Poetik & Pornographie: Wo Schmerz war, soll Lust werden.


Sexualität spielt in meinem Gesamtwerk eine herausragende Rolle, allein weil sie die wirkmächtigste Kraft ist, die uns treibt. Tatsächlich garantiert ja nur sie das Weiterexistieren unserer Art, jedenfalls bislang (da ist ein gewaltiger anthropologischer Umbruch im Gang). Kultur hat es notwendigerweise mit sich gebracht, daß Sublimationsprozesse angestoßen werden, die sich scheinbar von “ursprünglichen” Prozessen entfernen, etwa in sogenannten Perversionen, die ja “Umdrehungen”, nämlich Verarbeitungen erlittener Traumata sind: Wo Schmerz war, soll Lust werden. Ist der Schmerz dauerhaft präsent, wird er selber in Lust uminterpretiert. Ein hochartifizieller und genuin menschlicher, zugleich – weil so körperlich – entscheidender Akt, der letztlich an den “Ursprung” gekoppelt bleibt: Genau das erklärt den nie erloschenen Skandal um Pornographie.

Besonders nun an meinem Werk ist, daß ich sexuelle Dynamiken auf politische ebenso wie auf individuell persönliche spiegle. Von allem Anfang meines Publizierens an war dies ein Dorn im Auge vieler Rezensenten. Dabei geht es gar nicht um den Tabubruch, sondern mein Werk ist eines des Zusammenhangs, ich isoliere nicht Themenkomplexe, um sie wissenschaftlich zu untersuchen, sondern stelle ein Bedingungsgefüge her, das die einzelnen Segmente miteinander innig und heftig agieren läßt. Dieses Bedingungsgefüge ist ein Modell der Wirklichkeit, sozusagen eine Hinsicht auf sie, und zwar eine unter vielen anderen. Was tatsächlich “wahr” ist, wird sich – vielleicht – aus dem Betrachten sämtlicher maßgeblichen Disziplinen, nämlich der Künste und Wissenschaften, ergeben. Die Kunst des Dichters besteht darin, höchst theoretische, jedoch semantisch zugängliche Zusammenhänge sinnlich erscheinen zu lassen und dadurch nachfühlbar zu machen. Das Nachdenken über ein Buch ist immer ein Träumen. Dieses für real zu nehmen, wäre paranoid, etwa so, wie wenn ein Schlafender von seinem Nachbarn im Albtraum attackiert wird und ihn nach dem Erwachen gerichtlich dafür belangen will. Ein Dichter denkt beziehungswahnhaft; schon deshalb ist es irrig, was er schreibt, für bare Münze zu nehmen. Der Beziehungswahn ist dennoch und gerade deshalb eine Bedingung dafür, daß ein Werk entsteht; das Dichtung ist immer Hypothese, und zwar eine unter vielen. Das muß sie auch sein, weil es einen VORSCHEIN VON WIRKLICHKEIT herstellt, der sie den Leser als Wirklichkeit empfinden läßt: gefühlte Wirklichkeit.

 

 

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