Werch ein Illtum. 24.07. 2009. montgelas. Notizen.

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eines Lebensabschnittes Bestandaufnahme

in meinem Tornister
ein Thymianstämmchen
zwei Münzen
ein stumpfer Bleistift
zerknitterte Notizen
Keksbrösel
eine grüne Wäscheklammer
die Visitkarte einer japanischen Germanistin
ein zerbrochener kleiner Kamm
Dalís Ameisen auf einem verschatteten Notenblatt

Friederike Mayröcker

Das ist ein Gedicht, ebenso wie soost’

Kassenzettel

Marlboro light
Coca Cola
Tampons

Beide Texte schicken uns in Räume.

Das erwähnte Gedicht vom Flugzeug ist alles andere als hermetisch, genial nahezu werden darin für heutige Leser Zeiten ihrer Großeltern sichtbar an deren Folgen sie als Enkel noch heute tragen. Die Autorin kann auf diese Verse stolz sein! Ist ihr doch gelungen, was oberflächlich enigmatisch erscheint, durch Verdichtung, Dichtung, aufzulösen. In den Zeilen ist nix dunkel, im Gegenteil. Sie sind erhellend. Aufklärung im besten Sinn des Wortes. Beantworten sie doch die Frage: Wo kommen wir her? Die Befürchtung, dass wir wieder dahingehen werden, wenn auch mit anderen Ingredienzien, schwingt in diesem kurzen Flug durch die Wirtschaftswundergeschichte mit. STOL.

Rätselhaft und verschlossen erscheint das Gedicht nur denen, die meinen man könne auf Geschichte, eh alles vergangener Kram, der heutzutage angesichts von Globalisierung keine Rolle mehr spielt, verzichten. Werch ein Illtum.

10 thoughts on “Werch ein Illtum. 24.07. 2009. montgelas. Notizen.

    1. könnte sein, dass ich unfreiwillig geschenkt habe, eigentlich dachte ich, es ließe sich verkaufen. nichtsdestotrotz freut sich die unfreiwillige schenkerin, wenn sich ihre leser beschenkt fühlen, ernsthaft. stolz ist allerdings so ein gefühl, zu dem ich gar nicht richtig fähig bin, leider.

    2. Na ja wenn man natürlich so eine große Prosa schreibt wie “man kann so richtig sauer auf die Bahn sein” da kommt eine Mayröcker natürlich nicht mit, sagen
      Sie mal ernsthaft, geht es eigentlich noch pubertärer?

    3. na, wenn man natürlich meint, dass autoren tagebücher wie autoren und was man für autoren hält schreiben müssen, dann beute ich auch meine wechseljahre nächstens für sie hier noch richtig aus.

  1. montgelas es muss heißen: Marloboro light.

    Bei einem Gedicht, das aus so wenig Worten besteht, wäre das wichtig, mit hineinzunehmen. als das “light” ist sehr wichtig in dem Gedicht und macht ungefähr – also jetzt von der Wortanzahl 20 Prozent des Gedichts aus.

  2. Pardon, M. montgelas, aber mayröckers text ist keineswegs ein gedicht im sinne des soost’schen kassenbons. es schickt uns nämlich nicht in erster linie in unbestimmte räume, sondern auf ein konkretes einsames gehöft, direkt in günter eichs inventur (zur erinnerung: HIER), auf das es sich ja schon titular bezieht. hier haben Sie eine qualität von dichtung, die immer auch (même toujours déjà) dichtung über dichtung ist.

    bezeichnend auch, daß ER SELBST VERSUCHT, die kassen-lyrik durch den “marlboro-mann” zu stützen, also einen quasi-dichterischen bezug auf werbung bzw. film.

    (kassen-lyrik: gesetzlich oder privat?)

    1. Ja, danke

      es ist wahr, die Mayröcker liegt näher an Eich’s “Inventar”. Soost’ Kassenzettel ist dem nur entfernt verwandt. Dass soost den Marlboromann mitsieht, ist seine Sache, ich sah nur 3 Artikel, denen ich das Gesicht einer Single- Frau zugeordnet habe. Familie kann sie nicht haben, dafür ist der Zettel zu knapp.

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