Das Arbeitsjournal des Sonntags, den 9. Oktober 2022. Darinnen von Christian Berkels “Ada” erzählt, doch auch an Aléa Torik von Claus Heck erinnert wird und sowieso das Ich ungeklärtest Rolle spielt.

[Arbeitswohnung, 7. 21 Uhr
Eine kleine Barmusik:
Jarrett & Haden, Jasmin, 2007]

Wie ich morgens ab etwa halb sieben/sieben am Schreibtisch sitze; noch ist es gegen halb acht Uhr hell, was ich, vor mich hin auf Schreibtisch und den Laptop guckend, gar nicht recht bemerke und eben erst auf dem selbstgeknipsten Foto erkenne, einem “Selfie”, hach! Immer erst die “Standardseiten” öffnen, Dschungel, Outlook, URL-Kürzer, Twitter, Facebook, Insta, dann kurz wetter.de, dieses durch DIE ZEIT- liveMeldungen zum Ukrainekrieg überblendet und in Outlook den TAGESSPIEGEL-Checkpoint sowie vor allem die NZZ gelesen. Meist ist dann schon eine Stunde herum, exakt die Zeit, die mein Dolito – für den ich nach wochenlangem, nun jà, “Ringen” endlich auch wieder die Elektroden bekomme (kompliziert: zugeschickt von MTR) – braucht, um der Polyneuropathie den Stinkefinger zu zeigen. Nun die Tagesplanung ins Auge fassen, bespreche ich den Berkel jetzt schon? Ich meine, wenn ich das bei jedem Buch tät, das ich lese, käme ich aus dem Rezensieren gar nicht mehr heraus, und für originäre Eigenarbeit bliebe kaum ein Raum. Zumal meine Dschungelarbeit ja niemals bezahlt wird. Sie ist für meine Literatur zentral, das Finanzamt indes müßt’ sie als Hobby bewerten. Ich werde also wählen müssen, auch wenn mir etwas, wie Berkels “Ada”, trotz einiger Einwände letztlich gut gefällt. Hier tritt ins Recht, muß es treten, was ich dort als Unterschied zwischen einem “guten Buch” und einem, das Kunst ist, angedeutet habe; bei Berkel besonders spürbar, vor allem, wenn auf seinen Roman einer in meinen Lektüren folgt, d e r es ist. Diesmal war es → Dieckmanns ungleich schmaleres, umso intensiveres Buch. Da fällt auf eine sehr schön erzählte Geschichte, die aber erst in der Woodstock-Klimax auch stilistisch interessant wird, denn doch ein Schatten, und ich mag mich nicht mehr mit Nachdruck – wie es einst hieß (als “Querdenker” Querdenker noch waren:) – “engagieren”. Der Gerechtigkeit halber will ich aber betonen, ja, es lohnt sich, ist eine, eben, “gute Lektüre”, fein und mit Empathie erzählt und, schätze ich, für die allermeisten Leserinnen und Leser zugänglicher, weil “man” eben auch einen Plot bekommt, dessen Konstruktion durchaus nicht ohne Mut ist, insofern Berkel aus der Sicht einer Frau erzählt, die in dem Roman ungebrochen “Ich” sagt. Sowas hat nicht nur meine Sympathie, sondern auch poetische Achtung; es wäre schofel, schriebe ich Ihnen, liebste Freundin, nicht zumindest dieses. Meines Erachtens stimmt die von Berkel eingenommene weibliche Perspektive nur ganz selten nicht, doch zum Beispiel da frappierend, wo er von seiner Heldin erster Menstruation erzählt. Wobei, welcher Mann will denn wissen können, daß sie da stimmt? Also vorsichtig formuliert! “Sie scheint mir selbst da zu stimmen”, vermittelt diesen Eindruck. Ob, können nur Frauen entscheiden. Wie gut so etwas “funktionieren” aber kann, hat ihrerzeit Aléa Torik bewiesen — und erinnern Sie sich, Freundin, welch einen Aufschrei es gab, als die literaturbetriebspfiffige, nun, meinetwegen, “Täuschung” aufflog, anstelle daß ganz im Gegenteil die Achtung vor Toriks Erfinder → Claus Heck nun erst richtig, nämlich zurecht, zur Blüte wäre gekommen. Welch Früchte, wenn anderseitig mitbestäubt, hätten da noch getragen werden können! Doch heute, nach seinen zwei als Buch veröffentlichten Romanen[1]„Das Geräusch des Werdens“, Osburg Verlag Berlin 2012, ISBN 978-3-940731-75-3 / Aléas Ich“, Osburg Verlag Hamburg 2013, ISBN 978-3-95510-004-9, hör ich von ihm gar nichts mehr. Auch wenn wir uns aus anderen Gründen schwer uneins waren, so daß es sich sogar von “zerstritten sein” sprechen ließe, bedaure ich das sehr. Nicht einmal Toriks Website → gibt es mehr. Es kommt mir als eine schlimme Frühfolge des identitären Moralquatsches vor, der die Künste derzeit mies, doch dauerinsistent traktiert, und aus Vorsicht machen die Leute mit, wie man sich 33 besser aufs Maul schlug, als Angemessenes auch angemessen auszusprechen.
Doch zurück zu Berkel. Was mich nun allerdings, und weiterhin, sehr irritiert, ist, daß es nicht einmal eine Anspielung auf Nabokovs Jahrhundertroman gibt, der den Namen Ada doch ein- für allemal ebenso gebunden hat wie Thomas Mann jeden Zauberberg der Welt. Hier reagiere ich unwillig; ich kann auch Berge, Meere und Giganten als Romantitel nicht noch einmal wählen, ebenso wenig wie The Handmail’s Tail. Selbst, schriebe jemand nochmal ein Die Schatzinsel, um von Treasure Island zu schweigen, wäre es ein Übergriff. Hier hat dieser doch sehr kluge Mann einfach nicht nachgedacht, und/oder der Verlag hat sich auf etwas draufgesetzt, um daran zu schmarotzen. Wobei ich aber bleibe, ist, es ist ein  gutes Buch, wenn auch — was möglich gewesen wäre, wenn wir (in gleichsam der Apotheose[2]Ein Wort, in dem sich zu der gesamten Woodstockerzählung, doch überhaupt Berkels Darstellungen der Endsiebziger Studentenproteste sowie der darauf antwortenden im Wortsinn Staatsgewalt — — — … Continue reading) die folgenden Sätze lesen — kein großes:

Neben ihm tauchen German und Mercedes auf. In ihren stummen Gesichtern liegt etwas Flehendes. Berlin wird zu Buenos Aires[3]Wie in – s c h o n irre – Thetis., zum Kloster in La Falda, ich kann sprechen, singe argentinische Volkslieder, galoppiere mit den Gauchos auf meinem Pferd Piedras über die weiten Wiesen hinter den Rinderherden, meine Brüste verwandeln sich in kleine Orangen, draußen singt Joan Baez, ihre Stimme zittert durch die Luft, schert sich nicht um den Regen, erzählt von ihrem Mann, der als Wehrdienstverweigerer im Gefängnis sitzt, fröhlich winkend betritt er die Bühne, ihre gemeinsame Energie verwandelt den Mond in kleine Sonnen, die über uns kreisen, Arme mit Feuerzeugen überall, ein Lichtermeer flammt durch das ganze Tal, jemand schreit, das Feuer würde den Regen vertreiben, Joans Gesicht leuchtet rot, blau und grün, in ihrem Bauch sehe ich ihr Baby im Fruchtwasser schwimmen, langsam löse ich mich aus meinem Körper, folge meiner Hülle, die aus dem Zelt heraustritt und hinter der Bühne zu einem kleinen See geht, hellichter Tag, kein Regen, die Sonne heiß über mir, nackte Menschen im Wasser, ich werfe meine Kleider ab, gleite hinab, von seidenweichen Armen umfangen, Grün schimmert in anderem Grün, ich sehe jeden Tropfen, Millionen, Abermillionen winziger Tropfen, Atome, die gegeneinander stoßen, ich tanze übers Wasser, ein hüpfendes Korkboot auf hoher See, über mir der Himmel schwarz und kalt, von Blitzen durchbohrt, Licht in farbigem Bogen über die Erde gespannt, singende Fische fliegen durch die Luft, Entenflügel schlagen auf das Wasser [Komma gestrichen, ANH] wie Michael Shrieve auf sein Schlagzeug —
S. 388/389
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— lesen Sie selber, Freundin, weiter. Aber hier gelingt Berkel tatsächlich hohe Literatur, doch eben erst gegen Ende des Buches. Wobei es große Sätze auch vorher immer schon gab, nur stets allzu vordringlich der Plot als Botschaft war inkl. mittlerweile eingeschliffener Deutschfehler, etwa das “ich erinnere etwas”. Nein! Ich erinnere mich a n etwas. “Erinnern” im Deutschen ist reflexiv, Erinnern als quasi Neuerschaffen ein Anglizismus, der unsere eigene Sprache aufs infamste entstellt, etwas zwar, das wir auch nicht-infam, nämlich in künstlerische Pfiffigkeit, als einen sozusagen Neologismus formen könnten, der aber nicht Allgemeingebrauch werden darf, weil sonst die Differenz verloren geht, die den künstlerischen Kniff erst ermöglicht. In diesem Fall ist der Allgemeingebrauch längst geworden.
Wie ich aber überhaupt auf Berkel kam? Er liegt ja nun, auch wenn Daniel Kehlmann als sein Herold auftritt[4]“Wenn einer wieder einmal jemand fragt, wo es denn bleibt, das lebensgesättigte, große Epos über Deutsche Geschichte, dann ist von jetzt an die Antwort: Hier ist es, Christian Berkel hat es … Continue reading, nicht eben im Zentrum der gegenwärtigen Literaturszene. –Nun jà, ich mochte ihn → als Fernsehermittler so sehr – nicht zuletzt wegen seiner sinnlichen Art, auf Frauen zuzu- und mit ihnen umzugehen[5]Wobei dies auch einfach nur Rolle sein kann. Was mein Instinkt indes nicht glaubt. –, daß ich mich schnell identifizierte, aber mehr noch auf eine nicht nur gewisse Ähnlichkeit, physiologisch, hingewiesen wurde, die wir beide hätten. Das fütterte mein nun auch geschmeicheltes Identifizieren diätetisch noch. Wobei, daß Berkel als Fernsehschauspieler recht bekannt ist, ganz sicher ein Grund dafür mit ist, daß er mit diesem Buch zum zweiten Mal einen SPIEGEL-Bestseller so zielgenau landete, daß einer wie ich nur träumen davon kann, wenn er es, derart zu träumen, denn täte. Jedenfalls war ich aus rein persönlichen Gründen neugierig geworden. Und hab es nicht bereut. Das Buch ist Unterhaltungs- (aber keine (!!!) Trivial-)literatur, ja, aber als solche erfüllt sie das Diktum von ich-weiß-es-leider-nicht-mehr,-doch-werde-es-finden-und nachtragen, daß Unterhaltungsliteratur immer die beste sein müsse, anders als die Kunst, der ein Absturz durchaus mal erlaubt, vielleicht sogar notwendig sei.

[Jarrett: Bach, Französische Suiten]

Wie nun auch immer, ich mag noch zu Dieckmann eine Kleinigkeit nachtragen. Nämlich hatte ich ihr den Link auf meine Besprechung zugeschickt, und sie hat nächstentags geantwortet. Was ich nur erzähle, weil in ihrem Brief ein Absatz steht, der meine rezensierenden Intentionen sehr genau erspürt:

Nein, ich werde jetzt nicht etwa Ihre Rezension rezensieren (…). Zumal es keine Rezension ist; von wegen „zensieren“, von wegen „re“! Es ist ja nicht einmal Kritik im guten herkömmlichen Sinn (die als Institution mittlerweile endgültig tot ist). Guantánamo, die Temps des cerises – ich weiß ja längst um Ihre Freiheit auch auf diesem Gebiet und darum, dass Ihr Schreiben über das – nein, eher vom – Schreiben Anderer ein poetologisches UND ein Herzensgespräch führt.

Es ist dies, was ich wirklich meine: Eine Rezension ohne zugleich argumentierte Poetologie und subjektiv Herz ist notwendigerweise blind oder aber stumpf — was noch viel schlimmer ist. Am schlimmsten aber, sie ist manipulativ. Wir hingegen wollen, und müssen es, erwägen.

Meine Güte, ich werd schon wieder viel zu lang. Doch – meine Güte! – die Zugriffszahlen explodieren weiter, schon jetzt (9.56 Uhr) nahe an 3000, wobei sichtbar quer durch die letzten Jahre gecrawlt wird, und zwar bis 2003 zurück. Nur deshalb, übrigens, kam ich wieder auf Aléa Torik. Denn → dieser Beitrag von 2010 wird grad laufend aufgerufen, wie es überhaupt vor allem den, ich schreibe mal, sexuell konnotierten ergeht. Bereitet sich da die “erotical correctness” auf eine militärische Spezialoperation vor? Ein bißchem mulmig ist mir s c h o n. Aber egal, ich hatte noch von gestern erzählen mögen, weil लक्ष्मी nämlich Geburtstag hatte, den sie aber für sich alleine begehen wollte, erstmal, so daß sie mich, als ich anrief, “auf morgen” vertröstete, also auf heute; dann aber kam sie, wo sie hineinwollte, nicht hinein und rief mich wieder nun ihrerseits an. So daß wir denn d o c h zusammenkamen, unser Sohn, die Zwillingsjugendlichen, eine Freundin und ein Freund sowie noch sie und ich. Mein Geschenk lag eh bereit, ich brauche nur noch eine Rose (daß ich ihr jedes Jahr so viele Rosen schenkte, wie sie alt geworden, also jung geblieben war, hatte sie mir im letzten Jahr untersagt; in diesem hätte es meine Finanzen auch gesprengt – ohne mich aber hätte abhalten können, es – wär nicht ihr Protest gewesen – dennoch zu tun). So daß ich jedenfalls erst spät nach 22 Uhr wieder am Schreibtisch saß, um meine Abendlektüre vorzunehmen – ein seltsames, auch heikles Buch diesmal, von dem ich mir nicht sicher bin, ob es sich überhaupt einordnen läßt, was ich vielleicht auch gar nicht tun sollte, zumal es selbst für meine “Verhältnisse” extrem provozierend, inhaltlich nämlich, dabei aber stiltechnisch von außerordentlichem Interesse ist und ich doch zugleich w e i ß, es würde heute auf keinen Fall mehr gedruckt werden, und wenn, gäbe es Shitstorms, wie wir sie selbst gegenwärtig kaum je erlebt haben. — Aber ich will mehr noch nicht erzählen. Denn schreiben werde ich ganz sicher drüber. Will mich nun aber – sowie ich dieses Journal korrekturgelesen haben werde – meiner eigentlichen Arbeit wieder zuwenden. Es wird Zeit, daß es mit den Triestbriefen weitergeht.

Ihr, liebste Freundin,
ANH
10.10 Uhr

References

References
1 „Das Geräusch des Werdens“, Osburg Verlag Berlin 2012, ISBN 978-3-940731-75-3 / Aléas Ich“, Osburg Verlag Hamburg 2013, ISBN 978-3-95510-004-9
2 Ein Wort, in dem sich zu der gesamten Woodstockerzählung, doch überhaupt Berkels Darstellungen der Endsiebziger Studentenproteste sowie der darauf antwortenden im Wortsinn Staatsgewalt — — — die → APO versteckt.
3 Wie in – s c h o n irre – Thetis.
4 “Wenn einer wieder einmal jemand fragt, wo es denn bleibt, das lebensgesättigte, große Epos über Deutsche Geschichte, dann ist von jetzt an die Antwort: Hier ist es, Christian Berkel hat es geschrieben. Dieser Mann ist kein schreibender Schauspieler. Er ist Schriftsteller durch und durch. Und was für einer.” (Zit.n.Verlags-Annoncement für Berkels Erstling, Der Apfelbaum)
5 Wobei dies auch einfach nur Rolle sein kann. Was mein Instinkt indes nicht glaubt.

3 thoughts on “Das Arbeitsjournal des Sonntags, den 9. Oktober 2022. Darinnen von Christian Berkels “Ada” erzählt, doch auch an Aléa Torik von Claus Heck erinnert wird und sowieso das Ich ungeklärtest Rolle spielt.

  1. Ja, dies haben Sie sehr schön wie auch treffend geschrieben und beobachtet, gerade im Blick auf die zwei großartigen Romane von Claus Heck/Aléa Torik, die ich sehr schätzte und bei mir im Blog auch rezensierte. Aber es zeigt eben auch, daß der Betrieb sowas möglicherweise ganz und gar nicht goutiert – auch aus literaturpolitischen Gründen, wenn ein diesmal rumänisches Fräuleinwunder eben doch: bewußt inszeniert wird, um damit ein Stück weit auch diesen Literaturbetrieb vorzuführen und nicht nur die Autoreflexivität von Fiktion, Realität und unserer Wirklichkeit in eine neue Anordnung zu bringen. (Vor allem war “Das Geräusch des Werdens” auch poetisch fein und in schöner Sprache erzählt.) Wenn ich so sehe, wer da alles zum Bachmannlesen eingeladen wird, dann ist das schon traurig und schade, daß wir von Claus Heck nichts mehr hören und lesen. Und erst recht, daß sich nicht einmal ein Verlag bereitfindet für neue Projekte. Aber dazu andererseits muß man doch die Hintergründe genauer kennen, leider habe auch ich Claus aus den Augen verloren. Für die Literatur ist dieses Schweigen ein großer Verlust. Am Ende aber, so vermute ich, hat das viel auch mit den nötigen Vernetzungen im Betrieb und vor allem – MIT DEN RICHTIGEN LEUTEN – zu tun. Mein alter Studienfreund Hartmut nennt dieses Spiel auch: “Nennst du mich Goethe, nenn ich dich Schiller.” Und da ist leider viel dran, so scheint mir. Viel wäre zu sagen darüber.

    Was Sie zum Titel “Ada” schreiben, sehe ich sehr ähnlich. Und das ist für mich auch ein Mangel dann. Mag das Buch auch gelungen sein (ich kenne es nicht). Solch ein Titel ist ex- wie implizit eine Referenz. Wenn ich ein Drama mit dem Titel “Hedda Gabler” schriebe, dann ist das mehr als nur ein Name.

    1. Genau das ist sehr schade, hat aber dem Verkauf offenbar nicht geschadet. Was gewiß damit zusammenhängt, daß nur noch wenigen überhaupt bekannt, nämlich vermittelt worden ist, was es, und zwar an geradezu Archetypischem, längst schon gibt. Der Markt kann sowas nämlich nicht brauchen, er ist auf product placing aus, weil, wenn nicht mehr bemerkt werden kann, ob etwas bloß gecovert oder tatsächlich originär ist, sich das Gecoverte prima als Neuerfindung “monetarisieren” läßt. Noch schlimmer ist daran, wenn wir befürchten müssen, daß die Monetarisierer selbst nichts von dem Covering wissen oder auch nur ahnen. Sie betrügen mit gutem Gewissen, weil, um den juristischen Terminus zu verwenden, “in gutem Glauben” – jenem, der ein schlechter ist und manchmal sogar Schlächter. Wir müssen nur bei den heutigen Schulpädagoginnen und -pädagogen mal etwas heimtückisch Stichproben machen und kriegen schnell heraus, daß schon d e r e n Lehrerinnen und Lehrer mit leersten Portemonnaies selbst der Allgemeinbildung lehrten.

  2. Übrigens gab es vor Jahren einen ähnlichen “Fall”, bei dem ich den Autor auf das Problem allerdings rechtzeitig hinweisen konnte, nämlich >>>> Marcus Braun, einem zu meinem großen Bedauern nun schon lange fünf Jahre ins Schweigen zurückgezogenen Romancier, der seinezeit, 1999/2000, allen Ernstes vorgehabt hatte, sein nächstes Buch “Nadja” zu nennen. Als ich – vor Drucklegung – davon erfuhr, legte ich sofort Protest ein, weil “Nadja” nun wirklich sogar ein Grundlagen- und heute sozusagen Denkmalstext des französischen Surrealismus war und es nach wie vor ist, nämlich überdies André Bretons. Braun verstand meinen Einwand sofort und änderte den Titel in “Nadiana”, was nun nicht nur den Namen seiner Protagonistin rechtfertigte, sondern sich überdies als eine Nadiana lesen läßt, also dem Literaturgeschichte gewordenen Vornamen auch noch eine gleichsam rhapsodische Bedeutung hinzugab.
    Ich habe den Roman damals für das heute nicht mehr existente Rezensionsmagazin Listen besprochen und meinen Text soeben in Der Dschungel >>>> eingestellt. So ist auch dieser nun öffentlich archiviert, was dazu führen möge, daß möglichst viele Menschen Marcus Brauns feinen Roman wieder in ihrem Bewußtsein finden.

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