Messerückblick. Zwiefach aber, als Vater nämlich und als Sohn, krank. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 19. März 2012. Mit Benjamin Stein, Phyllis Kiehl, sowie den Kulturmaschinen. Und über das Kinderbuch. Außerdem zum Bücherblogger und wieder einmal MEERE: nun als gestrichene Geschichte. Sowie, fast zum Schluß, Joachim Gauck.

8.01 Uhr:
[Arbeitswohnung. Elgar, Cellokonzert (>>> Sol Gabetta).
Es wird mich mit Rückgängen der Zugriffszahlen sanktionieren, daß ich in diesem Frühjahr absolut keine Lust hatte, ein >>>> Messejournal zu führen; ich war es, um das deutlich zu sagen, leid, hätte aber sowieso nicht mehr frei von der Leber wegerzählen können, da ich ja nun mit doppelter Identität unterwegs war: einmal als dieser Autor von Kinderbüchern, den man im erwachsenen Betrieb nicht sollte und soll erkennen können, zum anderen als eben ANH, der intellektuelle Unhold, wobei das so a u c h nicht stimmt, denn es gibt durchaus nicht wenige Lektoren berühmter Verlage, die ihn gerne mit ins Haus holten, aber entweder an ihren Verlagsleitungen tatsächlich scheitern, oder aber, sie nehmen an, daß sie scheitern würden. Verfahrne Situation, anders läßt sich das nicht sagen. Und die Presse? Nun, da ist Beisprung kaum zu erwarten. Es ist auch deutlich, worin diese Mißlichkeit ihren Ursprung hat: nämlich gar nicht in meinen Arbeiten; was die sind, ist vielen klar. Sondern in meiner persönlichen Erscheinung zum einen, meinem Temperament zum anderen, vor allem aber in meiner speziellen Form der Unverläßlichkeit: wenn mir etwas stinkt, dann sage ich’s, taktiere nicht, sondern spreche offen undiplomatisch. Das kann dann durchaus Entscheidungen auch befreundeter Lektoren und/oder Verleger betreffen, ich kann da auch Krach schlagen. So daß es, ich weiß nicht mehr, wer es sagte, nach meinem Tod zu einem Kondukt kommen wird, wo sie mir alle Erde nachwerfen werden, bevor meine Arbeit dann gerühmt werden wird und sicher auch in großen Häusern betreut und sorgsam ediert. Ich selbst werd dann keinen mehr stören mit meinem, nun ja, Wahn vom aufrechten Leben, meinen zeitweiligen cholerischen Ausbrüchen, meiner Pop-Feindlichkeit, meiner (so wird das sicherlich gesehen) großen Klappe und den, dazu, Frauengeschichten.
Aber erst einmal, und sowieso, von anderem. Drei große Erfolge erlebte ich direkt mit. Zum einen für >>>> Benjamin Steins Replay.

Daß sich nunmehr sogar die FAZ so auf sein wirklich gutes Buch eingelassen hat, ist ein Glücksfall. Leider steht die Kritik (noch?) nicht online, sonst verlinkte ich sie hier. Bereits >>>> Steins Leinwand war ein Erfolg gewesen nach all den Jahren eines >>>> Überlebens alleine im Weblog, aber wegen des „jüdischen“ Themas konnte von einem Erfolg ausgegangen werden; er mußte keinen wirklich überraschen. Bei >>>> Replay ist das anders. Immerhin berührt das Buch die Science Fiction, da hätte auch jemand zulangen können, oder man hätte das Buch einfach ignoriert. Es ist anders gekommen. Ich freue mich jedesmal sehr, wenn jemand, der es sich allein aus seiner literarischen Kraft heraus verdient hat, dann auch Erfolg hat.
Der andere „Fall“ ist >>> Phyllis Kiehls Fettberg.

Auch dessen Aufnahme verlief, soweit ich es beobachten konnte, wunderbar. Frau Kiehl vertrat ihr Buch mit großer, dabei höchst freundlicher, ja freundlich-geschmeidiger Integrität. Jetzt werden wir das Weitere abwarten müssen; sie hat nicht, wie Stein, ein großes traditionsreiches Verlagshaus hinter sich, sondern eben die noch kleinen >>>> Kulturmaschinen, denen in diesem Jahr indes erste Achtung auch vom bürgerlichen Feuilleton entgegengebracht wurde;

immer wieder war in Gesprächen der Name zu hören, auch wenn >>>> Sundermeyer vom Verbrecherverlag sie in einer Scherzbemerkung den „Linksradikalen“ zuschlug – was durchaus absurd ist, wenn man in Sicht nimmt, daß auch ich dort verlege. Es ist aber nicht nur absurd, sondern indiziert, trotz der Scherzhaftigkeit, welch politische Verschiebung sich in den vergangenen zwanzig Jahren mehr oder minder schleichend in Richtung auf Affirmation des Marktes verschoben hat, vielleicht auch verschieben mußte. Da wirkt ein Verlag, der nach KP-Nähe aussieht, wenigstens eigenartig. Sie kuscheln ja auch aneinander: Pahl-Rugenstein, Dietz usw., nicht dazwischen, aber am Rand des Ganges, die Kulturmaschinen. Das hatte, in der Außenwirkung, durchaus etwas von historischem Biotop. Das Verlagsprogramm selbst aber, mit Peter Gogolin, Phyllis Kiehl, mir selbst, auch mit Guido Rohm, spricht zwar auch die, aber eben auch eine andere Sprache. Während der Versuch des Zusammenschlusses selbst fast eine Frage des Überlebens solcher kleinen Verlage ist. So wie die „Independents“ (an denen mich bis heute die ökonomisch bedingte Anbiederung stört, einen englisch-, bzw. US-sprachigen Sammelnahmen gewählt zu haben) unterdessen ihre eigene Präsentationsbasis mit der Lese-Insel haben – durchaus prominent mittlerweile -, so haben die zusammengeschlossenen „linken“ Verlage sich ebenfalls eine Präsentationsbasis geschaffen, die „Die Bühne“ heißt – noch kleiner als jene der Independents, aber das wird sich ändern. Daß es diese Lesefläche überhaupt gibt, ist tatsächlich den Kulturmaschinen zu danken: der Energie, mit der die zweidrei leidenschaftlichen Leute dieses kleinen Verlages das Ding vorangetrieben haben. Hut ab, kann man nur sagen. Aber nicht nur dies: Die Erscheinung des Verlages, seine konsequente Weiterentwicklung, ist sehr wohl auch von Betriebsprofis vermerkt und beobachtet worden. Nachts in Bertelsmanns Presseclub war davon immer mal wieder die Rede – aber auch von meinen >>>> Elegien, die >>>> Elfenbein herausgebracht hat, wenn auch gleichsam hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde, so, wie man sich heimliche Tips gibt, die dummerweise kein andrer mitbekommen soll. Der Vorteil daran ist, daß ein Buch, daß schon längst nicht mehr in die laufende Saison gehört, seine Wirkung zwar leise, aber schließlich eben doch entfaltet. Überhaupt schlug mir während der gesamten Messe mehr Achtung als Ablehnung entgegen – diese etwa bei den zweidrei bei ihm unvermeidlichen Begegnungen mit Denis Scheck; da ist wirklich nur, wechselseitig, Kälte. Dabei hat damals er MEERE lektoriert – na gut, er hat’s versucht. Seit >>> der Prozeß begann, haben wir keine zwei Sätze mehr miteinander gesprochen. Er wollte halt seine Karriere nicht gefährden. Rein selbstmerkantil betrachtet, tat er recht. Bitter wird es aber, wenn sogar ein Mann, der meine Arbeit schätzt, ein Buch über verbotene Bücher schreibt, das sich eine „Universalgeschichte“ nennt, darin aber zwar Maxim Biller auf drei Seiten behandelt, MEERE indessen völlig verschweigt – wenn man also sogar noch aus der Geschichte herausgestrichen wird. Da habe ich ziemlich geschluckt. Aber werde meiner Verletzung anderen Ausdruck verleihen, als daß ich wieder mal wütend werde; ich weiß auch schon, wie. Nur geht das Sie nichts an.

