Unordnung. Freitag, der 4.Januar 2007.

„Meere“ liegen auf meinem Schreibtisch,
der, selbst zum Ozean geworden, manch Treibgut – Bücher und Notizen – an die Strände spült. „Da heben sich die Meere und schlingen die Planken in ihre Abgründe hinein; die Orkane, die Erdbeben stürzen die Häuser ein; die Pest und sonstige Krankheiten dezimieren die betenden Familien. Aber die Menschen werden dessen nicht gewahr. Ich habe sie erröten, habe sie erbleichen sehen vor Scham über ihr Betragen auf dieser Erde; selten genug. Windhose, Schwester der Orkane; bläuliches Firmament, in dem ich Schönheit nicht sehe; heuchlerisches Meer, Abbild meines Herzens; Erde, mit geheimnisvollem Schoß; Bewohner der Sphären; ganzes Weltall; … “ (1.Gesang/5.Strophe.) Isidore Ducasse alias Lautréamont „Die Gesänge des Maldoror liegen einträchtig neben Aragons „Spiegelbilder“, das sich zwischen die Buchrücken von Derridas Grammatologie und Baudrillards „ Der symbolische Tausch und der Tod“ drängt, überhaupt sieht es sehr nach einer manischen Form akkumulatorischer Beschäftigung aus, deren ordnender Sinn noch zu seinem Recht kommen wird. An der Pinnwand Zettel über Zettel. Ein Satz wie dieser „Phonozentrisch werden orale gesprochene Zeichen als Sache verstanden, das graphische Zeichen vertritt dagegen das gesprochene Wort und ist damit Zeichen eines Zeichens… (Derrida: Supplement eines Supplements.) hing sich neben die Frage, ob Menschenopfer tatsächlich auf Tieropfer gefolgt sind, das behauptet jedenfalls Baudrillard. Ich mag diese scheinbare Unordnung, die immer dann entsteht, wenn ich mehr als notwendig wissen will und gebe gern zu:
Ein wachsender Bücherhaufen stimuliert mich.

2 thoughts on “Unordnung. Freitag, der 4.Januar 2007.

  1. “Man müßte zu zeigen versuchen, welches Verhältnis zwischen dem erotischen ‘Privileg’ der Frau und den gesellschaftlichen und historischen Abhängigkeitsverhältnissen besteht. Nicht im Sinn eines sexuellen ‘Entfremdungs’-Mechanismus, der die gesellschaftliche ‘Entfremdung’ verdoppeln würde, sondern indem man festzustellen versucht, ob sich nicht in jeder Form von politischer Diskriminierung der gleiche Vorgang der Verkehrung abspielt wie bei der Differenzierung der Geschlechter im Feminismus – der dann zu einer Fetischisierung der beherrschten Klasse oder Gruppe führen würde, zu ihrer sexuellen Überbewertun, durch die um so leichter die für sie entscheidende Frage nach der Machtverteilung verhindert werden kann.”

    oh ja, “Der symbolische Tausch und der Tod” – vor vielen jahren gelesen. immer noch eines der bücher, die mich/mein denken am meisten beeindruckt/-flusst haben.

    1. @ june Nicht von ungefähr lag neben meiner Lektüre der „Meere“ Jean Baudrillard
      „ Der symbolische Tausch und der Tod“ Ununterscheidbar sind heute das Wahre und das Falsche lautete später ein Credo Baudrillards. Alban Nikolai Herbst demonstriert es an seiner Arbeit über >>>„Verbeen“. Ob er dabei Baudrillard mitdachte ist hier unerheblich. Den Sätzen Baudrillards nachzugehen, die sie zitieren, führt in ein Labyrinth von Zeichen, Fetischen, deren symbolischer Zauber einzeln existieren mag, ob die Fetische heute, nun zur Mode geworden, noch einen innewohnenden realen Zustand abbilden, den man subversiv aufheben kann, halte ich für eine spannende Frage. Das Buch ist fast 30 Jahre alt und viele Dinge, die der Autor anspricht haben mit Ausbreitung des Internet und der wachsenden Globalisierung einen explosiven Verlauf genommen. Das in Ihrem Zitat formulierte Problem ist damit nicht obsolet geworden und wartet noch immer auf eine Erklärung. Das „erotische Privileg“ des Weiblichen in der Gesellschaft betrachte ich selbst mit ambivalenten Gefühlen. So halte ich es für möglich, das sich in ihm eine Form der (positiven) Diskriminierung widerspiegelt, ähnlich dem Philosemitismus, der mir dem Antisemitismus verwandt scheint. In den >>> Bamberger Elegien versucht ANH das „erotische Privileg“ der Frau , gelungen, wie ich meine, auf seine Ursprünge zurück zu führen. Weg von aller Simulation. Er fordert, um mit Baudrillard zu sprechen, eine Form der Generösität zwischen den Geschlechtern, die keine Äquivalenz kennt und keinen Wert bildet, aber dafür auf dem Weg der Reziprozität, der Gabe und Gegengabe, den sozialen Zusammenhang garantiert.

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