten Neffen vorbei, und so gelang es, die erste Ladung vor der zweiten Ladung aus der Gasse verschwinden zu lassen. Dann aber mußte er wieder fort, und an die zweite Ladung machte ich mich zunächst allein sehr zögerlich. In einer Art “Wahnsinn mit Methode” nach der Formel: ich lese jetzt zwei Seiten, dann gehe ich raus, nehme sechs Stück Holz, und fange an zu stapeln, nehme dann den Rieseneimer und gehe zweimal runter, um jeweil sechs-sieben Stück Holz in den Hof hinaufzutragen. Setzen!
Als er wiederkam, war der Haufen noch recht groß. Natürlich mußte ich meinen Methodenwahnsinn aufgeben und versuchen mitzuhalten. Und tatsächlich schaffte er es eher er als ich, der ich mich langsam selbst abschaffte, war schon dabei, mich langsam in den Hof hinaufzuziehen, während am linken Arm die Holzlast mich an eben der Seite hinabzog.
Und so blieb dann keine Energie mehr übrig, mir abends dieses anzuhören.
Heute schlimmer Muskelkater in den Beinen. Wie schon lange nicht mehr.
Kleine Notiz noch, die nicht weiter ausgeführt wurde, bevor ich am Freitag hinunterging zum Film (zum Film hinuntergehen): “Man kann es auch nicht gendermäßig betrachten, weil der Unhold einfach nur provozieren und uns in sein “wir” hineinziehen will, das sein “ich”, sein “man”, sein “es” meint. In Wirklichkeit ist es ja nicht so. Ich kann auch mit dem Begriff Gender herzlich wenig anfangen. Ich sehe nur, wie jemand seine Welt so und so ausschmückt, bestenfalls. Man hat aber auch gesehen, wie Liebesentzug in welcher Form auch immer Schweigen hervorbringt. Sa muse. Zu sagen “s’amuse”, wäre ein Kalauer, eher schon “la lune l’allume” (sah grad den roten Sichelrand des Fingernagels, mit dem der Mond einen Schlitz in die dunkle Wand über den Dächern fingerte).”
Aber dann war’s mir auch wieder egal. Und die Geschichte schrieb sich selbst heraus (strich sich selbst aus) aus aller faktischen Realität, ohne sie zu leugnen.
Und so laufe ich jetzt tatsächlich ziemlich breitbeinig wieder mal zur Zigarettenschachtel usw. Eine stramme Lüge! Nicht mehr daran denken zu wollen.

III, 403 – Und so empfindet man das

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