Ukraine-Dialoge IX: “Erst schießen, d a n n denken”. Kaleb Utecht | ANH (2): Chat in Signal.

 

Montag, den 14. März 2022, 13.52 Uhr

Utecht
Merke, Du bist sehr aktiv auf Deiner www-Präsenz. Ich kann das wegen erheblicher Ablenkungen (euphemistisch formuliert) leider nur überfliegen, mir fehlt auch faktisch die Zeit für substanzielle Kommentare in ordentlicher Qualität. Schreibe Dir das, um Dich wissen zu lassen, daß trotz “Abwesenheit” mein Interesse ungebrochen ist. Wünsche mir im übrigen deutsche Politiker, die mutig vor die Mikrophone treten und “ihrem Volk” klar machen, daß es Zeit ist, Farbe zu bekennen und mithin in der Folge der wirtschaftlichen Konsequenzen den Gürtel tapfer eng zu stellen. Es wird immer noch zuviel überlegt statt gehandelt. Das kostet zu viel Zeit gegen einen Gegner wie Herrn Putin und Co. Und das erinnert mich sehr an ein Interview, das Michael Ryan (ein WHO-Direktor und unser Ebola-Besieger) schon im März 2020(!) gab, als die Pandemie noch kleingeredet wurde und er schon wußte, wie sich sich der Gegner “Virus” verhalten wird. Man tausche seinen Pandemie-Content gegen den derzeitigen Imperialismus-Content aus — und hat sofort die einzig hilfreiche politische Handlungsanweisung für “den Westen”… Ich finde dieses kurze, aber bemerkenswerte Video und sende es Dir. Vorerst abschließend hier in der Folge zunächst eine Karikatur, die meine derzeitige Haltung ganz gut widerspiegelt:

[Zeichnung ©: → Patrick Chapatte,
DER SPIEGEL]

Hier ist der → Link zum Video, eindreiviertel Minuten eindrucksvolle Klarheit. Die ersten einführenden 15 sechs kannst Du überspringen… (…15 Sekunden! scheiß Autokorrektur):

 

ANH
Danke, gesehen und gehört. “Erst schießen, dann fragen”, sagt bei Godard schon → Lemmy Caution (Eddie Constantine). Nur ging es da nicht um einen möglichen Atomkrieg. Ich werde mich also nicht, ganz wie ich’s schrieb, für ein Überflugverbot aussprechen, sondern im Gegenteil hart d a g e g e n kämpfen. Es geht hierbei vor allem darum, meine Kinder zu schützen. Vielleicht muß man, um das zu verstehen, Kinder auch haben, also eigene. In einem konventionellen Krieg würde ich für sie auch, und zwar sofort, kapitulieren und mich unterwerfen. → Auch das schrieb ich sowie, daß dann für mich der Kampf im Untergrund weiterginge. Aber sich auf das Risiko eines atomaren Krieges einzulassen, wäre ein ebensolches Völkerverbrechen, nämlich möglicher und sogar wahrscheinlicher, und zwar bewußter, Völkermord, wie es jetzt Putins Invasion ist – und in noch größerem Ausmaß. Ich glaube auch nicht, daß Ryan sich in dieser Situation, angesichts solcher Bedrohung, auch nur ungefähr ähnlich eingelassen hätte. Und außerdem, wenn wir aufgeben, nach dem Richtigen zu fragen, also die ethischen Fragen, auf denen unsere Gesellschaft beruht, “hintanstellen”, sind die Menschenrechte von uns selber gebrochen worden. Wir wären dann keinen Deut besser, als Putin ist und Mussoloni war, den Wladislaw Inosemzew → in jenem wiedererkennt.

Utecht
Bezüglich Flugverbotszone und ähnlich Eskalierendem in Richtung Atomwaffeneinsatz sind wir uns doch einig, ich bin zwar etwas “militanter” sozialisiert als Du, aber doch nicht blöder. (lächelt) Ich leide lediglich unter der Erkenntnis, daß unsere schärfsten ökonomischen Mittel nicht eingesetzt werden, weil man die Reflexkonsequenzen dem Deutschen Michel nicht zumuten will. Auf diese Weise werden wir Demokratie, Menschenrechte und individuelle Selbstbestimmung nicht erfolgreich verteidigen können — nicht gegen einen Gegner, der auf diese Werte scheißt. Und im Übrigen: Herr Putin hat Ryans Strategie verstanden; er hält sich konsequent daran — allerdings ist für ihn die Demokratie das Virus… Uns läuft die Zeit davon. Ich finde dies einen zumindest bedenkenswerten Ansatz und möchte ihn nicht dadurch disqualifiziert sehen, weil ich nicht für leibliche, sondern “nur”(?) für wahlverwandte Kinder bereits wie ein Löwe gekämpft habe. Dieser implizite Vorwurf hat mich verletzt.

ANH
Verzeihung, das wollte ich nicht. Ich habe einfach nur ständig die Atomdrohung im Bewußtein. Hingegen daß wir ruhig mal einen Winter “frieren für den Krieg” können, sehe ich wie Du. Habe damit auch Erfahrung, nämlich einmal drei Jahre hintereinander im Winter nicht geheizt, einfach, um zu erfahren, ob und wie ich das hinbekomme, und dann noch einmal, um meine Erfahrungen zu firmen. In Der Dschungel lassen sich diese Winter nachlesen (→ etwa 2009). In Japan ist dieser ungeheizte Zustand bei Minusgraden teils sogar noch Usus. Etwa besuchte ich in Kyoto den in einem → Tatamihaus[1]Die ebenfalls aus Reisstrohmatten bestehenden Wände bieten quasi keine Isolation gegen die Außentemperaturen. lebenden Freund eines Freundes, der es wie viele der Japaner hielt. Man trifft sich im Waschhaus und heizt dort, wie es heißt, die Organe auf, also legt sich für einige Zeit in ausgesprochen heißes Wasser. Danach trocknet man sich nicht, sondern tupft sich nur leicht ab und zieht sich dann an. Der jetzt zwischen Haut und Kleidung stehende Dampf isoliert die Körperwärme. Es funktioniert faszinierend, hält gute zehn Stunden an. Dann muß man halt abermals in heißes Wasser. (Ein Dusche tut es wahrscheinlich genauso).

