Sonnabend, der 24. Juni 2006.

5.13 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg. Beethoven, Streichquartett op. 130.]
Ganz von allein um 4.45 Uhr aufgewacht, zwischen meinem schönen Sohn und >>>> Titania liegend, die gestern von Jena aus mit uns zur >>>> Kunstmühle Mürsbach fuhr, also wir stiegen aus dem ICE, und sie fuhr uns dann weiter. Es wurde ein angenehmer Abend bei sehr freundlichen Gastgebern und für mich wenig Alkohol, weil ich den Wagen dann nach Bamberg weitersteuerte. So daß Titania trinken konnte. Und für meinen Sohn war das dort ganz wunderbar: herumtollen mit einem andren Kind, mit einem Hund, er wollte gar nicht mehr weg. Danach saßen wir, als der Junge gegen halb zwölf im Bett lag und auch recht schnell einschlief, noch einige Zeit auf der Terrasse und rauchten, tranken etwas Wein, ich noch ein wenig Bamberger Braunes und sprachen. Und lagen dann aneinander im Bett, ich biß ihr – konnte nicht anders, Leser – in die Schulter, mehr geschah nicht; wir sind doch beide wirklich im Herzen ganz woanders; und sowieso lag mein Junge dabei. Dennoch tat es gut, einen weiblichen Körper neben sich zu fühlen, solches Leben zu fühlen. Aber es ist freilich verräterisch, was mir träumte (ich weiß nur noch das Ende): Die Villa Concordia ist – real, nicht nur im Traum – videoüberwacht, man kann das hübsch im Sekretariat einsehen. Nun träumte mir, es gebe auch in den Studios Videokameras, und es sei eine von denen auf mein Bett ausgerichtet. Jetzt konnte man auf dem Monitor Titanias und meinen Körper sehen, beide nackt (was stimmt), beide neben-, aber mit den Rücken aneinander. So schliefen sie. (Was auch stimmt). Und dieses Bild werde hinausprojiziert, auf einen Monitor für alle Besucher, der gleich neben dem Eingang des Schlößchens eingelassen war. Gleich neben dem Klingelpaneel.
Man muß gar nicht viel heruminterpretieren, um zu wissen, w a s der Traum erzählt und welche Intention er illustriert.

Jedenfalls hat mir Titania wegen der Frau (immer, wenn ich in eine so hineingefallen bin, nenn ich sie so, immer) den Zahn zu ziehen versucht; wie bereits >>>> June hat sie den Eindruck, diese Frau habe es sehr viel weitergehend auf den ‚schönen Mann’ angelegt, als zugegeben, geschweige gesagt werde. Was nun alles ändert, jedenfalls meine Handlungen. Deshalb zieh ich mich zurück und warte mal ab. Ich weiß, was in dieser Nacht geschah, ich weiß aber auch, daß z w e i dazugehören, dann Ja zu sagen und es nicht abzuwehren. Und, die offenbar vorherrschende Bedürfnislage betrachtend, bin ich ja ganz objektiv nicht der Mann, jemandem ein Nestchen zu geben; ich bräche nach wenigen Wochen aus, wenn es zu niedlich und zu bürgerlich wird. – Sie merken schon, wie abgekühlt ich spreche, ich merk es selbst, aber bin es nicht. Doch distanziert ist etwas in mir, >>>> die Sache mit dem Parfum war ein Schock und ein heilsamer wohl, der einen Differenzen begreifen läßt. Man kann die Menschen zur Wahrheit nicht zwingen, sie werden bockig und erst recht eingeklemmt: das kenn ich auch von mir. Und wissen Sie, es sind doch Gedichte dabei herausgekommen, die obendrein im Herbst als Bändchen publiziert werden sollen, in Deutsch und Französisch, was will ein Dichter mehr? (Er w i l l mehr, aber „das ist“, heißt es bei Wagner, „ein andres“. Und hören Sie sich nur dieses Andante con moto an, ma non troppo!)

Und ARGO, IV ist fertig. Wir brauchen die Aufwallungen der Emotionen, brauchen auch Vergeblichkeit, brauchen Hoffnung-wieder, um plötzlich einen solchen Dreh zu bekommen: und mit einem Mal ist es fertig, das Buch. Ohne die Frau wäre es sehr wahrscheinlich nicht so schnell gelungen. Deshalb bleibt mir, bei allem traurigen Kopfschütteln, Dankbarkeit. Auch wenn sofort mal wieder anonyme Feiglinge, wie >>>> dieser ist, erscheinen, um ihren Eierbecher Häm’chen auszuspritzen. Sie haben halt kein Werk und schon gar nicht den Mut, etwas Eigenes gegen Widerstände durchzusetzen. Und dabei sinnlich zu bleiben. Schon gar nicht verstehn sie, heiß zu leben. Aber ich will nicht bezweifeln, daß sie treusorgende, verläßliche Partner sein können, die es immer gut meinen. Das ist wahrscheinlich so; sagen wir mal: es sind >>>> maskulinoide VersorgungsCharactere.
So, ich beginne, die ARGO-Rohfassung IV zur Ersten Fassung umzuarbeiten. Lesezeit, Feilzeit. Und an die Gedichte will ich heute wieder. Gegen Ende der kommenden Woche möchte ich sie so weit haben, daß sie an >>>> dielmann sowie Prunier, den Übersetzer, hinausgeschickt werden können.

Der Junge, übrigens, gestern nacht, als Titania ankündigte, sie werde ihm nachts wahrscheinlich seine Decke wegziehen: “Komm doch einfach m i t unter meine Decke.” Ah, was ich dieses Kerlchen liebe! Titania, etwas später, auf der Terrasse: “Dem möchte ich nicht in 16 Jahren begegnen. Dann ist man verloren als Frau.” Wundervoll! Er hat ja recht, gutes Gefühl, mit einer weiblichen Brust in der Hand einzuschlafen. Und weißt das schon, so geschlechtsklug instinktiv, mit Deinen sechs.

6.42 Uhr:
[Beethoven op.132.]
Nicht mehr als das: „Heiliger Dankgesang eines Genesenden an die Gottheit, in der lydischen Tonart.“