Also das Kinderbuch. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie beglückend es ist – das ist wirklich das richtige Wort -, vor einem solchen Publikum zu lesen.
Ich war in Schulen. Zehn/Elfjährige haben normalerweise Schwierigkeiten, eine ganze Dreiviertelstunde lang einfach nur zuzuhören. Sie taten es, nur in einer der Klassen gab es einmal eine Unruhe, auf die ich allerdings anders reagiert hätte, als es die Lehrerin tat. Geschmeidiger. Freundlicher. Aber ich kenne die Hintergründe nicht. Manche Strukturen fahren sich fest, da kommt dann keine Seite mehr leicht raus. Dann fragten die Kinder – fragten sehr viel klüger, als Erwachsene das auf „erwachsenen“ Lesungen tun, fragten vor allem nach Dingen, die die Geschichte selbst betreffen; hinterher strecken sich einem dreißig/vierzig Hände entgegen, die Autogramme haben wollen. Vor allem: Ich hatte Wert darauf gelegt, daß das Buch so preiswert ist, daß Kinder es sich auch selbst kaufen können. Das hat Nachteile für mich, jeden Vorteil aber fürs Kind. Nicht nur eines rief nämlich aus: Ich habe noch sieben Euro, kann ich das Buch morgen auf der Messe kaufen, wir gehen da morgen nämlich hin. Undsoweiter. Selbstverständlich erzählte ich von meinem Jungen, der ein paar der Ideen mitgeliefert hat, die ich dann eingebaut habe. Das fanden sie so richtig toll.
Ich könnte noch mehr erzählen, aber >>>> darf eben nicht: etwa zur Handlung und zu den Figuren, die vor allem wichtig sind in ihrer Gemischtheit. Da kam dann manches zur Geschichte, das die Kinder in ihren eigenen Klassen erleben, aber auch, was sie zuhause erleben. Ich bin, als ich das Buch schrieb, ganz bewußt nicht Konflikten aus dem Weg gegangen, die in den Kindern sind: etwa, wenn ihre Eltern sich trennen. Was mir nur deshalb möglich war, weil ich genau weiß, über meine eigenen Kinder, wovon ich schreibe, und weil ich die Fähigkeit habe, die rein aus meiner Liebe zu den Kindern entstand, Dinge aus deren Perspektive zu betrachten, ganz egal, ob ich als Erwachsener und einer, der unter manchem leidet, völlig anderer Meinung bin. Meine Meinung und mein eigenes Leid hat hier nichts zu suchen. Genau so habe ich es auch schon mit MEERE gehalten, sowieso, weshalb auch die Vorwürfe so absurd gewesen sind, die man dem Buch gemacht hat – meist, freilich, ohne es überhaupt zu kennen. In MEERE habe ich versucht, zu einer – und ausgerechnet Denis Scheck, v o r dem Prozeß freilich, drückte das so aus: – poetischen Gerechtigkeit zu kommen. Bei jedem anderen Autor wäre das auch gesehen worden; bei mir wollte man’s nicht sehen. Aus den mir leidigst bekannten Gründen. Auch deshalb muß zwischen ANH und dem Kinderbuchautor XY weiterhin bitter getrennt werden – oder so spielerisch, wie ich es auf der Messe tat. Das war schon komisch, wenn ich engen Bekannten begegnete, ohne daß sie mich erkannten. Manchmal stand ich direkt neben ihnen. Wo, darf ich nicht sagen, sonst lesen sie hier und wissen bescheid. Daß ich die aber nicht ansprechen durfte, nicht wenigstens Guten Tag sagen konnte! Das war ein enormes Moment von Fremdheit, auch eine Art Lehrstück, von dem ich noch gar nicht weiß, wie ich’s verarbeiten werde. Ich ging an den ersten beiden Tagen wie betäubt-fremd über die Messe und war dann nachts sehr froh, die Maske ablegen zu können und als der, der ich bin, im Presseclub mit den bekannten Leuten wieder beisammenzusitzen – teils genau mit denen, die mich nachmittags nicht erkannten. Man muß auch immer gewärtig sein, daß eine eingeweihte Begleiterin sich verplappert, indem sie mich beim Vornamen nennt, während ich doch in der Maske noch des anderen stecke. Usw. Man bekommt da hautnah mit, wie sich Undercover-Rechercheure fühlen müssen. Gar keine Frage, daß ich das eines Tages, diese Erfahrung, in eine Erzählung hineinnehmen werde – wobei Identität, bzw. fließende Identitäten ohnedies schon seit langem zu meinen Themen gehören – schon der Übergang von meiner Geburtsidentität zum heutigen ANH ist ja sowas gewesen. Vielleicht ist es auch das, was mich >>>> Aléa Toriks Projekt nach wie vor anders betrachten läßt, als es etwa der Bücherblogger tut, der übrigens, wie ich gestern nacht noch las, eine sehr schöne, wirklich mehr als nur >>>> schöne Anfangsrezension zu den Fenstern von Sainte-Chapelle geschrieben hat, trotz meiner ziemlich harten Sätze im Casus Torik; – Anfangsrezension deshalb, weil er direkt aus der noch gar nicht abgeschlossenen Lektüre heraus geschrieben hat, was ich einen sehr spannenden Ansatz einer Buchrezension finde, zumal einen, der dem Netz höchst angemessen, weil eben nur im Netz auch möglich ist. Der Haken an so etwas ist, daß auch momentane Irrtümer mitvermittelt werden; wen er, der Bücherblogger, da für den Teufel hält, ist es nicht, sondern – nein, das wird hier nicht verraten, ihm nicht, nicht Ihnen. Dies sowieso nur am Rande.