” … weil man die Reflexkonsequenzen dem Deutschen Michel nicht zumuten will” finde ich im übrigen eine arrogante Diskriminierung, wenn ich dagegen Habecks Bedenken und also → seine Gründe halte, gegen eine komplette Einfuhrsperre aus Rußland zu sein.

References

References
1 Die ebenfalls aus Reisstrohmatten bestehenden Wände bieten quasi keine Isolation gegen die Außentemperaturen.

17 thoughts on “Ukraine-Dialoge IX: “Erst schießen, d a n n denken”. Kaleb Utecht | ANH (2): Chat in Signal.

  1. Ich bin, scheint’s, ein Quartalsschreiber. Die losen Enden unserer März-(April?)-Diskussion flattern mir immer noch durch den Kopf…

    Vorangestellt: Ich finde es sehr in Ordnung, daß Du auf Deiner Plattform jeder Position ihre Stimme läßt. Auch respektiere ich Deine von meiner abweichende Position in Sachen Unterstützung für die Ukraine – ich akzeptiere sie bloß nicht und will daher streiten. Und ich will mit diesem Beitrag das (zumindest von mir so empfundene) Ungleichgewicht der Positionen wieder etwas in Richtung werteorientierte Militanz verschieben.

    Unser akademischer “Streit”, ob man mit Faschisten kämpfen darf, scheint mittlerweile von den Zeitläuften überrollt… Denn es waren/sind wohl auch viele vom Asow-Regiment, die den ins Stahlwerk geflohenen Zivilisten Schutz gaben und ihr eigenes Leben riskierten/riskieren… Ist ihr Einsatz nichts wert, weil sie in einer Weltanschauung leben, die wir zum Kotzen finden? Dazu fällt mir nichts Neues ein, alles ist gesagt – es sei denn, Du findest neue Argumente, lieber Alban, die mich reizen können.

    Auch zur Genese der “Schuld” am Konflikt – zu dem Du mir auftrugst, zwei PDF zu lesen – kann ich weder Verständnis noch Milde zugunsten der Putin-Clique mit ihren NATO-Bedrohungsargumenten entwickeln… Ich habe brav gelesen, was Du mir auftrugst – obwohl ich “der Schweiz” (und auch einigen Schweizer Autoren ?) eher mißtrauisch gegenüber stehe, seit mir klar ist, in welch skandalöser Weise sie Bank- und Steuergesetze in Konkurrenz zum salvatorischen Konzept Europas gestalten, und in welch nicht minder skandalösem und ungeheuer störendem Ausmaß sie Einfluß auf die globalen Rohstoffmärkte nehmen. Aber: Ich bin dem Text des schweizer Fachmanns brav gefolgt; einiges konnte ich auf Anhieb akzeptieren, anderes bedürfte weiterer eigener Recherche. Zu letzterer raffe ich mich allerdings nicht auf, denn ich kann meine Position auch dann argumentieren, wenn ich testweise mal annehme, daß alle seine Behauptungen wahr seien:

    Denn all das ändert rein gar nichts an der aktuell widerlichen Vorgehensweise Herrn Putins – und nur die sollte die Referenz-Fakten zu unserer Lagebeurteilung liefern: Flächendeckender Einsatz von international geächteter und darüber hinaus völkerrechtlich verbotener Munition (Streubomben sowie schreckliche körperliche Verwüstungen anrichtende nicht-magnetische! Schrapnellmunition, die den Chirurgen ihr Auffinden im Körper nahezu unmöglich macht). Völkerrechtswidrige Zielwahl (Kliniken, Schulen, Wohngebiete, …)! Das massenhafte Töten von Zivilisten und das Töten von Soldaten, die sich ergeben haben (Ergebene und Verwundete gelten völker- und kriegsrechtlich nicht mehr als Kombattanten und genießen Schutz). – Ja, letzteres geschieht wohl auch auf ukrainischer Seite – wenn auch in geringerem Maße, was wohl stark mit den unterschiedlichen Führungsstrukturen zu tun hat.*) In jedem Fall MÜSSEN auch ukrainische Kriegsverbrechen recherchiert und bestraft werden.

    Lieber Alban, ich denke, diese kurze Aufzählung sollte hinreichen, um die Argumente des Schweizers in die dritte Reihe zu stellen. Denn niemand hat das Recht, wegen kränkender Beleidigungen und vorgeblich gestörter Sicherheitsinteressen solch widerliche Waffen und Taktiken einzusetzen. Niemand. – Im übrigen sind seine Sicherheitsinteressen natürlich bedroht – aber kaum durch die Nato. Sondern vielmehr durch die junge Demokratie vor seiner Haustür, die sich anschickte, eine moderne Industrienation zu werden. Denn was hat er seinen “Russen” denn schon zu bieten, außer den Import von HighTec und Luxus, der vor Ort nicht hergestellt werden kann, weil er seit über 20 Jahren keine Investitionen in innovative Industriekonzepte tätigt, sondern antiquiert vom Abbau seiner Bodenschätze lebt und davon, seine Waffenindustrie staatlich zu pushen und das eine oder andere davon zu exportieren…

    Also: Deine PDF sind mit Sicherheit gut recherchiert und mögen von mir aus auch gänzlich wahr sein. Doch nichts davon rechtfertigt seine ruchlose Vorgehensweise seit nun zwei Jahrzehnten.

    Doch nicht nur “aktuell widerlich”, wie ich oben schrieb… Zurück in die jüngere Geschichte: Als Putin (2002?) so charmant in unserem Bundestag für Kooperation warb, gehörte ich noch zu jenen Wenigen, die die Beiläufigkeit und den Triumphalismus unserer und anderer westlicher Politiker kritisierten (“wir haben den Kommunismus besiegt”). Im inneren Rollentausch mit Putin empfand ich das als verletzend – ja kränkend: Da kommt einer mit offenen Armen und wird stehen gelassen… Was mir damals noch nicht klar war: Das war genau zu jener Zeit, in der er seit 1999 in Dagestan und Tschetschenien seine Soldaten wüten und Grosny dem Erdboden gleichmachen ließ! Schon damals war er also Wolf im Schafspelz, die ganze Kommunikation war strategisches Einlullen. Apropos “Strategie”: ich lese / höre so oft, er sei ein miserabler Stratege. Blödsinn. Das alles hat von Beginn an System. Spätestens 2008 mit Georgien bin ich aufgewacht und konnte unsere Regierung nicht mehr verstehen. Und dann seine netten Test-Kriege auf dem Globus… Insbesondere sein erfolgreicher Versuch, den syrischen Diktator mit Kampfjets, Geld und verfassungswidrigen Wagner-Söldnern gegen sein frei sein wollendes Volk zu unterstützen – was nicht nur seine Luftwaffe als professionelle Kriegsverbrecher prima trainierte (Krankenhäuser, Schulen, Wohngebiete als Ziele), sondern auch klug zur weiteren Destabilisierung Europas beitrug: Keiner kann mir erzählen, daß die dadurch ausgelösten Flüchtlingsströme (neben flankierend unzähligen IT-Troll-Angriffen und unverschämter Fake-Propaganda) nicht bewußt gewollt waren/sind, um unsere noch wackeligen Demokratieen noch stärker wackeln zu lassen: Der Faschist im Kreml sorgt seit langem fürsorglich für das Wiedererstarken von Rechtskonservatismus und Faschismus in Europa (Gott sei Dank ist Frankreich vor Kurzem daran noch mal vorbei geschliddert…). – Und was ist mit der Infiltration des Donbass und dieser perfiden Installation von zwei so genannten “Volksrepubliken”, die er durch korrupte War Lords von seinen Gnaden führen läßt? Hat keinen interessiert, war ja weit weg…

    Als er dann völkerrechtswidrig die Krim annektieren ließ, dachte ich: Nun muß es doch jeder merken! Aber Pustekuchen. Unsere wunderbare Frau Merkel (die bei mir spätestens da ihren Refugees-Welcome-Kredit aufgebraucht hatte) sprach immer noch von “Wandel durch Handel”…

    Es fehlt uns eine werteorientierte Politik, werteorientierte Führung. Nur mit Geschäftemachen wird es keinen Wandel geben. (Selbiges gilt im Übrigen für die so genannte “VR” China, unsere ehemalige “verlängerte Werkbank”). “Wir” sind zu arrogant, zu triumphalistisch gewesen – UND zu geldgierig.

    Das hat der Mann im Kreml strategisch korrekt erkannt und genutzt. Seit den Nuller-Jahren wirft er uns Spätkapitalisten immer wieder neue Leckerlies zu, nach denen alle gerne geschnappt haben. Denn es gab weder werteorientierte Wirtschaftspolitik, noch werteorientierte Innenpolitik, noch werteorientierte Außenpolitik, die das hätte verhindern können. Unser Grundgesetz (auf dem Papier in meinen Augen die beste Verfassung der Welt) wurde einfach nicht exekutiert. Dabei ist mittlerweile sogar vielen Führungstrainern, Führungskräften und etlichen Marketingstrategen klar, daß Werte, die nur im Regal liegen, nichts wert sind. Werte, die ernst gemeint sind und überzeugen sollen, müssen gelebt und VERTEIDIGT werden. Und zwar zeitnah immer dort, wo sie verletzt werden. Aber dann hätte man ja auch keine Olympischen Spiele in Sotschi und Peking machen können… Und das ging wohl einfach nicht…

    Warum haben wir Geheimdienste, wenn ein simpler Zeitungsleser wie ich zusammen mit ein paar anderen Scharfdenkern da seit Jahren einen Masterplan sehen? Ich wurde deshalb schon mal als Verschwörungstheoretiker bezeichnet. Ich!

    Masterplan zur Destabilisierung und wirtschaftlichen Schwächung des Westens? Ja. Und alles just in time umgesetzt. Von der seit 2005 begonnenen Gleichschaltung der russischen Medien bis zur Schließung von DOSCHD Ende des letzten Jahres. DOSCHD war der letzte gefährlich unabhängige Sender; und da muß man wissen, das rund 70%(!) der Russen ihre Informationen NUR aus den TV-Medien beziehen..! Von den Troll-Infiltrationen etlicher Messengerdienste über tatsächliche Wahlbeeinflussungen bis zum Kauf von Alt-Bundeskanzlern und der Verbreitung offenbarer Lügen im international hörbaren RussiaToday… Und dann noch das Nordstream-2-Projekt – ich konnte es einfach nicht glauben, daß alle relevanten Entscheider darauf hereinfielen und sie diese schreckliche Ministerpräsidentin da im Nordosten mit diesem Geschäft ihre Wiederwahl absichern ließen (Arbeitsplätze! Gewerbesteuern!) und sie später sogar mit ihrer verlogenen Umwelt-Stiftung machen ließen… Hat er gut hingekriegt, der Mann, der angeblich kein guter Stratege ist.

    (Nur in einem hat er sich geirrt. In dem unbedingten Widerstandswillen der Ukrainer. Daß es so etwas gibt, ist einem Diktatorengehirn fremd. Darum versucht er jetzt – nachdem sein Blitzkrieg scheiterte – die Ukraine wirtschaftlich zu kastrieren, indem er ihr die südliche Küste mit ihren Häfen nimmt.)

    Aber zurück zu Deutschland und Putin… Dann – ich konnte es nicht fassen – wurde deutsche Gas-Infrastruktur an Gazprom verkauft! Und schließlich sogar der größte (und strategisch wirklich relevante) Gasspeicher! Ich gebe zu, da habe ich dann mal kurz überlegt, ob ich vielleicht nicht doch a bisserl paranoid bin und das alles vielleicht gar nicht so schlimm ist, wenn alle es in Ordnung finden… Aber dann im Februar die große Überraschung: Der Gasspeicher, der verordnungsgemäß zum Winter zu drei Vierteln hätte voll sein sollen, war beinahe leer… Punktlandung für die Finanzierung des grade beginnenden Krieges. Chapeau.

    Und das i-Tüpfelchen: Das rechtzeitige, noch vor Kriegsausbruch endgültige Wegschließen des einzigen Politikers, der Putin noch hätte gefährlich werden können, und der mittlerweile zu prominent geworden war, als daß man ihn wie üblich wie JournalistInnen hätte ermorden lassen können: Nawalny, mein Held, ist weg von der Straße, weg von den Medien.

    Alles paßt zusammen – verschwörungstheoretisch betrachtet. Ha!

    Putin IST seit jeher ein (offen verlogener) Stratege, egal ob ausgefuchste Think Tanks das in Abrede stellen, ihm geht es um ein imperiales Russland, das ist mir als Stammtischpolitiker schon lange klar. – Wobei: “Russland”?? Wenn ich mal ein paar tausend Kilometer weiter nach Osten und Südosten schaue, in Richtung Sibiren, Yakutien, Krasnoyarsk, Kamtschatka, Mongolei, Turkmenistan – mehr als 150 verschiedene Ethnien neben den “Russen” (da holt er sich mittlerweile übrigens einen Großteil seines Soldatennachschubs her, damit er in Moskau keine trauernd demonstrierenden Mütter auf den Straßen bekommt), dann müßte der Hobby-Historiker im Kreml diese Realitäten doch noch viel stärker verbiegen, als in seinem Aufsatz über das Nichtvorhandensein einer ukrainischen Identität, um seine imperialen Ansprüche plausibel argumentieren zu können..?

    Tut er aber nicht. Denn Diktatoren brauchen keine Argumente. Sie brauchen bloß ihre Ansprüche und die dazugehörige Waffengewalt! Argumente und Rechtfertigungen sind volatil bis egal, nur für kurzfristige Propagandaziele zu gebrauchen. – Es gibt nur eins, was Diktatoren in ihren Ansprüchen stoppen kann: Die Vermutung oder die Erfahrung, daß ihnen größere Gewaltpotenziale gegenüberstehen, als sie selbst mobilisieren können… (Übrigens: Auch Brandts Ostpolitik war doch nur möglich, weil wir die NATO hinter uns hatten – es hätte doch sonst niemand zugehört…)

    Und genau das wollen “wir” hier im Westen nicht sehen! Es ist Wurscht, ob wir nett sind oder unfreundlich sind, ob wir klug de-eskalieren oder unbedacht provozieren, ob wir diplomatisch state oft he art sind oder rustikale Trumps – ein Diktator zieht sein Ding durch. Und zwar egal wie schlau oder dumm wir sind. Es sei denn, wir sind schlau oder dumm UND gut bewaffnet.

    Und dennoch in aller Munde nun dieser “Offene Brief”, der einen “Frieden mittels eines für beide Seiten möglichen Kompromiß'” fordert… Sieht jemand den Denkfehler??? “Kompromiß” würde bedeuten, daß die völkerrechtswidrig angegriffene Ukraine danach weniger hat als vorher (denn das “Geben” gehört ja zum Wesen von Kompromissen) und Rußland ergo mehr hat als vorher (oder glaubt hier irgendwer, daß Putin im Tausch seine Warlord-“Volksrepubliken” zurückgeben würde?). Mithin ist das kein Kompromiß, sondern ein Gewinn für den Aggressor. Pfui Deibel. Da bleibe ich lieber mit meinem Gesicht im Kuhfladen, in der Hoffnung, daß dies eine Animation für andere ist, ebenfalls standhaft zu sein. Denn ein solcher “Kompromiß” ist ähnlich beschissen, wie mit “Wandel durch Handel” nach Profiten zu schielen. Hier nun nicht aus ökonomischen Motiven, sondern aus Kleinmut und Feigheit.

    Du merkst: Ich bin zum “Falken” geworden.

    Es gibt also Anlaß zu neuem Streit zwischen uns: Denn ich bin gegen diesen Aufruf gegen Waffenlieferungen. Ich bin FÜR erhebliche Waffenlieferungen.

    Noch etwas Biografisches will ich hier schreiben – nichts wirklich tiefer Gehendes, dazu ist mir das Ambiente zu öffentlich, zu mehr hätte ich aber Lust in einem Gespräch mit Dir – um meine Haltung zum in Rede stehenden Thema etwas transparenter zu machen und die obige Bemerkung mit dem Kuhfladen zu erklären:

    Meine Mutter sagte mal in den 70ern zu mir (als ich mich sehr erregte über den CIA-gesponsorten Sturz des demokratisch gewählten Salvator Allende) “Du bist auch so ein freiwilliger Spanienkämpfer, Kaleb. Was habe ich für ein Glück, daß unsere Länder Frieden haben in Europa. Du wirst nicht in einem fremden Land als Soldat sterben.” – Ich bin froh, daß sie ihren Friedens-Irrtum nicht mehr erleben mußte. Und als Soldat nimmt mich auch keiner mehr – zu alt, der Leutnant der Reserve.

    Zehn oder fünfzehn Jahre vor diesem Gespräch mit meiner Mutter war ich im Internat einer 5er-Bande von Mobbern ausgeliefert (als einer unter mehreren). Hat die Lehrer dort nicht interessiert (schon dort mangelte es an werteorientierter Führung). Eines Tages paßten sie mich am Hockeyplatz ab, tunkten mein Gesicht immer wieder in einen frischen Kuhfladen und forderten mich auf, “ich bin ein Arschloch” zu sagen, dann würden sie mich gehen lassen. Habe ich nicht getan. Irgendwann verloren sie die Lust, traten noch mal kräftig zu und trollten sich. Ich sammelte mich, reinigte notdürftig mein Gesicht und ging Duschen. Ich fühlte mich nicht als Held, aber auch nicht down – ich war “froh”, nicht gehorcht zu haben; ich mußte einfach ich bleiben – egal, was die Saukerle machten. Meine Freiheit, meine Individualität, mein Recht auf Selbstbestimmung wollte (und will ich auch heute) mir nicht nehmen lassen – ganz gleich, welche Konsequenzen das zeitigen würde. Als ich viel später mal Hemingway las, habe ich sofort verstanden, was er meint, wenn er schreibt, daß man einen Menschen zwar töten, aber nicht zerstören kann. Ich glaube in der Tat, daß es bedeutendere Werte gibt, als das Am-Leben-Bleiben. Ich denke, vielen Ukrainern geht es da ähnlich. Und ich weiß, daß ich hier am Schreibtisch leicht reden habe, denn ich erlebe im Gegensatz zu denen keine existenzielle Bedrohung – aber ich kann nachfühlen, wie widerlich es ist, jegliche Existenzberechtigung und Individualität abgesprochen zu bekommen und welche Kraft der Widertand dagegen mobilisieren kann.

    Und noch eins fällt mir ein, unsere kurze Meinungsverschiedenheit, wer das “beste” Requiem schrieb. Ich finde, Mozart. Du findest, Verdi. Dein Argument war, weil Verdis Requiem “wirklich hoffnungslos” sei… Ich hab’ sie mir nochmal angehört. Das stimmt. Verdis Requiem ist schrecklich hoffnungslos. Und darum liebe ich Mozarts. Denn es ist zwar voller Schmerz, aber auch voller Hoffnung. Ich bin Romantiker. Es liegt nichts Schreckliches darin, zu sagen, daß es Bedeutenderes, als das eigene Leben gibt.

    Die Ukraine ist jetzt schon Legende. Sie wird Legende bleiben – ganz gleich, ob sie die “militärische Spezialoperation” gewinnt oder verliert.

    Das Stahlwerk in Mariupol wird Legende sein (Regiment Asow hin oder her).

    Die Soldaten der Schlangeninsel werden Legende sein.

    Putin hat verstärkt, was er in Abrede stellt: Die Ukrainische Identität.

    Weißt Du, ich hatte immer Probleme mit kulturellen USA-Importen; von Halloween bis zum inflationären Gebrauch von “fuck “/”fuck you”. Habe nie verstanden, warum ein solch zauberhaftes Tun zwischen Liebenden zur Beschimpfung – gar zum Fluch – werden konnte. Doch letzteres ist durch die ukrainischen Soldaten auf der Schlangeninsel für mich geradezu ikonisch geworden: Ohne Macht, ohne Schutz, in Akzeptanz ihres kommenden Todes hatten sie die einzig richtige Antwort zur Kapitulationsaufforderung der russischen Marine: “Fick’ Dich, russisches Kriegsschiff”!

    Dabei bleibt es.

    Und nun harren wir der perfiden, verlogenen Show, die morgen am 9. Mai in Moskau stattfinden wird. Mir wird übel werden davon, aber ich werde mich informieren. Und immer wieder werde ich dabei denken:

    Fick’ Dich, russisches Kriegsschiff!

    ——————————————–
    *) Eher antiquierte hierarchisch Führungsstruktur bei den Russen vs modernes, lageorientiertes und nach “vorne” delegiertes Führen bei den Ukrainern. Dadurch sind die Offiziere und Soldaten besser orientiert und können schneller und effizienter auf Lageveränderungen reagieren. Dies führt zugleich dazu, daß der von der Kampftätigkeit und Todesnagst verursachte ungeheure Stress etwas geringer wird, da die Kombattanten deutlich weniger unsicher sind bezüglich von Sinn und Zielen ihrer Kampfhandlungen. Gräueltaten werden in der Regel von eher verunsicherten Kämpfern begangen.

    1. Ach übrigens, dazu findet sich auf ZEIT-ONLINE anderes. Und ich will hier gar nicht den Wahrheitsgehalt verschiedener Quellen diskutieren, sondern mich nur auf den Schnittmengengehalt konzentrieren: Soldaten haben angesichts einer Übermacht an diese den Text “Fick’ Dich, russisches Kriegsschiff” geschickt. Mehr ist nicht gesichert. Manche werden das dumm finden. Ich finde es mutig und werteloyal. – Und im Übrigen frage ich mich, warum auf meinen doch eher differenzierten und faktenbasierten (und ja: fakteninterpretierenden) Text lediglich ein Kommentar zum unklaren Wahrheitsgehalt des Verbleibs der Schlangeninselsoldaten kam…

      Ab hier dazu ZEIT-ONLINE:
      “82 ukrainische Soldaten auf der Schlangeninsel haben freiwillig ihre Waffen niedergelegt. Sie wurden nach Sewastopol gebracht. Darunter sind auch die Grenzsoldaten, die Kiew offiziell für heldenhaft gestorben erklärt hat. Aber in Wirklichkeit sind sie alle lebendig und gesund. So klingt die Wahrheit. Die Wahrheit.”
      So lautet die Erzählung, die das russische Staatsfernsehen verbreitet. So klingt die Propaganda. Seit Tagen verfolge ich diese “Berichterstattung”, auch wenn es weh tut. Ich habe Freunde, Verwandte in der Ukraine. Sie alle berichten von der Lage. Auch aus Russland höre ich Geschichten. Über Nazis, über Faschisten. Hier in Deutschland weiß ich: Was mit den 82 Soldaten passiert ist, ist weiterhin unklar. Es gibt keine sicheren Quellen über ihren Verbleib. Die ukrainischen Medien berichteten, 13 Grenzschützer seien bei einem Gefecht mit einem russischen Kriegsschiff getötet worden.
      ENDE ZITAT ZEIT-ONLINE

      1. Sorry, wenn mein wirklich kurzer Kommentar nicht Ihren Erwartungen entsprach, aber mehr wollte ich dazu nicht sagen, der Link stammt von ntv.

