Buchverbote und Privatheit.

Wenn sie schärfer werden wollen, dann bitte. Es ist keine Frage des “Rechts”. Als Ovid die Metamorphosen schrieb, handelte er objektiv g e g e n römisches Recht. Gegen geltendes Recht verstieß übrigens auch jeder, der im Dritten Reich projüdisch schrieb (und handelte). Recht ist eine Frage der Übereinkunft von vielen. Ich folge der Maßgabe meines künstlerischen Gewissens; wenn das mit geltendem Recht in Konflikt gerät, werde ich nicht klagen, wenn ich Konsequenzen ziehen muß; aber ich werde kämpfen. Nach objektiv in Deutschland geltendem Recht ist einer meiner Romane verboten worden. Ich halte das für nicht nur falsch, sondern auch für verhängsnisvoll. Das geltende Recht sieht hierzulande derzeit eine massive Stärkung des Privatrechts vor und setzt sie auch durch – wobei die Hintergründe diejenigen sind, daß Privatrecht nach dem HGB und BGB eben auch F i r m e nrecht ist. Die (etwa für den Barock absurde) Stärkung des Urheberrechts zielt in die gleich Richtung: Würde heutiges Recht auf, sagen wir, Händel oder Bach angewandt, wäre uns ein Großteil der für unsere Kutur wichtigsten Arbeiten verloren.
Selbstverständlich ist all dies auch für mich – also was die Darstellung anderer in meinen Arbeiten anbelangt – eine reine Frage der Abwägung: Was gewinnt ein Werk, wenn ich es tue, und was verliert es, wenn ich es nicht tue. Nur danach darf ich entscheiden. Abgesehen davon “zerre” ich niemanden in die Öffentlichkeit, die oder der nicht ohnedies schon darinsteht. Wenn ich Klarnamen und klare Zusammenhänge verwende, ist das abgesprochen oder die mit Klarnamen verwendete Figur eine völlig andere als die “tatsächlich” existente. Ich halte das lediglich anders, wenn ich bewußt in die Attacke gehe (eine solche Bewegung, ganz massiv, findet sich etwa bei Karl Krauss oder den frz. Surrealisten). Tue ich das aber so, wundere ich mich auch über Gegenattacken nicht.
Hierneben waren für unsere Kultur – und unsere kulturelle Anthropologie – grundlegende Texte auf e i n e r Ebene insgesamt nichts anderes als Abrechnungen mit verhaßten Personen, sei’s des rein-persönlichen, sei’s des öffentlchen Umgangs, z.B. Dantes Göttliche Komödie. Für Shakespeare gilt das gleiche. Bei Thomas Mann hätte es, aber das wissen Sie, fast einen Prozeß mit Gerhard Hauptmann gegeben; Lübeck kann Mann heute noch nicht richtig leiden. Die Frage, die Sie stellen, hat also eine ziemlich lange Tradition.
Für mich würde immer gelten: Ist das, was jemand macht, g u t gemacht. Alles andere steht für mich dahinter zurück, und zwar auch dann, wenn ich selbst Gegenstand solcher Publikationen wurde (was der Fall ist). (…)
Verfolgt man I h r e n Weg weiter, dann landen wir schließlich bei einer völlig ‘politisch korrekten’ Kultur und damit zum Ende der Kunst, was wohlgemerkt nicht das Ende der Unterhaltungsindustrie ist. Und Ihr Satz, Sie dürften nur mit sich selbst so umgehen, setzt voraus, daß Sie selbst autonom sind. Das halte ich – für jeden Menschen, auch für mich – für einen erkenntnistheoretischen Irrtum. Er ist sehr jung und entstand zeitgleich mit den Nationen, dem ‘freien’ Handel und der Verdinglichung von Welt als Ware.

Ich meine all das das nicht theoretisch abgehoben, sondern f ü h l e auch so. Aber ich respektiere Ihre Haltung. Sie ist bloß nicht die meine.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .