Mode & Tod. 23.01.2009. Paul Reichenbach liest Leopardi.

Mode: Herr Tod!

Tod: Zum Teufel mit dir. Ich werde dann kommen, wenn es dir nicht passt.

Mode: Als ob ich nicht unsterblich wäre.

Tod: Unsterblich?
Vergangen sind schon mehr als tausend Jahre,
seitdem die Zeiten der Unsterblichkeit geendet haben
.

Mode: Auch der Herr Tod dichtet nach Petrarcas Vorbild, als wäre er ein italienischer Lyriker des sechzehnten oder des neunzehnten Jahrhunderts?

Tod: Ich liebe die Verse des Petrarca, weil ich in ihnen meinen Triumph finde und da sie fast immer von mir sprechen. Nun aber lass mich in Ruhe.

Mode: Ach was! Bei deiner Liebe zu den sieben Todsünden, bleib ein wenig stehen und schau mich an.

Tod: Ich schau dich an.

Mode: Kennst du mich nicht?

Tod: Du solltest wissen, dass ich nicht gut sehe und keine Brille gebrauchen kann, weil die Engländer keine herstellen, die mir passte, und gäbe es eine, so wüsste ich nicht, wie sie aufsetzen.

Mode: Ich bin die Mode, deine Schwester.

Tod: Meine Schwester?

Mode: Ja: Erinnerst du dich nicht, dass wir beide Kinder der Vergänglichkeit sind?

Tod: Was soll ich mich erinnern, wo ich doch der Todfeind der Erinnerung bin.

Mode: Ich erinnere mich aber gut und weiß, dass wir beide in gleicher Weise danach streben, die irdischen Dinge zu zerstören und zu verändern,
wenn du zu diesem Ziel auch einen anderen Weg einschlägst als ich.

Aus: >>>Giacomo Leopardi, Werke Bd I: Gesänge und Dialoge und andere Lehrstücke. Aus dem Italienischen von Hanno Helbling und Alice Vollenweider, München 1978.

Bildquelle: >>>H I E R

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