        Aber ich habe hier noch einen hübschen Kommentar, den ich an anderer Stelle fand, so was Grundsätzliches:

        “(gefunden in einem Kommentar)

        »Die zehn Grundsätze der Kriegspropaganda« von Lord Arthur Ponsonby, verfasst nach dem ersten Weltkrieg; »Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit«:
        1. Wir wollen den Krieg nicht
        2. Das gegnerische Lager trägt die Verantwortung
        3. Der Führer des Gegners ist ein Teufel
        4. Wir kämpfen für eine gute Sache
        5. Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen
        6. Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich
        7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm
        8. Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache
        9. Unsere Mission ist »heilig«
        10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter”

        da kann man gern in Ruhe darüber nachdenken, wie Legenden entstehen.

        1. Ja, Franzsummer, das ist alles wohl wahr und mir bekannt. Doch was ändert dies an meiner Argumentation? Diese mag ja undurchdacht, vorschnell, romantizistisch oder gar falsch sein – doch liefert mir Ihr Zitat dieses Statements ja keine Ansätze zum konkreten Überdenken meiner Gedanken, kein Fundament für einen respektvollen Streit um die Suche nach Haltung und Handlung, et cetera. — Und falls Sie annehmen, ich würde den Positionen und Tatsachenbehauptungen der russischen Medien, Diplomaten und Ministern weniger Glauben chenken, als einem unabhängigen journalistischen Netzwerk, dann muß ich gestehen, daß dem so ist. Denn als Beobachter von RussiaToday und diverser russischer Pressekonferenzen sowie der ja wohl unbestreitbaren Handlungen der russischen Judikative und Executive ist mir ds Vertrauen in russische Quellen weitgehnd verloren gegangen… Ihnen nicht?

          1. ich habe gar keinen Zugang zu russischen Medien, berief sich ntv nicht auf ukrainische Quellen? Ist ja egal, im Krieg lügen alle Seiten, man sollte gar nichts anklicken das stimmt schon. Ein schöner Tierfilm von der Serengeti (gerade auf arte) ist glaubwürdiger und beruhigt die Nerven 🙂

  2. Anne Will
    gestern Abend
    Harald Welzner und und der ukrainische Botschafter Melnyk…
    + Habermas in der ganzen Diskussion um Lieferung, welcher schweren Waffen auch immer, die Zahl der Panzer und Haubitzen nimmt überhand in dieser fehlgeleiteten Diskussion….was hatte die USA alles geliefert, wer spricht heute von Afghanistan, Syrien, Irak, Jemen, Vietnam, und ihrer Kriege soviel mehr….beschämenswert, dass wir jetzt erst beginnen….
    offene Briefe an Scholz, gleich mehrere…..
    Sloterdijk: Zögern kann auch eine Art politischer Verantwortung sein.
    Anderer medialer Auftritt der Beiden Vorgenannten, Welzner/Melnyk
    Anne Will’s Sendung, nicht zu unterschätzen…..bezüglich öffentlicher Meinungsbildung
    “Sie in Ihrem Philosophenzimmer” , bishin zu einer “moralische Verwahrlosung”
    Ich bin nicht Ihr Student! Wortlaut Melnyk. Arroganz auf Seiten Welzners..und Unsensiblilität unfassbaren Ausmasses!
    Das anzusehen ist alleine schon eine Interventions- oder aber auch Kriegsdynamik!
    Welzner ist auf seine Weise sehr “problematisch”, ein “Prechtianer”, aber zur Zeit eine möglicherweise wichtige Gegen-Stimme im Sinne der Eskalationsdynamik! Beste Textexergese, weil unterlassen und verweigert von Kevin Kühnert. Das Unterlassen, das Nicht Tun erwogen gehabt zu haben, gleichwohl man es könnte, könnte nachdankens- und denkenswert sein!
    All das macht sprachlos! am 08./09.05.22, ich habe in Berlin 85 die Rede Richard von Weizsäckers 08.05.85 “live” erlebt und habe es als ein historisches Momentum empfunden. Das hielt von enttäuschend kurzer Dauer bis in die 90er. Seitdem hat sich geopolitisch viel verändert…nur wir haben es schlichtweg “verpasst”, “verdrängt”, “abgespalten” in der Wiedervereinigung D/Europa . Wer oder was ist Europa? Selbst Annalena B. weiß gerade nicht, welches das größte Land von Europa ist?

  3. Ja, der Atomkrieg wird immer wahrscheinlicher, deutsche Politiker machen sich mitschuldig, angeblich haben sie einen Eid geschworen, Schaden vom Volk abzuwenden, das ist alles vergessen… “das ist alles gar nicht mehr aufzuhalten”, sagte mir eine alte Frau neulich, die den 2. Weltkrieg erlebt hat. Wir können nichts mehr tun.

  4. Lieber Alban, sehr geehrter Herr Franz Summer, ich muss selbstverständlich, zumindest den Namen korrigieren….Harald Welzer..ich bin so “angefasst”, was sich derzeit in den öffentlichen Medien abspielt, dass ich es gerade nicht mehr aushalte, diese unerträgliche Diskussion mitten in D weiter verfolgen zu können.

