Arbeitsjournal. Alles, was die Welt ist, Videoserie. Vierte Serie: Bamberger Elegien. Screenshot zur dritten Elegie: Die (fast) vollendete Montage. Sowie zu Urheberrecht (ff) und Beschwerden.

[Arbeitdswohnung, 6.08 Uhr
Jubelnder Amselgesang, Spatzengeschwirr.]

Es sind allerdings wohl noch Feinheiten zu justieren – wofür ich, ganz wie bei Texten, etwas Abstand brauche und auch erst die Eindrücke sowohl meiner Lektorin als auch meiner russischen Übersetzerin “eingeholt” haben will, die, letztgenannte, mit den Elegien, schrieb sie, ganz besonders verwoben ist. Gut aber, wie gut!, daß ich am vergangenen Sonntag morgens in der Alten Nationalgalerie gewesen bin, um Klingers Amphitrite nicht nur einen, sagen wir, bestätigenden Besuch abzustatten und ihr also erneut Referenz zu erweisen, sondern auch, um einige kleine Filme aufzunehmen, ebenso wie Fotografien anderer Figuren mit heimzunehmen, die mich unmittelbar berührten und meine Fantasie attackierten. – Alles nun schon eingebaut, abgesehen von den Bildern, die sehr an mich gingen, nicht nur Böcklins im Original tatsächlich noch sehr viel stärker strahlende, so dunkel wie hell, Toteninsel, vor der ich minutenlang erst auf der Bank saß, die den genau richtigen Abstand wahrte, dann aber auch ganz nahe an das Gemälde herantrat, um zu sehen, mit welcherart Strich Böcklin, zum Beispiel Spiegelungen erzeugt hat, die ganz knapp unter der Wasserfläche zu entstehen scheinen und deshalb dem Bild diese mythische Tiefe geben, nicht anders, übrigens, als die vom steten Seewind leicht geneigten Spitzen der hohen Zypressen. Wozu mir wohlig, ja, wohlig doch schaurig, der leise Triumph über den Rücken strich, in der → AEOLIA sie, diese Baumart, “die Pappeln des Südens” genannt zu haben – eine poetische Findung, die mir damals (2006) “einfach” so beifiel und genau das war, was in der Philosophie “Evidenz” genannt wird. — Nicht nur also sie, die Toteninsel, sondern auch das kleine Gemälde des mir bis dato nicht bekannten Adolf Senff, das Die Nacht mit ihren Kindern Schlaf und Tod heißt. Ich erstarrte geradezu, also ich in dem sehr schmalen Gang, worin es hängt, erst an ihm vorbeischritt und, wie eine Marmorsäule selbst, gleichsam bewegungslos zurückgezogen wurde. Dann stand ich auch dort lange, in zwar diesem Bann, indessen wieder beweglich.

Heute nun werde ich mit der vierten Elegie beginnen, hier erneut – nachdem die Grundmusik in der zweiten von → Ligeti, in der dritten von → Holmboe stammt – mit Benjanin Britten. Siehe → dort. Seinetwegen, übrigens, gab es bei Youtube mal wieder eine Urheberrechtsbeschwerde; ich habe unterdessen einige davon, aber bislang jede vermittels des Einwands abwenden können, daß es sich um Stücke im Rahmen eines künstlerischen Projektes handele, worin Musiken immer wieder in den Dialog mit Dichtung träten, die nicht selten sie erst inspirierten. – Bei den ersten Beschwerden hatte ich leise Angst wegen etwaig juristischer Folgen, also auch auf mich zukommender Kosten halber, für deren Bewätigung ich in keiner Weise gewappnet wäre. Unterdessen habe ich aber den Eindruck, daß entweder – innert der vorgeschriebenen Vierwochenfrist – gar nicht reagiert wird, weil für eine Auseinandersetzung der Anlaß zu gering ist (so, wie es leider auch die Zugriffszahlen dieser Videos sind) -, oder aber, meine Argumentationen würden eingesehen, sogar verstanden und vielleicht auch geteilt. In diesen Fällen erfolgte die Rücknahme solcher Beschwerden, etwa durch → Naxos, erstaunlich schnell, kaum dreivier Tage später. Erstaunlich allerdings, wie umfassend der von Youtube programmierte Bot funktioniert: Obwohl ich sehr viele analoge Aufnahmen verwende, die ich in Echtzeit immer erst über den Linn ins System einspiele, weshalb es im Hintergrund mitgeführte Metadaten, auf die ein solcher Bot “anspringt”, nicht geben kann, auf die er hochgeladene Dateien, sagen wir, abtastet, — dennoch also werden die Aufnahmen fast immer erkannt, und zwar mit einer verblüffenden Exaktheit selbst in Hinsicht auf Sängerinnen und Sänger, Instrumentalisten, Dirigentinnen, Dirigenten, ja selbst das ursprüngliche Aufnahmedatum. Ich kann unterdessen nicht umhin, davor eine hohe Achtung zu spüren. Und, wie gesagt, mittlerweile bleibe ich bei solchen Urhebereinwänden komplett ruhig. Es ist ja auch nicht so, daß ich mich an anderer Menschen Arbeit unrechtmäßig bereichern will. Vielmehr stellt die Verwendung der Musiken eine ebensolche Bezeugung von Achtung dar, ist meistens sogar, wie jetzt in der → Scelsi-Serie, Hommage.

Guten Morgen, liebste Freundin.
ANH

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