11.27 Uhr:
Zum ersten Mal in all meinen Buchmessenjahren hat diesmal auch mich die Messe-Grippe erwischt; es ging nach zwei Tagen abends los. Müdigkeit, vor allem Müdigkeit – woraufhin mir eine Freundin ein Pillchen gab, „wirkt ein bißchen wie Koks“, sagte sie und gab mir auch nur eine Miniaturdosis, von der ich an dem Abend noch überhaupt nichts merkte. Aber am nächsten Morgen dann… – so daß ich gar nicht richtig weiß, ob’s an der Pille lag oder ob ich mir wirklich einen Infekt eingefangen habe. Jedenfalls bewege ich mich seither wie durch einen ziemlich zähen Schleier, bin extrem verlangsamt, weich, permanent müde – und prompt gingen Husten und Schnupfen los und etwas, das sich wie hohes Fieber anfühlt, aber keines ist. Doch sowas wie knapp vor der Halluzination.
Mir ist das nicht ganz unbekannt. Die beiden Male, zu denen ich Marihuana oder Gras oder was immer geraucht habe, jedenfalls einen Joint, hatten eine ähnliche Wirkung, allerdings ohne die grippalen Begleiterscheinungen. Beide Male laborierte ich noch ungefähr vierzehn Tagen mit heftigen Flashbacks, teils sehr spontanen – sowie die Übelkeit im Griff war. Ich hab es seither, eben deshalb, mit Drogen nie mehr versucht. Und nun halt das Pillchen.
Allerdings war vorher, vor meiner Abfahrt, der grippale Infekt heftig in der Familie ausgebrochen: erst लक्ष्मी, dann das Zwillingsbübchen, लक्ष्मी noch weiter, dann das Zwillingsmäderl, लक्ष्मी noch weiter, dann erreichte mich vorgestern früh लक्ष्मीs SMS: „Bitte, kann Adrian morgen abend zu Dir? Er hat die ganze Nacht gebrochen und hohes Fieber. Ich habe keine Nacht geschlafen. Ich kann einfach nicht mehr.“ So daß ich den Jungen gestern gleich nach meiner Rückkehr zu mir holte und wir beide jetzt bölkend und schniefend hier sind, er auf dem Vulkanlager, ich am Schreibtisch; er hat seit gestern abend eines der Bücher, das ich ihm von der Messe mitgebracht habe, in einem Zug durchgelesen. Als ich heute früh um halb acht aufwachte, lag er schon wach da, auf einen Arm gestützt, und las. Hab ich überhaupt noch nicht bei ihm erlebt: daß er abends lesen will und nicht etwa Lust hat, mit mir einen Film zu gucken.
Und soeben greift er zu „unserem“ Buch – das er jetzt auch durchlesen will. Es gibt Lesezeichen für das Buch, als Werbeträger, die will er, sowie wieder gesund, verteilen. Ohnedies ist einiges Werbliche zu tun – eine sehr schöne Idee hatte ich gestern abend und werde sie heute über den Tag realisieren. Derweil ist mein Verleger in Bologna, wo am Sonntag wieder die größte Kinderbuchmesse der Welt begonnen hat. Es geht vor allem um Auslandsrechte. In seinem für dort publizierten Katalog bewirbt der Verlag meinen Jungenroman, muß man sagen, prominent. „Wird nicht leicht werden“, sagte mir der Verleger auf der Messe, „weil du keine politische Correctness beachtest, aber vielleicht…“ Zur mißachteten politischen Correctnesse etwa gehört, daß nicht etwa ein Bösewicht, sondern einer der Väter der kindlichen Helden – raucht: ein absolutes Tabu in einer Zeit, in der für einen der wichtigsten Kinderbuchmärkte selbst Lukas,

dem Lokomotivführer, die Pfeife weggenommen wurde, jedenfalls auf dem Markt der USA (und ohne diese Pfeife reimportieren wir ihn dann in seinen Bearbeitungen, etwa als Zeichentrickfilm).
So werden wir den Tag hier in der Arbeitswohnung verbringen, mein Junge und ich, beide angeschlagen. Irgendwann will ich ihn, wahrscheinlich nach meinem Mittagsschlaf, vom Vulkanlager weg auf die Couch legen, damit ich Platz für mein Cello habe, an das ich mich später gern setzen möchte. Jedenfalls: er liest, und ich schreibe.
Ich muß auch die Spesenabrechnung beginnen, noch einiges andere für die materiale Post erledigen, bin aber noch zu schlaff, um wirklich schon hinauszugehen. Dafür geht’s dem Jungen stündlich besser. Ob er morgen schon zur Schule sollte, ist allerdings fraglich.
Also das zu unserem Zustand. Vor allem meine Augen sind nicht so richtig gut. Leicht verschmiert alles. Fieber hab ich allerdings immer noch nicht. Ich bin ziemlich gut drin, Krankheiten wegzudrücken; daß mich eine überhaupt erwischt hat, tja, keine Ahnung, warum. Kann diese Pille gewesen sein, kann der viele Alkohol gewesen sein, kann der wenige Schlaf gewesen sein, kann auch der fliegende Identitätswechsel gewesen sein, kann eine Kombination aus allem gewesen sein, und vielleicht hatte ich den Infekt schon von der Familie mit auf die Messe gebracht, und dann kam die Schwächung, und wupps! schlug er zu.
Wie in Trance wandelte ich zu meiner Familie hinüber, gestern abend nach meiner Rückkehr, um meinen Sohn herzuholen. Die Bahnfahrt immerhin war angenehm, weil ich die so kluge wie schöne >>>> Katja Petrowskaja traf und wir das Glück hatten, im Speisewagen des restlos überfüllten ICEs zwei Platz zu ergattern, auf denen wir erzählten und erzählten. Am Hauptbahnhof stieg sie aus, ich fuhr bis Gesundbrunnen weiter, dann ging die Arie mit dem Schienenersatzverkehr los – ich meinen mächtig schweren Rucksack auf dem Rücken und den Arbeitsrucksack vor der Brust; es war abgekühlt und regnete, na… nieselte. Verschwitzt kam ich hier an. Eigentlich hätte ich in die Wanne gemußt, um die Sache auszuschwitzen. Uns beiden Männern hab ich dann immerhin noch eine Hühnebrühe gekocht. Jeglichen Alkohol hab ich mir strikt verboten, auch wenn mir nach einem Grog war.

19.04 Uhr:
Völlig vermatscht, abends wird’s immer auch etwas halluzinativer, obwohl mich immer noch das Fieber nicht erwischt hat. Bin aber nicht ans Cello gekommen. Die Zeit lief. Mittags schlief ich bis in den Nachmittag hinein. Um den Jungenroman I war sich zu kümmern, dann Bananenmilch für den Jungen, dann kochen: hoffentlich „hält“ er es jetzt; Wildreis mit einem leichten Tomatensugo. Zu essen ist anstrengend, auch für mich.
Ein Leser schrieb mir eine Email:

Ich möchte aus aktuellem Anlaß auch nur kurz ein Wort zu Ihrer Jugendbuch-Autoren-Identität sagen: Um diese WIRKLICH vor Herbst-Lesern geheimzuhalten, sollten Sie mit Bemerkungen noch sparsamer umgehen (auch wenn wohl kaum jemand den gesamten ZENSIERT präsent hat).

Woraufhin ich diesen Leser wissen ließ, daß, wenn ein Leser meines Werkes, der den Zusammenhang merkt, ihn merkt, ich darin überhaupt keine Gefahr sehe. Im Gegenteil werde er an dem Spiel eine Freude haben, die obendrein ich mit ihm teilen könne. Hier ist es einmal von Vorteil, daß meine Gegner mein Werk meist gar nicht kennen, da es ums Werk auch nicht geht – mit Ausnahme von MEERE, freilich, aber auch das gilt nicht für alle.
Im übrigen muddel ich vor mich hin, nicht sehr zielgerichtet, aber stetig. Mein Junge muddelt lesend vor sich hin. So muddeln Sohn & Vater. Und eben ruft mich der Profi an: „Ich glaube, der Gauck wird dir gefallen.“ Und zitiert einen Abschnitt, der mich aufhoffen läßt.

3 thoughts on “Messerückblick. Zwiefach aber, als Vater nämlich und als Sohn, krank. Das Arbeitsjournal des Montags, dem 19. März 2012. Mit Benjamin Stein, Phyllis Kiehl, sowie den Kulturmaschinen. Und über das Kinderbuch. Außerdem zum Bücherblogger und wieder einmal MEERE: nun als gestrichene Geschichte. Sowie, fast zum Schluß, Joachim Gauck.

  1. Des Sundermeyers Bemerkung kann ja angesichts des Verbrecher-Programms nur selbstironisch gemeint gewesen sein, denn anders wird sich heutigentags niemand zu so etwas wie linker Literatur äußern, um sich bloß nicht in die Nesseln zu setzen. Ich als restlos überzeugter Anhänger des L’art pour l’art sehe in erster Linie auf die ästhetische Qualität des Textes und dessen Wahrhaftigkeit. Nicht eindeutig linke Texte müssen natürlich wirklich sehr gut sein, um gedruckt zu werden – wer sagte das noch mal? Ich komm’ noch drauf …

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