Das zweite covidpositive Arbeitsjournal, nämlich des Donnerstags, den 25. August 2022. Quarantänetage 2 auf 3.

[Arbeitswohnung, 9.22 Uhr]
Ich kam gestern und komme nach wie vor nicht aus dem Morgenmantel raus, immerhin Eigners nachgelassener Cardin, so daß ich in der Traditionslinie bleibe. Ist übrigens, Freundin, eine bewußte Entscheidung, das mit dem Morgenmantel, also mich nicht auch jetzt in Anzug und Krawatte zu kleiden — nicht, weil ich mich dann nicht ebenfalls von Zeit zu Zeit hinlegen könnte. Doch geht es um das Rauchen. Gekleidet und am Schreibtisch fehlt es mir extrem, und tatsächlich bekam ich gestern an den Triestbriefen eine einzige Zeile hin, obwohl mein Kopf komplett klar ist; nicht einmal das Dronabinol wirkt auf ihn ein, das ich wegen der entzündungshemmenden — in diesem Fall vor allem in der (!) Lunge — Wirkung nahm. Bei mir jedenfalls bestätigt sich diese Kraft des THCs; allerdings muß ich nach etwa vier Stunden mit seltsamen Wahrnehmungsgefühlen rechnen, bisweilen sogar mit Halluzinationen, während der Kopf völlig frei, jeder Gedanken durchscheinend klar bleibt.
Also den ganzen Tag über im Morgenmantel, freilich einerseits auch, um gar nicht erst auf die Idee zu kommen, hinausgehen zu wollen – und wenn ich sie nicht habe, fühle ich mich nicht eingesperrt –, andererseits erneut wegen des Rauchens. Denn kaum sitze ich am Schreibtisch und öffne die Triestdatei, in der ich eigentlich nur die schon skizzierten Szenen ausführen müßte – geht’s mit dem Rauchverlangen los. Hier am Text läßt es sich nicht unterdrücken. Aber guck mal, ich trage ja nur Morgenmantel, dann leg dich einfach wieder so hin und döse ein bißchen. — Es ist nämlich so. Im Bett – selbst zu allerschwersten Zigaretten- und Cigarillozeiten – habe ich zu rauchen überhaußt kein Bedürfnis, hatte ich noch nie. (Ich kann im Bett auch nicht fernsehgucken oder gar lesen; auch das hat noch niemals geklappt. Sich ins oder aufs Bett zu legen, bedeutet zu schlafen, und zwar sofort. Was ich auch umgehend tue, je. Die einzige Ausnahme… nà, Sie wissen schon, Freundin, das muß ich nicht schreiben und Ihnen nun schon gar nicht.) — Also lege ich mich lang, wenn das Rauchbedürfnis kommt. Meist schlafe oder schlummr’ich nun eine halbe Stunde, bevor es zurück an den Schreibtisch geht. So lange ich Briefe schreibe (Mails), im Netz recherchiere usw,, geht auch alles bestens. Doch dann, erneut an den Triestbriefen, erneut, um sie weiterzuschreiben … — prompt ist das Rauchbedürfnis wieder da, und ich lege mich abermals aufs Bett zurück. Weil dieses Verfahren auch zum Auskurieren der Covidinfektion-selbst taugt, ist es hinzunehmen. Ärgerlich nur, daß ich meine Ärztin über Stunden wegen Paxlovid zu erreichen versuchte; eine Emailadresse gibt es nicht, und das Telefon wird kaum mehr abgenommen. Doch unversehens hatte ich Glück, junge Frau mit aber schwerem Akzent. Ich erklärte, bin mir aber nicht sicher, ob es verstanden worden ist, aus fremdsprachlichen Gründen. Da ich in der Praxis aber nicht derart infektiös auftauchen will, habe ich, da sie, meine Ärztin, anders offenbar nicht zu erreichen, ihr einen Brief mit den beigelegten Kopien der Antigen- und PCR-Texts geschrieben, nochmals schriftlich um Rückruf gebeten, und dann mußte ich die Quarantäne kurz durchbrechen, Sprechstunden heute von 8 bis 12. Ich also Shorts an, Hemd drüber, Sneakers an die Füße und aufs Rad, um den Brief noch, bevor irgendeine Patientin/ein Patient sich dort in die Schlange stellt, bei meiner Ärztin unten durch die Tür zu schieben (an die Briefkästen kommt man auch nicht ran; sind drinnen hinterm verschlossenen Tor). Da stand die Tür aber auf, bereits um Viertel nach sieben. So daß wir sogar sprechen konnten.

Unterm Strich deutet alles auf einen insgesamt sanften Verlauf; die möglicher- (jedenfalls spürbarer-)weise beginnende Lungenentzündung hatte ich bereits gestern früh im  Griff; am Abend war noch mal kurz etwas zu spüren, verschlich sich aber wahrscheinlich bereits kurz, nachdem ich weggetaucht in den Schlaf war. Heute früh quasi kein Symptom mehr außer nach wie vor der Schummrigkeit, die aber auch am Dronabinol liegen und gleichzeitig ebenfalls ein “Ergebnis” des Nikotinentzuges sein kann. Nett immerhin das, daß ich, wenn ich auch im Sitzen nicht rauche – wenn ich liege, tue ichs’s, wie gesagt, eh nicht –, dann dauernd was vor mich hinfuttere – auch gegen Unverträglichkeiten an – und dadurch heute früh meine normalen 67  kg wieder erreicht habe, sogar 67,7. Auch hieran hat Dronabinol einen großen Anteil: w i e sehr das Zeug Appetit macht, schlägt jetzt erst richtig durch. So will ich meine Covidinfektion fürs Aufspecken nutzen. Das brächte einen einstweilen akzeptablen Ausgleich dafür, wenn ich nicht weiterscheiben kann. Jedenfalls in diesen und den folgenden paar Stunden.

Ihr ANH

 

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