Thetis. Anderswelt. Aus dem Vorspiel.

Und Borkenbrod öffnet nach innen die Augen. Er beobachtet mich. Aus mir. Und die Geräusche weichen zurück. Ich habe, anders als er, kein Bedürfnis, an Wände Gedichte zu sprühen. Gegenüber sitzen Leute draußen, man wird die Bestuhlung trockengewischt haben. Direkt vor mir, eigentlich hübsch, doch das Haar nicht gewaschen, eine junge Frau. Lehnt an Schuttwand. Das Gesicht auf Blässe geschminkt, aber Lippen siechrot. Beide Ohrränder, wie eine Wundnaht, durchlöchert. Behängt mit Kinkerlitzchen. Einen Ring durch die Nasescheidewand gestochen. Das Ziel der Frauenemanzipation restlos erreicht. Da baumelt es nun, dieses Ziel, unter den hübschen Nüstern und wartet auf Erfüllung.
Muß es nicht länger: Ich habe stets eine Metallkette durch die Gürtelschlaufe gezogen, ein kleiner Karabinerhaken ist befestigt daran, der steckt, als wär’s eine Taschenuhr, in meiner Weste.
Sie steht also an der Hauswand, von der Fladen und Fetzen blättern. Mißgelaunter Blick auf meine Krawatte. Ich schreite erst langsam an ihr vorbei, dann spontane Kehre ihr zu, den Karabinerhaken zwischen Daumen und Zeigefinger, Vorstoß, hab das geübt, es klickt. Schon der Nasenring in der Öse. Da schnalz ich einmal mit der Zunge. Die junge Dame sprachlos. Ich wend mich um und zieh sie hinter mir her. Sie brüllt los, es muß ziemlich wehtun. Wenn’s nicht bluten und der Nasensteg halten soll, wird sie mir folgen müssen. Es ist ganz wunderbares Sommerwetter. Paar Leuten bleiben stehn und gaffen. Drei Typen applaudieren. Ich lächle. Und mit meiner Beute immer die Straße entlang. Will meine Geisel sich wehren, reiß ich knapp an der Kette. Am Helmholtzplatz schäumt grün – besinnungslos und geil nach Erde riechend – der kleine Park. Die junge Dame zetert und jault im Geschlepp. Das wird mir zuviel. Ich löse die Kette aus der Gürtelschlaufe und mach sie mit einem Abusschloß an einem Ring für Hundeleinen fest. „Arschloch!“ brüllt meine Freundin. „Beschissenes Arschloch!“ Doch sie hält still. Hörte sonst Engel im Himmel, an die sie nicht glaubt. Unter meinen Füßen knirscht der Sand des Weges, zur Seite raschelt Gebüsch, das sehe ich nur, kann’s nicht hören, denn unablässig rattern Automobile, klirren Scheiben, schnaufen Hydrauliken. Kieksige Schreie. „Äh! Geil!“ ruft ein Junge, und als ich mich entfernt habe und am andren Ende des Platzes noch einmal umdreh, seh ich die Angekettete von einem Pulk Piercing-Freunde umschart.

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