    “Talkshowpause”, Pause der Lektüre der “ZEIT, FAZ, NZZ, SZ, taz… zu den Dingen selbst, wieder zu kommen, erscheint mir gerade eine richtige Wahl….mir ist, wir gefährden unsere geistige Heimat zu verlieren…in meinen knapp 60 Jahren, habe ich den kriegerischen Angriff auf die Ukraine erstmals erstaunlicherweise so bedrohlich erlebt und 9/11 bis heute nicht vergessen, aber transatlantisch weit, aber doch so nah… und mir wird deutlich ….hier sprechen unterschiedliche Generationen…das befürworte ich grundsätzlich….dass wir in eine öffentlich Debatte geraten, das macht unsere Demokratie aus und nötigt mir höchste Wertschätzung ab…meine beiden Eltern, geb. 39 werden nicht in einen Bunker ziehen wollen…mit stoischer Gelassenheit, verweigern sie ein Überleben-Wollen, denn weder die Deutschen/Franzosen oder Biden entscheiden…., ob Putin….atomar “entgleisen” könnte oder aber Transnistrien, Moldawische Republik und weitere Regionen zum nächsten Opfer werden könnten. Wir tragen selbstverständlich eine politische Mitschuld…ob wir sie aus historischer Verantwortung oder durch 16 Jahre Merkel-Kanzlerschaft zu verantworten haben, haben Historiker und Ost- Europa Politikwissenschaftler zu entscheiden. Das liegt außerhalb meiner Kompetenz, das zu beurteilen. Es gibt zur Zeit nur einen Mann, vor dem ich wirklich meinen Hut ziehe: Robert Habeck.
    Ich und meine Familie stammen aus Antwerpen/Flandern, ich bin noch nicht mal deutsche Staatsangehörige, sondern Flämin.

  5. Liebe Frau von Beck, danke, meine Mitbewohnerin stammt auch aus Belgien, ist aber sehr interessiert an Deutschland, Europa, die Politik. Es stimmt, man blickt kaum noch durch und wir diskutieren oft. Die Medien verfolgen eine Mischung von falscher Propaganda und echter Betroffenheit, gerade um die Grausamkeit dieses eigentlich “komischen Krieges” in der heutigen Zeit sind wir betroffen. Wenn man es mit Augen von “Machthabern” sieht, hat Putin sogar Recht gegenüber der Großmacht USA, wenn man es mit Augen der Moral sieht, hat er überhaupt kein Recht so zu handeln, so sieht es meine Mitbewohnerin. Ich muss ihr mehr und mehr beipflichten, denn ich verstehe nicht mehr, was eigentlich sein Ziel ist, immerhin hatte die Sowjetunion einst nach der Theorie das Ziel insgesamt die Welt zu verbessern zum Kommunismus, was ja scheiterte, statt eines Kommunismus, der gut ist, verglichen mit dem Kapitalismus, einen der übelsten Sorte, einen Stalinismus, der jede Menschlickeit verlor, Gorbatschow versuchte eine Kehrtwende, der “Westen” schlug die ausgestreckte Hand aus und verbündete sich mit Jelzin, der quasi das Land den Oligarchen überließ, dem Kapitalismus übelster Form, der dann noch rasch Putin den ganzen Laden überließ, um nicht ins Gefängnis zu landen, doch auch die Ukraine wurde nach der Abspaltung von Oligarchen beherrscht… bis heute bin ich bei diesen Politikern sehr skeptisch gegenüber, krankes Pathos gemischt mit Hass. Im Hass sind Ukrainer und Russen sehr ähnlich. Sie nennen es heiliges Heldentum. Was hat Putin überhaupt für ein Ziel, einen russischen Gottesglauben mit Oligarchen im Hintergrund mit unermesslichen Reichtum, und ein armes Land den einfachen Menschen? Auch ein “heiliger Krieg”?
    In der Weltgeschichte hatte immer die Macht mit den stärksten Waffen gesiegt, aber die russische Armee wäre ohne Atomwaffen im Hintergrund schon längst aus der Ukraine vertrieben, weil dieses Land von der gesamten westlichen Welt unterstützt wird, genau gesagt, von der USA und der NATO. Die russischen Soldaten leben wie in Gefängnissen, wie Sträflinge, schrieb jemand irgendwo. Das ist keine starke Armee der Weltgeschichte. das alles ist ein Elend. Soll so das Ende der Menschheit aussehen? Gerade las ich, dass 50 % der Weltbevölkerung davon überzeugt ist. Das Ende droht.

  6. Lieber Franz Summer, alles richtig, was Sie schreiben und argumentieren,

    wir wissen bis heute nicht, was das wirkliche “Kriegsziel” ist, wir wissen lediglich, dass er immer noch stattfindet und es graut mir zu erfahren, er könne noch Monate anhalten…allein diese Prognose ist unfassbar (unmenschlich….). “Ent-Nazifizierung” als Argument des Angriffkrieges von Putin zu missbrauchen ist unfassbar bösartig, versus einer ehemals jüdisch geprägten Ukraine, bekommt es hier nochmal eine disputwürdige Auseinandersetzung, 1944 wurde an mehreren Orten Apuliens durch die Alliierten der NS-verfolgter Juden Sammellager gebildet und 1947, nachdem die UN-Generalversammlung der Teilung Palästinas zugestimmt hatten, durften sie “auswandern” nach Israel.
    Heute habe ich das Museo della Memoria e dell’Accoglienza besucht, an der Uferpromenade. http://www.museummemoriaeaccoglienza.it und hier in einer der schönsten apulischen Städtchen Santa Maria del Bagno, wird klar, Nazi-Hitler und Putin sind nicht zu vergleichen, alle Juden/Jüdinnen durften nach Palestina auswandern, einer Diaspora gleich, lebend weitergereist… dass wird Putin nicht mit den Ukrainer/-innen, gleich welcher Herkunft sie sind nicht, (mehr) gelingen. All dieser Gedanken zum Trotz, ich wünsche mir weiterhin im schönsten Sinne zögerliche Zurückhaltung der Bundesregierung bezüglich bellezistischer Forderungen, der Disput um sog. “Schwerer Waffen”, auch wenn die Alliierten ehedem Nazi-D damit vernichtet konnten. Nur Sarah Wagenknecht, glaubt dahinter ein weiteres, mögliches US-Interventionsmanöver, und dass eigentlich die USA der wirkliche “Gewinner”wäre! Durchatmen, eine wirklich kluge Frau hat gerade ihren Kompass verloren! Ich hielt einstmals viel von ihr.Jetzt sind es eher Frauen wie Dianna Kinnert, und Yasmine M’Barek

    1. ja danke, liebe Frau von Meck,

      das ist wichtig, wir dürfen die historischen Bezüge nicht vergessen und die Verfälschungen sollten wir durchschauen. Sahra Wagenknecht genießt, so glaube ich, es von Leuten angegriffen zu werden, verkauft dabei ihre Bücher ganz gut. In meinem Alter sehe ich das alles leider nicht mehr als Beteiligter, sondern als jemand, der sich immer mehr zurücklehnt und lediglich beobachtet. Karl Marx soll ja auf seinem Schreibtisch einen Spruch zu stehen gehabt haben: “Erst einmal an allem zweifeln” Falls er damit auch seine eigenen Theorien mitgemeint hat, stimme ich gern zu.
      Die Meinungen gerade im Internet, wechseln rasend schnell, und die Euphorie für die Ukraine beginnt zu schwinden, sogar in der “Zeit”, die ja lange ein Vorreiter der Russophobie war. Da schaute ich mal kurz rein vor paar Tagen und das Thema war, dass der ukrainischer Außenminister sich beklagte (sie beklagen sich andauernd), dass die restliche Welt sie nur noch als zweitklassiges Land wahrnehme, da schrieb ein Kommentator: “Die Ukraine war früher nur ein drittklassiges Land”.
      Ich meine, das sind Anzeichen von Stimmungswandel.
      Noch leben ja in der Ukraine sehr viele Russen, und ich denke, der gegenseitige Hass zerreisst dieses Land auch in Zukunft, leider.
      Die Unterstützung der USA ist dabei nicht wegzudenken.
      Dass sich die schönes Sahra von einer Putinversteherin zu einer Verzeiherin seiner Untaten enwickelte, ist allerdings auch sehr bedenkenswert.
      In t-online fand ich eine Meinung, Deutschland und Europa sollten sich von Russland und den USA unabhängig machen, auch so ein Stimmungswandel. Schlimm ist, wir werden uns an den Krieg gewöhnen, je länger er dauert.
      Na Ihnen einen schönen Gruß nach Italien (hoffentlich sonnig) aus dem Wind durchschüttelten Berlin

      Franz Summer

  7. Lieben Dank, lieber Herr Summer, natürlich die schöne “Sahra” und nicht Sarah, auch das ist Verkaufstaktik ihrer Bücher, sich als vermeintlich jüdisch “verwechseln” zu lassen, das hatten wir schon mal mit “lea rosh”. Ich beginne meine sonnigen, erholsamen “herrlichen” apulischen Tage gleichwohl mit anhaltendem Zuhören, aus der räumlichen Distanz tut es unendlich gut, wichtigen und unterschiedlichen Stimmen zuzuhören: heute morgen war es 3sat, Kulturzeit: ein Philosoph gegen den Atomkrieg, Bertrand Russell. Damit gehe ich in den Tag und “diskutiere” mit mir, und heute Abend hörte ich Carlo Masalo zu: “Das Problem der Ukraine wird ihr Erfolg sein”. Im Sinne bester Dialektik. Wir müssen uns leider und weiterhin auf einen grauenvollen, langandauernden Krieg einstellen. Gegen Sahra spricht: Einer im Westen vorherrschenden pazifistischen “Gesinnungsethik”, linker Intellektueller, wie von Orwell 1945 bereits beschrieben in seinem Buch “Nationalismus”, sehr lesenswert!

    1. danke, Frau von Meck, das Buch von Orwell habe ich soeben bestellt. Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, in meinem hohen Alter keine neuen Bücher mehr zu lesen, geschweige denn zu kaufen, aber da konnte ich nicht widerstehen.
      Mit dem Pazifismus ist das so eine Sache. Neulich las ich, nach dem Tode warfen viele Stefan Zweig seinen Selbstmord vor, sie verstanden es wohl als eine Art Feigheit. Das ist schon, nun ja, merkwürdig.Er gehört wie Orwell zu meinen Favoriten. Nun werde ich wohl lesen, wie Orwell Pazifismus einschätzte, dem ja Zweig anhing.

      lieben Gruß aus dem heute sonnigen Berlin

  8. dlf kultur, albrecht von lucke, studio 9, 24.05.22, als podcast oder zum nachhören, dieser mann ist unglaublich…korbinian frenzel hatte mühe dem redefluss einhalt gebieten zu müssen, weil es nunmal der öffentliche rundfunk ist, der sich an vorgaben zu halten hat, mit musikeinspielungen oder sonstigem- was für ein schönes (nahezu antiquiertes) wort: “rundfunk”. lecce erwacht gerade und die “apulischen”winde entscheiden, ob adriatische oder ionische küste oder nochmal homeoffice, 35 grad gestern und vorgestern. beide meere, “mare nostrum” sind schon sehr aufgewärmt. vor jahren schrieb ich in einem ganz anderen kontext: europa gilt es vom mittelmeer her zu denken. saluti cordiali, una buona giornata verso berlino, speriamo col sole.

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