Richard Wagner, Rienzi, Premiere 11.10.08 Bremen

Grell, bunt, laut

Rom, symbolisiert durch eine überlebensgroße Frauenstatue mitten auf der Bühne. Und schon wird die monströse Figur verschandelt, missbraucht, der Kopf abgeschlagen. Rom leidet. Rienzi hilft – nur auf den ersten Blick. Der Volkstribun wettert gegen die Herrschaft der Nobili und erntet Hohn und Spott. Er befreit das Volk von der Adelsherrschaft, will der Stadt eine neue Verfassung geben, um den Bürgern Freiheit und Wohlstand zu garantieren. Bald erschüttern Intrigen das gegenseitige Vertrauen. Der Wohltäter wird durch Aufständische bedroht. Blut fließt. Rienzis letztes Gebet im Kapitol um Erhaltung seines Lebenswerks wird nicht erhört. “Rom, die Braut” verroht. In den Flammen kommen Rienzi und seine Schwester mit ihrem geliebten Adriano um, im Feuer übergroß darin Rom als Comic-Figur: immer obszöner die Pose der Frau. Bis zum Schluss.
Laubbläser – für die jetzt im Herbst wieder lautstark Hochkonjunktur auf Deutschalnds Straßen – beherrschen zu oft das Bild. Rienzi fuchtelt herum, benutzt das derzeit so populäre Blätterentfernungsgerät gleich, um den störenden Mob weg zu blasen, zu eliminieren. Er benutzt es weiter zum Kampf, quasi als Flammenwerfer, wie seine Mitstreiter, sogar im Gleichschritt. Wollte die neue Chefin der Bayreuther Festspiele plakativ und grell endlich den ideologischen Ballast wegpusten, der die Lieblingsoper Hitlers in den Köpfen vieler immer noch umgibt? Das ist ihr gelungen. Doch nennenswert gutes Bühnenhandwerk ist noch nicht zu entdecken. Die Personen agieren zu statisch nebeneinander her. Fulminant aber sind Extra- und Hauptchor des Theaters (Tarmo Vaask) und das Alsfelder Vokalensemble Bremen (Wolfgang Helbich), die dieser Choroper Gewicht geben. Die haben auch die Regisseurin sichtlich begeistert. Sie ist grundsätzlich nach musikalischen Kriterien vorgegangen, auch bei den notwendigen Streichungen im Stück, das in seiner ursprünglichen Form fast sieben Stunden dauert. Sie durfte mit exzellenten Sängerdarstellern arbeiten. Großartig Mark Duffin in der Kräfte zehrenden Titelrolle, ebenso herausragend Patricia Andress (Irene) und Tamara Klivadenko als Adriano, um nur wenige zu erwähnen. Christoph Ulrich Meier führte die Bremer Philharmoniker mit eiserner Hand durch die Partitur. Klanglich hätte differenzierter gestaltet werden können, insgesamt gesehen war vieles zu laut und ohne Schmelz, das Blech spielte unüberhörbar oft unsauber.
Inhalt stand bei Katharina Wagners Regie nach eigenen Angaben an zweiter Stelle. Daraus mag die gewisse Nonchalance im Umgang mit dem Opernstoff herrühren. Wohlmeinend gibt dieses Revolutionsopus des 30jährigen Komponisten nicht viel mehr Spielraum für Tiefgründigkeit, als in Bremen zu sehen war. Man fragt sich sogar, ob sich eine Neuinszenierung überhaupt lohnt. Rienzi soll auch in Bayreuth gespielt werden, allerdings eher nicht im Festspielhaus.
Es gab ihn wirklich, diesen Cola di Rienzo, im 14. Jahrhundert. Für Richard Wagner war es der Stoff, der ihm zu seinem ersten großen Opernerfolg verhalf. Musikalisch gibt es da mehr Meyerbeer und Belcanto denn Anklänge an die Handschrift des späten, uns geläufigen Wagner. Dennoch hat sich Katharina nach insgesamt nur zwölf Inszenierungen nach Entstehung des Frühwerks zur Neuproduktion entschlossen. Das Bremer Theater bewies Mut, sie an sich zu ziehen. Man konnte das Geschehen auf dem Theaterplatz live verfolgen, rund eintausend Zuschauer taten es auch. Die Reaktion des Publikums im Saal nach der Premiere war verhalten. Der Applaus blieb höflich, es gab sogar ein paar wenige Buhs für die Regisseurin. Das tat ihr weh – uns hingegen, die Aufführung, nicht.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .