“Betrachten Sie mich in der Zukunft als Ihren Feind” ODER Die heldische Sprache des Krieges. Im Arbeitsjournal des Sonnabends, den 21. Oktober 2023. Mit drei in sich seltsam vereinten Träumen.

[Arbeitswohnung, 12.48 Uhr]

( … eigentlich. Doch weiterhin grippal mit opiatwirkungsähnlicher Wirklichkeitsaufweichung, nachts seltsamen Knochenschmerzen[1]psychosomatisch? dennoch dringende Besorgungen, um im Haus zu essen zu haben, und zu trinken, dann wieder Schlaf, so ausgesprochen tief wie halluzinierend  — und so also:)

[Arbeitswohnung, 16.32 Uhr
Caffè (Ionia)]

          Schnappatmung bekam ich s c h o n, als ich in Facebooks Messenger nachsah:


Erstmal schlucken, Herbst, dann die neuesten Nachrichten zu Israel und zur Ukraine lesen, vielleicht etwas essen, jedenfalls auf keinen Fall sofort antworten, mich nicht von mir selbst überwältigen lassen. Nüchtern bleiben, mir auch jede Polemik verkneifen (die ja doch nur ein Verwundetsein nicht nur zeigen, sondern zelebrieren würde). Dreieinhalb Stunden später war es soweit:


Worauf mein nunmehr “Feind” entgegnete, nicht die verschiedenen Meinungen seien das Problem, sondern eben “die Denunziation”. Was mich schon deshalb stolpern läßt, weil ich gar nicht gewußt hätte, bei wem, wenn denn schon, ich diesen Mann denunzieren hätte s o l l e n; Denunziationen brauchen eine Zielinstanz, der sie übermittelt werden, sei’s nun am venzianischen Dogenpalast die berüchtigte Bocca[2]“Bocca di Leone”, sei es das, sagen wir, Amt für Zensur irgend einer autokratichen Regierung, sei es der, na meinetwegen, bundesdeutsche Verfassungsschutz oder MAD. In der Schule kann man bei Lehrern denunzieren, an Universitäten, was derzeit wokeoft geschieht, bei den Rektoraten. Und, na ja, so weiter. Nichts davon habe ich getan, sondern aus einem längeren Text suggestiv, jedenfalls affirmativ verwendete ausgesprochen üble Wörter herausgelöst und der Öffentlichkeit kenntlich gemacht; eigentlich aber erst einmal dem Urheber selbst, um ihm zu zeigen, mit welchem Schaum vor dem Mund er spricht, bzw., was viel schlimmer ist, schreibt. Denn in der Erregung rutscht auch mir, rutscht jeder und jedem mal ein falsches Wort heraus. Doch bevor wir einen Text publizieren, sehen wir ihn korrigierend durch, ich tu es sogar mehrfach — und spätestens dann müssen wir uns moderieren.
Wiederum bei Facebook selbst stellte ich nichts ein als diese Wörter und nannte den Urheber nicht einmal. Statt dessen legte ich einen Link auch auf den eigentlichen Text, dem ich die Wörter entnommen hatte:

 

Da war denn und ist für jeden der gesamte Zusammenhang ausgesprochen deutlich. Wer Wörter wie “ausmerzen”, “ausradieren” usw. affirmatv verwendet und für Menschen “Dreck”, muß damit rechnen, daß ich sowas rüge, solchen Wörtern entschieden widerspreche. Eine Denunziation ist dies nicht. Und aber wirklich — Feind? Hätte nicht “Gegner” genügt? Nein, dem Krieg genügt das nicht. “Kampf, nicht Krieg” nannte Ernst Bloch einen Aufsatz, hinter dem ich stehe.

Interessanterweise scheint aber nun auch der vorhergegangene, all dessen sozusagen, “Ursprungs”beitrag von Facebook gelöscht worden zu sein (die Site war bei mir noch offen, so daß ich ihn schnell noch “screenshotten” konnte:

