Erbschaft. Argo. Anderswelt. (252).

Während ich voranwankte, flogen die Errungenschaften durch meinen Kopf, die wir mitnahmen: die paar technischen Geräte, zu denen vor allem die Waffen gehörten und Menschings/Werdas kleiner Illusionsnavigator, sowie das kulturelle Wissen, das wir hatten: Beethovens späte Streichquartette und Michael Mantler gehört haben, von den Rolling Stones wissen, von Stockhausen wissen, Grimmelshausen Kleist Döblin Niebelschütz kennen. Daß nichts davon zurückbleibt als das, was wir seelisch mit uns nahmen. Es konnte keine Lösung sein, mit der Argo zurück in die Bronzezeit zu rudern. Und wenn schon, müßte es eine andere Bronzezeit sein, dachte ich stolpernd, eine, für die das Gesetz des Fortschritts durch Regression galt. Sowieso, denn wir gingen ja mit künstlichen Geschöpfen auf die Reise, auch wenn man das jetzt nicht merkte. Denn für Sabine, Andreas und mich gab es prinzipiell keinen Unterschied mehr zwischen Anderswelt-Menschen und Holomorfen, so wenig wie zwischen den Anderswelt-Menschen und uns. Zudem rannte mir durch den Kopf, daß wir – Sabine, Mensching/Andreas und ich – alldies in einem Computer durchlebten; es müßte nur irgendwer den Strom abstellen, und die Welt hörte zu existieren auf, unsere Welt. Der Unterschied zum Tod war, wenn es ihn denn gab, marginal. Ich war nur froh, daß der Sanfte dabeiwar, der, ohne es zu wissen, unsere Gesänge in die Kybernetik trug, der sie als Erbschaft in sich hatte, als Natur. Und mir wurde ebenfalls klar, auch hier in Bamberg, daß es mir allezeit darum gegangen war und g i n g: hinüberzutragen, was es wert gewesen war, was Kultur ist, was Kunst ist: hinüberzutragen in das Neue, das sich jetzt furchtbar weinrot öffnete.
Es öffnete sich wirklich: wie ein Maul oder wie sich das Rote Meer teilte, als Israels Volk aus Ägypten zog; es klaffte zur Seite, beidseits schräg, und eine Wasserrutsche, doch organisch, war der Schlund. Zu den Seiten standen die Fluten als gewölbte, je rechts und links hinweggischtende Wände, obenauf so knochenweiß wie der Fels. Beweglich aber, wirblig, denn immer wieder drückten sich neue hochamplitudige Wellen hinauf: und bestimmt fünfhundert Meter längs in Thetis hinein. Daß man, dachte ich, so gar keinen Zahn sah!
Wir mußten uns nun wirklich beeilen, denn die Argo hatte begonnen, über die Zunge des Meerschlunds hinabzurutschen, die hatte sich vorne, wo das Schiff auflag, erhoben, man sah ihre beiden Spitzen, die waren noch wie mit den Felsen vertäut, leckten aber langsam hinauf, als die Zunge sich immer weiter hob: das Meer-s e l b s t ließ die Argo zu Wasser. Es wollte sie mit ihrem Rachenzäpfchen taufen.
Die ersten erkletterten das Reep.

ARGO 251 <<<<

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