Vaterliebe (1).

Ein Mann wird die Mutter seiner Kinder immer weiterlieben, so lange er die Kinder liebt; schläft seine Liebe zu der Frau dennoch ein, wird sich sein Verhältnis zu den Kindern eher versachlichen. Das ist der Grund, weshalb viele Väter ganz gut damit zurechtkommen, von ihren Kindern getrennt zu sein. Sie gehen zu neuen geliebten Frauen und zeugen neue geliebte Kinder. Wer sich von der Mutter seiner Kinder trennt, nimmt die Trennung von den Kindern ganz bewußt inkauf. Ein Mann also, dem an seiner Liebe zum Kind gelegen ist, darf die Liebe zu dessen Mutter nicht verlieren. Und wird auch n a c h der Trennung die Liebe, schon der Kinderliebe wegen, bewahren; und zwar egal, was geschieht.
Mütter hingegen kommen auch ziemlich gut ohne die Väter aus; i h r e Kindesliebe will v e r s o r g t sein, ob man sie liebt, spielt eine geringere Rolle. Dafür suchen sie sich wiederum neue Väter, die aber ihr Verhältnis zu den „alten“ Kindern in aller Regel kaum berühren. Dem innigen Verhältnis zu den Kindern entspricht bei Frauen ein sachliches zu deren Vätern.

Es ist bitter, ist fast ausweglos, das zu erkennen.



(28 Juli: Abermals. Wie unausweichlich das ist.)

(16. September, über ein Jahr später: Unausweichlich. Nach wie vor.)

[P.S., spätnachmittags: Theorie des Literarischen Weblogs, praktisch geworden:
Dieser Eintrag entstand, ohne irgend eine Reaktion auszulösen, am 16. Juni. Heute morgen ergänzte ich ihn, hob also die Zeitachse auf, an der sich laut Gassner ein Weblog entlanghangele (so daß ältere Einträge in die Vergessenheit sinken). Und nun beginnt er zu leben, nämlich Widerspruch, Empfindungen jedenfalls und Gedanken auszulösen. Nahezu anderthalb Monate später. Das Verfahren, das ich “antiblog” nannte, wirkt.
P.P.S: Und nahezu ein Jahr und drei Monate später wiederum.]

34 thoughts on “Vaterliebe (1).

  1. ob die mütter ohne die väter auskommen können und umgekehrt, spielt keine rolle – es sind die kinder, die des vaters UND der mutter bzw. zweier starker bezugspersonen mit dementsprechendem rollenverständnis bedürfen …

    1. diese tatsache liegt in der entwicklung des kindes begründet, das eben – je nach altersphase – verschiedene orientierungsmöglichkeiten benötigt, um sich selber definieren zu können.

    2. Das Herz ist eine – Pumpe. Öffnen Sie sie, fließt Blut.

      “Ach”, sagte die Maus, “die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, daß ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, daß ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, daß ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.” – “Du mußt nur die Laufrichtung ändern”, sagte die Katze und fraß sie.

      Kafka.

    3. es ist oft (grade für einen sehr emotionalen menschen, der ich auch bin) schwieriger, seinen verstand in extremsituationen zu verwenden als den gewohnten emotionalen mustern nachzugeben – in etwa.

    4. Oh, mein Kind dreieinhalb Tage wöchentlich zu haben… … ist für mich ganz sicher kein gewohntes emotionales Muster. Das hätte ganz anderes gewollt: Kunst, Kunst und wieder Kunst. Daß ich mich für großräumige Vaterschaft entscheiden würde, hätte ich noch vor fünf Jahren nicht geglaubt. (Abgesehen davon, daß ich lange kein Kind haben wollte, weil ich sagte, ich sei nur für e i n e s verläßlich, nämlich wiederum die Kunst. Diese Haltung hat, fürchte ich, bei noch wenigstens einer anderen Frau großes Leid hinterlassen. Vergessen Sie nicht, ich war knapp 45, als mein erstes Kind zur Welt kam.)

  2. nein als vater, der sein söhnchen (12) 3-4mal im jahr sieht, jeweils nur für wochen, der seinen sohn liebt wie ein vater sein kind liebt – widerspreche ich in dem punkt der liebe zur mutter des kindes.
    nach mehr als sieben jahren nach sprengung der familie (die nie eine familie war wie er sich das vorstellt) und ebenso langer arbeit an dieser verkrüppelten beziehung (zur mutter des kindes) kann man sich sehr verändern. lieben und respektieren, freundliches verhalten sind nicht dasselbe. eines bleibt natürlich: das kind ist und bleibt das einzige, was man mit der mutter des kindes gemeinsam hat. und damit eine bestimmte verbindung. die von grund auf positiv sein muß, weil ja beide elternteile (sofern nicht mindestens einer von ihnen gestört oder gemütskrank ist) ihr kind lieben.
    aber liebe?
    und: was ist so bitter an dieser erkenntnis? ist es nicht gut, ein sachliches verhältnis zur mutter des eigenen kindes zu haben? ich denke doch ja, sofern man selbst nicht mehr erwartet von dieser mutter. und diese haltung will erarbeitet sein. da steckt viel schmerz drinnen, verletzte eitelkeit, desillusionierung, vielleicht auch persönliche wunden, einander zugefühgt, bewußt oder unbewußt.
    das ganze gordische knäuel von traumata, projektionen und narben-wunden zu entwirren ist wahrscheinlich auch gar nicht der richtige weg. man muß mit gegebenheiten leben. erkennt dann auch das gute des schlechten, da alles ja vor- und nachteile hat. auch das.

    1. Da liegt, verzeihen Sie, das Problem. Auf drei- bis viermal im Jahr hätte ich mich niemals eingelassen. Aber die Nähe aktualisiert beinahe täglich die verlorene Liebe. Ohne den Jungen wäre die Trauer für mich längst erledigt und schöne Literatur geworden. Ein halbes Jahr in den Tropen hätte mir ganz sicher gereicht.
      So aber bleibt die innige, sprachlose Bindung erhalten. Dennoch ist mir die Haltung vieler Väter, auf die Entwicklung des Kindes nicht mehr zu wirken (die ersten vierfünf Jahre sind prägend für a l l e s), kaum zugänglich. Ich denke immer wieder darüber nach und komme dann auf das Wirken einer Rationalisierung, über deren Gründe ich wie oben spekulierte.

    2. aufgrund der ersten intensiven vierfünf jahre (bei mir eben dreivier) ist viel gutgegangen mit meinem sohn und mir. wenn wir uns sehen, ist es als hätten wir uns gestern verabschiedet. ich habe den einfluß auf sein leben nie verloren, aber natürlich ist es viel zu wenig für uns beide. 750km sind nicht so einfach zu überbrücken, und die welten, in denen er dort und bei mir lebt sind zwar grundverschieden, aber beide real. würde ich die frequenz erhöhen, würde ich selbst draufzahlen und wir beide wären nicht glücklich damit, also ist es die bestmögliche lösung.
      jeder fall ist anders.
      rationalisierungen finden statt, keine frage, aber das muß nichts schlechtes sein.
      jeder mensch ist anders strukturiert und geht anders mit den dingen um. es wird auch eine rolle spielen, wie man mit dem schmerz umgeht, ob man ihn verdrängt, rationalisiert oder e r l e b t und sich dadurch verändert. das ist alles möglich.
      ich verstehe natürlich, daß ihr set ein anderes ist, und daß da eine andere verbindung zu mutter besteht. zumal ich auch “meere” gelesen habe, ohne so dumm zu sein zu vergessen, daß es sich dabei um literatur handelt. und sehr gute literatur.

    3. Ich denke, nichts ist gleich, außer einer Sache:
      die Trauer über zerschlissene Lieben…
      Und Kinder sind deren Lesezeichen.

    1. Ich habe diesen Eindruck, ja. Obwohl viele Männer es bestreiten. Aber die bestreiten auch, daß in festen Beziehungen nach ein paar Jahren die erotische Lust an der Partnerin verloren geht. Horcht man mehrfach nach, bekommt man mit, es geht ihnen wider ihre Aussage genauso. Ich fürchte, auch mit Kindern ist es so, jedenfalls solange sie klein und noch nicht im Freundschaftsalter, also von der Mama abgenabelt sind. Dies würde für mich auch erklären, daß derart viele Männer ganz gut ohne ihre Kinder klarkommen, wenn sie sich von sich aus von ihren Frauen getrennt haben. Sie machen dann n e u e Kinder, neue Dophains…. Im Tierreich (und in den menschlichen Königshäusern) bringen die Väter ihre Kinder dann sogar um. Um Platz für die neuen zu schaffen.

    2. in der tat, das wäre eine sehr gute erklärung, warum sehr viele männer sehr gut ohne ihre kinder klarkommen. wahrscheinlich ist uns das tierreich auch in diesem punkt sehr nah.
      aber der verlust für das kind ist ungeheuer groß.

    3. Ja. Wenn es das überlebt, trägt es den Verlust immer weiter und später dann seinerseits aus,als einen Verlust, dem es dann die eigenen Kinder aussetzt, falls die Mama sich von ihm trennt. Wir sind unendlich gefangen, FrauJulie. Und ich weiß nicht, was ich wünschen soll. Aufzuhören, die Mutter meines Kindes zu lieben (damit aber auch meinen Sohn nicht mehr weiterzulieben)), oder sie vergeblich weiterzulieben (damit auch meinen Sohn, allerdings n i c h t vergeblich, weiterzulieben)?

    4. ja, wir sind unendlich gefangen. aber wenn wir eine kleine chance haben, ein bisschen von dem abzutragen was wir mitbekommen haben und was seit generationen durch die familien geschleppt wurde, müssen wir dann nicht die chance nutzen und auch (wg. unserer kinder) die verantwortung übernehmen und ein (kleines) stück weiter gehen und das gewicht für unsere kinder zu minimieren.

    5. Habe diese Gespräche grade mit Interesse gelesen.

      Meine feste Überzeugung: Wer Kinder in die Welt setzt, ihnen ein Leben ermöglicht, hat die verdammte Pflicht, nach b e s t e m Vermögen für es zu sorgen, ihm ein gesundes Erwachsenwerden zu ermöglichen und Schaden von ihm abzuwenden.

      Genau dazu haben die Kinder Erwachsene an ihrer Seite.

      Und man mag sich über seine eigenen Bedürfnisse und Probleme Gedanken machen – aber Vorrang haben lange Zeit die Bedürfnisse des Kindes.

      Eine zu intensive und zeitaufwendige Nabelschau ist zum Schaden des Kindes und ist der Verantwortung des Vaters /der Mutter nicht angemessen.

    6. liebe zu einem kind… nachdenklich über dem hier gelesenem komme ich für mich zu der erkenntnis,dass ich von anfang an mein kind unabhängig von der liebe zum vater als einen menschen geliebt habe,einfach weil es zwar sicher eigenschaften von beiden hat,aber es ein völlig eigenständiges wunder ist,dem ich auch so begegne – mit respekt vor dem eigenem weg,den es gehen wird…
      liebe ist für mich etwas eigenständiges und nicht in folge abzuleiten…interessant,dass mann überhaupt diesen gedanken haben kann…

    7. Vaterliebe. @china-blue. Ich schrieb ja und dachte – und denke weiterhin – darüber nach, ob sich in diesem Unterschied möglicherweise eine objektive Geschlechterdifferenz auftut – die auch damit zu tun haben kann, daß die Frau objektiv gebiert, der Vater aber immer ein ungefährer ist. (Denken Sie an die hohe Quote all jener Väter, die für den realen Vater gelten, aber es biologisch gar nicht sind. Es existieren mehr soziale Väter, als wir fühlen wollen.)
      In dieses Natur-“Spiel” gehört sicher auch >>>> d a s.

      Übrigens, in urteile nicht, schon gar nicht moralisch. Sondern mache an mir und anderen Beobachtungen, für die es sich vielleicht gehört, daß man sie für sich selbst behält. Mein Ansatz ist aber: Öffnung. Damit wir endlich verstehen. Vielleicht.
      Tatsache bleibt, daß sehr viel mehr Frauen den biologischen Vater ihrer Kinder versachlichen können als umgekehrt. Tatsache bleibt auch, daß sehr viel mehr Männer als Frauen ihre ‘alten’ Kinder durch ‘neue’ substituieren. Ich meine nicht, daß es sich bei diesen Prozessen um schuldhafte, sondern um A n l a g e n handelt. Deren Wirkung uns oft entgeht oder auch weggedrängt wird, weil dieser ganze Prozeß mit unserem – für mich unterdessen nur noch naiven – Glauben an persönliche Autonomie kollidiert

    8. es ist wirklich sehr interessant herr herbst, da ich bis jetzt noch nie darüber nachgedacht habe,dass es überhaupt unterschiede in der liebe zu kindern von väter und müttern geben könnte…?
      aber da das wort liebe ohnehin schwer zu klären ist und liebe nicht für jeden das gleiche meint,bewege ich mich da lieber vorsichtig…
      es könnte so sein wie sie es vordenken…allerdings mein eindruck ist eher ein anderer…väter leiden unter der trennung von den kindern sehr und versuchen zu verdrängen,was sie oft auch besser beherrschen als frauen
      ..und kreieren sich aber dann wieder die konstellation frau und kind,um ihren schmerz zu lindern…sicher unterbewusst…
      distanzen bauen väter auf,weil sie nicht mit dem schmerz umgehen können,lieber trennen sie sich ganz…das ist mein eindruck aus vielen gesprächen…
      wir befinden uns in einem wertewandel..das konstrukt familie für immer,findet immer weniger statt,aber wir wissen noch darum und sehen uns nach der heilen familie,denn sie wird immer kostbarer in diesen tagen…
      vielleicht ist es eines tages so,dass nachfolgende generationen auch ganz anders damit umgehen,weil sie in diesen konstellationen gar nicht mehr aufgewachsen sind..oder aber es ist ein urbedürfnis und dann wird es einen wertewandel geben…politisch gesehen sieht es fast schon so aus…
      aber spannend finde ich die frage,warum liebt man ein kind?das hat mich nachdenklich gemacht…ist das vielleicht der unterschied?
      es ist auch von mir sehr sachlich gedacht ohne moralisch zu sein…

    9. “weil sie nicht mit dem schmerz umgehen können,lieber trennen sie sich ganz…das ist mein eindruck aus vielen gesprächen…” Auch daran ist enorm vieles, wenn ich an meine eigene Reaktion zurückdenke. Aber die Liebe zu meinem Kind war größer, was wiederum nichts darüber aussagt, was diese Liebe zu dem Kind antreibt. Unterdessen ist es mir völlig unvorstellbar, ohne den Jungen zu sein. Das geht so weit, daß ich möglicherweise, was ich nie und nirgendwo je gewesen bin, erpreßbar werde und also korrupt. Die Vorstellung, daß mir mein Sohn entzogen werden könnte, kommt meiner anderen Angst nahe: eingesperrt zu werden. Vor beidem fürchte ich mich panisch; vor dem Tod hingegen gar nicht. Bei ihm hätte ich das Gefühl einer grundsätzlichen Natur-Gerechtigkeit.

      Übrigens kann “Vater”, kann auch “Mutter” völlig anders gefaßt werden, wie sich an Gesellschaften beobachten läßt, die ihre Kinder gemeinschaftlich aufziehen (und bei denen bisweilen, weil es egal ist, tatsächlich oft nicht klar wird, wer der leibliche Vater ist) – aber d a sein muß das weibliche und männliche Element, und zwar in möglichst klarer Ausprägung. (Insofern, ich spielte darauf an anderen Stellen schon an, ist die Vorstellung von Geschlechterindifferenz und Hermaphroditismus, dem etwa ein Strang des {zunehmend auch ‘männlichen’} gender-Feminismus anhängt, entwicklungssychologisch heikel; im übrigen spielt er ideologisch der Gen- und Klon-Technologie in die Hände. – Auch dies gehört ins Netz.)

      P.S: Ich habe den Gedanken insgesamt jetzt modifiziert, denn Z e i t, und Nähe, spielen ihre Rollen d a z u: >>>> hier (11.28 Uhr).

    10. ganz sicher… ist zeit und nähe ein unterscheidendes element,denn je mehr ein kind ein “ich ” entwickelt,umso mehr manifestiert sich die liebe zu einer persönlichkeit .
      liebe zu einem kind ist anders als zu einem partner in einer beziehung,für mich fast purer..es werden keine bedingungen geknüpft,die es in partnerschaften oft gibt…diese intensität von anfang an macht einen ohnmächtig,wenn man daran denkt das kind zu verlieren,also sterben männer eigentlich fast,wenn sie sich von dem kind trennen müssen,was ja leider auch nicht wenige mütter benutzen gegen einen mann…und gerade männer leiden noch mehr darunter,da ohnmacht für sie unerträglich ist…ich denke und verstehe auch,wenn männer sich von den kindern abwenden,ist das keine lieblosigkeit sondern oft ein emotionales überleben wollen…das traurige ist nur,dass kinder das nicht so verstehen können und sie natürlich widerum an den folgen kranken…
      insofern bin ich für mich irgendwann zu dem schluss gekommen,dass liebe sehr schön ist,aber gespürte liebe noch viel schöner…eigentlich die wahre liebe ist…

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