Jetzt genügt es also schon, “Žižek hat recht” zu schreiben, um gelöscht zu werden. Wahrscheinlich haben irgendwem meine Haltung und meine Einlassungen nicht gepaßt, so daß eigentlich ich denunziert worden bin, also bei Facebook. Sei’s drum. Es belegt, was ich seit Ausbruch des Ukrainekrieges zunehmend erlebe: Die Menschen werden kriegstoll selbst, auch wenn sie nur am Rande persönlich tangiert sind, nicht physisch, sondern allenfalls psychisch. Ihre Seele schaltet in den Aggressionsmodus um, dessen ein jeder Krieg bedarf, einen allerschärfsten Modus, der vor Beleidigungen und Häme, ja auch vor Haß nicht mehr zurückschreckt. Genau deshalb wies ich → dort auf den Ausbruch des Ersten Weltkrieges hin (in den Kommentaren darunter, Freundin, finden Sie den gesamten Wortlaut des, ich schreibe mal, Auseinandersetzungsprozesses). Unterdessen habe ich fast den Eindruck, die selbsternannten → “Falken” (die selbstverständlich nicht in Gefahr sind, selber zu den Waffen gerufen zu werden, und freiwillig melden tun sie sich auch nicht) können einen Dritten gar nicht mehr erwarten und wollen “Gerechtigkeit” um jeden, tatsächlich jeden Preis, auch den der Vernichtung der Menschheit. Der Blutschleier vor ihren Augen läßt sie vorweg gar nicht mehr wahrnehmen, wieviele, nach den Opfern der Hamas, zermatschte Säugling n o c h er bedeuten würde, nahezu unendlich viele, wie viele vergewaltigte und verstümmelte Menschen – auch solche, die mit dem Konflikt an sich gar nichts zu tun haben und es niemals hatten. Doch anstelle den Kopf einzuschalten, um nach diplomatischen, politischen eben, Wegen zu suchen, geifern sie drauf draufzuschlagen. Es ist eine ungeheure Kriegslust am Wirken. Es ist sie, vor der ich wieder und wieder warne — als ein Franziskus offenbar, der unter allen Fischen alleine den Piranhas predigt. Denn was die Hamas-selbst angeht, ist anzunehmen Illusion, sie seien um ihr Volk bemüht; vielmehr wollen sie tatsächlich Genozid an den jüdischen Menschen verüben, auch da egal, was es kostet, und darüber hinaus geht es ihnen um die islamistische Weltherrschaft. Genau deshalb werden sie vom Iran gedeckt und unterstützt. Wir müssen uns nur diese Karte angucken (ich habe sie schon gestern in einem Kommentar gezeigt), um zu erfassen, was solch ein Krieg bedeuten würde:

[ → Quelle (©)]

Sie ist aber auch für unsere Migrationspolitik bedeutsam, insofern die meisten zu uns kommenden Geflohenen aus Ländern stammen, deren Kultur von der unseren am allerweitesten entfernt ist, und allesie bringen ihre Prägungen mit, solche, die bis in die früheste Kinderzeit zurückreichen und sich ganz sicher nicht in nur einer Generation verändern lassen. Der Haß auf Juden gehört dazu sowie ein komplettes Unverständnis, was Demokratie und Freiheit der Meinungen, was Geschlechtergleichstellung und überhaupt Laizismus bedeutet. Für viele von ihnen ist gerade dieser — Sünde. Und was wir uns klarmachen müssen: Sie fühlen das und glauben also, recht zu haben. Ganz wie wir. Eine Aufklärung im europäischen Sinn hat ihre Geschichte nie gehabt, hat übrigens auch der Islam nicht gehabt, von wenigen, unterdessen historischen Zeiten, abgesehen. Es waren andalusische Gelehrte vor allem, etwa Averroes, die sie dachten und den Islam modifizierten, ihn sich entwickeln ließen, sowie eine kurze Zeit lang im modernen Ägypten. Doch die Menschen des Nahost-Islams wie die Nordafrikas kennen das gar nicht, es wird vom Fundamentalismus unterdrückt und, ja, auch vernichtet, wie es die christlichen Kirchen über Jahrhunderte mit jeder Naturwissenschaft getan. Dogmatiker wollen vor allem verbrennen, ihnen ist der Erkenntnisbaum selbst des Paradieses nach wie vor Verbot.

Dies heißt aber nun nicht, daß wir die Flüchtigen in Seenot nicht retten und auch andere, der Balkonrouten etwa, nicht aufnehmen, ihnen nicht neue Heimat geben sollten. Aus dieser menschlichen Pflicht sind wir schon aus kulturellen Gründen nicht zu entbinden (zu denen selbstverständlich auch das Christentum gehört, ohne das sich unsere Geschichte niemals würd’ begreifen, geschweige nach- und mitempfinden lassen). Aber wir müssen an ihre Aufnahme Bedingungen knüpfen, zu deren erster der Spracherwerb gehört. Wer dem nicht nachkommt, muß wieder gehen – und sei es durch, wie es in der Schweiz heißt, “Ausschaffung”. Und mit dem Spracherwerb ist es nicht getan; auch kultureller Unterricht ist nötig sowie der Geschichte des asylgebenden Landes. Auch dies hat Bleibepflicht zu sein. Das Staatsrecht kommt hinzu, wenigstens in den Grundzügen, und die Vereidigung auf die Verfassung. Im übrigen greift das bestehende Strafrecht, und zwar auch bei Eidbruch und Volksverhetzung — wozu gerade in Deutschland die Hetze gegen Juden gehört, aber auch die gegen Homosexuelle und Minderheiten. Das muß jeder und jedem, die und der Asyl beantragt, deutlich sein und mit Unterschrift gefirmt werden.
Umgekehrt aber können – und sollten – auch wir von den Neubürgern lernen. Sie bringen manches mit, das uns neue Welten erschließt, einmal abgesehen davon, daß wir es dem Islam verdanken, etwas die griechischen Philosophen zu kennen. Zu der christlichen Kirchen, wie gesagt, Jahrhunderte währenden Geschichte gehört, daß sie diese Schriften verboten und verbrannten; wer sie gelesen hätte, wäre auf dem Scheiterhaufen gelandet und ist, wenn er’s irendwie doch tat, auf dem Scheiterhaufen oft gelandet. Das ptolemäische Weltbild zu stürzen, war ein Skandal, war Todsünde. Wir selbst sind ja geschichtsvergessen, da muß ich gar nicht an → Deschner erinnern. Davon müssen wir den Neuankömmlingen selbstverständlich a u c h erzählen und wie geschichtsvergessen wir selbst in diesen Zeiten des Pops sind, und des — ja, ich beharre! — Kapitalismus. Wir müssen von den Pogromen, die wir veranstaltet haben, ebenfalls erzählen und den Bemühungen, sie zu überwinden.
All das braucht viel, viel Zeit. Doch ohne, daß wir sie uns nehmen, werden die gegenwärtigen Konflikte noch explosiver werden und wahrscheinlich auf friedliche Weise niemals gelöst, schon gar nicht auf eine, in unserem Verständnis, menschliche Weise. Angela Merkels “Wir schaffen das!” bleibt ein historisch-ethisch großer Satz, den wir aber einlösen müssen. Wenn wir es mit unseren “Werten” denn selber ernst meinen und nicht nur mit ihnen bequem konsumieren zu dürfen verbinden, und nach mir alle Sintflut.

Die geistige Situation unseres Landes ist jedenfalls entsetzlich. Vom Mainstream abweichende Meinungen werden gecancelt, ihre Vertreter zu personae non grata, das hat uns die “Wokeness” gelehrt, und in dubio pro reo, das wiederum hat “*metoo” uns gelehrt, ist außer Kraft, die “Falken” schreien sich die zu Pfeilen gespitzten Zungen aus dem Hals, bis sie, die Schnäbel noch voran, zu streumunitionierten Torpedos werden, oder die Widerstehenden werden zu poéts maudits, wie ich zu einem ward. Worüber ich mich, auch wenn es deutliche Nachteile hat, durchaus nicht beschwere; schon gar nicht werde ich’s bejammern. Als Opfer mögen sich andere geben. Und sowieso spiele ich bei dem, was da jetzt auf uns zukommt, nun wirklich keine Rolle, weder, daß ich grad krank bin und durchaus etwas Angst hab, noch sogar, daß ich meine poetische Arbeit, den Friedrich voran, nicht mehr vollenden könnte. Ich hatte schwere, zugleich phantastisch flirrende Träume heut nacht, ein jeder endete mit Tod, doch einem, den ich steuerte und also offenbar wollte. Leider krieg ich sie nicht mehr richtig zusammen, aber was ich sah, konnte ich zur Übersicht verkleinern, so daß es schöne Bilder wurden, vollendet harmonisch ausbalanziert.

Ihr ANH

P.S.:
Die Krankheit hat mich zwei Kilogramm gekostet, ich bin jetzt unter 68. Gar nicht gut. Und  a u c h ein ungutes Zeichen: Ich höre zur Zeit keinerlei Musik.

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References

References
1 psychosomatisch?
2 “Bocca di Leone”

4 thoughts on ““Betrachten Sie mich in der Zukunft als Ihren Feind” ODER Die heldische Sprache des Krieges. Im Arbeitsjournal des Sonnabends, den 21. Oktober 2023. Mit drei in sich seltsam vereinten Träumen.

  1. Ich verstehe inzwischen gut, warum der Kulturbetrieb mit solchen wie wie Ihnen nichts zu tun haben will. Und das liegt sicherlich nicht an ihren aufgetragenen Anzügen. Fadenscheinig hat hier in der Tat einen doppelten Sinn.

    Vielleicht, Herr von Rippentrop, gibt es aber doch, wer weiß schon, so etwas wie eine genetische Disposition zum Bösartigen, mit einer Mischung aus Schaumschlägerei bis Sektfabrikant. Und wenn wir es so nicht nennen wollen, dann doch ein tragisches Schicksal. Hier übrigens trifft der Begriff der Tragödie tatsächlich. Anders als in ihrem politischen Statement.

  2. Und nein: wer derartige Dekontextualisierungen von meinen Argumenten bringt, ist kein Gegner mehr, sondern Feind. Sie können froh sein, daß ich im Augenblick nicht die Zeit habe, Sie mit Anwälten noch um den letzten Rest ihres Geldes zu bringen. Und ich werde, solange Sie hier derartig vorgehen, immer wieder das einstellen, was ich geschrieben habe:

    “Jeder, der auf eine derartige Weise wie Israel angegriffen wird, hat alles recht der Welt sich zu verteidigen. Hat man dazu etwas von Zizek gehört? Hat er irgendwelche Vorschläge gemacht, wie die ein oder zweihundert Geiseln zu befreien sind? Und auch aus diesem Grunde ist seine Rede eineinhalb Wochen nach dem Massaker unangemessen. Bevor wir über den Nahostkonflikt reden können und über eine Lösung nachdenken, müssen wir uns überlegen, wie wir die Akteure ausschalten, die Terrororganisationen sind und die wie auch der Iran, an keinerlei Frieden interessiert sind. Wenn dieser Schritt geklärt ist, kann man zur Aquidistanz übergehen und sowohl Israel wie auch die palästinensischen Araber in die Pflicht nehmen.

    Bevor diese Arbeit, dieses Ausmisten des Augiasstalles vom Hamasdreck aber nicht erledigt ist, haben wir, wenn wir keine herzlosen Kreaturen sein wollen, solidarisch mit Israel zu sein. Wie das so ist: Um nach D zu gelangen, muß von A aus erstmal B getan werden.

    Aber das alles und wie es in der öffentlichen Wahrnehmung wieder einmal läuft, war mir beim Thema Israel schon klar und das steckt auch im Kalkül von Iran und der Hamas, daß genau diese Scheinwerferumkehr bereits nach einer Woche schon geschieht – allein auch über die Bilder, die bewußt und instrumentell von den Terroristen eingesetz werden. Carlo Masala hat das treffend getwittert: „Wenn ihr (wie ich auch) gedacht habt, die Trollfabriken in St. Petersburg sind der Endgegner, oh boy, die Hamas ist Champions League.“

    Glücklicherweise können die Leser selber entscheiden, was ich geschrieben habe und was Sie in Ihrem Zorn und ihren Affekten von sich geben.

  3. PS: Löschen Sie bitte den ersten Kommentar, der geht zu weit und ist zu persönlich. (Oder lassen Sie ihn auch stehen.) Ich will es aber eben nicht so machen wie Sie. Und ich kann, im Gegensatz zu Ihnen, für einen Fehlgriff, um Entschuldigung bitten.

    DAS hätten auch Sie tun können. Ich lasse mich nicht in die Nähe von Goebbels und dem Stürmer assoziieren. Zumal wenn Sie meinen Kommentar ordentlich gelesen hätten.

  4. Ich mag dies, Bersarin, mit Ihnen nicht mehr weiterdiskutieren, es wäre, weil es nicht weiterführt, verlorene Lebenskaft und dämpft die Lebenslust a u c h noch. Damit ist Israel, ist schon gar nicht den Opfern der Massaker, ist auch aber uns nicht geholfen – “uns” meint die politische und kulturelle Welt der Demokratien. Zumal es, nachdem Sie mir mit dem Anwalt drohten,


    auch unklug wäre, meine Begündungen hier schon zu nennen. Auf Ihre, wenn auch quasi aus Arbeitsüberlastungsgründen zurückgenommene Androhung hatte ich gestern auch reagieren wollen, es wäre dies arg polemisch geworden, nein, das verkniff ich es mir besser auch da. Und bin mit meiner Entscheidung zufrieden. Wenn aber jemand martialische Begriffe verwendet, die sich schon im Stürmer finden, ist es legitim, genau darauf hinzuweisen und es auch zu belegen; das rückt Sie nicht in die Nähe der rassistischen Stürmer-Ideologie, wohl aber in die des dort vorgeherrschten Haßsprechs (hate speech auf Neudeutsch). Ich meinerseits halte etwas dagegen, das im Tagesspiegel heute Stephan Andreas Casdorff auf den Punkt gebracht hat:

    Härte gegen den erklärten Feind – aber auch Härte gegen sich selbst. Kühl bleiben, nüchtern, gesammelt, damit alle Optionen angemessen bewertet werden.
    dort.

    Was aber finden wir seit Beginn des Ukrainekriegs immer wieder und nun den Blutschaum schlagend erst recht? Mein Sohn zeigte mir gestern am späten Nachmittag eine Montagekarikatur, deretwegen ich zwar spontan auflachen mußte, doch die Wahrheit dahinter ist zum Verzweifeln:

     


    [ → Quelle (©) ]


     

     

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