Arbeitsjournal. Dienstag, der 12. Juni 2007.

9.19 Uhr:
Abends/nachts auf einer Buchvorstellung gewesen, die ich mir hätte schenken können. Allerdings war e i n Text n i c h t nur Feuilletongedöns, sondern, schmeckt man ihm nach, lauschte man hin und lauschte von der Präsentation weg, lauschte vor allem vom Kultur-Schickimicki weg, das den Raum des >>>> Münsalons füllte, mit einer stillen Melancholie geschlagen, auch einer stillen Menschenliebe, die ihn letztlich d o c h poetisch machte. Es war die kleine, persönliche Betrachtung >>>> Claudius Seidls. Die anderen Texte trugen entweder das Stigma des in seiner wohlfeilen >>>> Ironie (selbst)gefälligen Studienrats, der mal politische Pläne hatte, oder waren schlichtweg Papier.
Eisenhauer war da, wir sprachen länger. Er ist gegenüber Texten unnachsichtig, geradezu hart; ich selbst sag mir: „Es ist doch Feuilleton und erfüllt seinen Zweck; nichts darüber hinaus, aber auch eben nichts weniger.“ Er kann diese Haltung schwer nachvollziehen; eigentlich ist sie auch viel arroganter als seine. Wie bei solchen Veranstaltungen üblich, war man zusammengekommen, um bei etwas zuzuhören, von dem man sich bereits beim Umziehen vorgenommen hatte, daß man es gut finden werde. Andere Einsichten hatte dieser Abend nicht; ausgleichshalber sprach ich im Übermaß den frei ausgeschenkten Getränken zu und radelte ziemlich besoffen besser nicht heim, sondern gleich in die Arbeitswohnung. Und kam dann erst um acht von der Couch.
Auch Maxim Biller war da (nein, nicht auf der Couch); wir grüßten uns frostig. Helge Malchow, sein Verleger bei Kiepenheuer & Witsch, sagte mir mit den Worten Guten Abend: „Guten Abend, verbotener Dichter.“ Ich parierte: „Bin ich ja nicht mehr, also verboten.“ Mehr sprachen wir nicht.

Heut morgen >>>> Briefe. Um >>>> das Schema drück ich mich grad (wie ein Gedicht mit zwei unbetonten Silben beginnen, die zudem eine Zäsur zwischen sich schieben?).

15.49 Uhr:
[Strauss, Arabella.]
Den ganzen Tag über schon schleiche ich um den Ansatz der >>>> Pyramide herum, finde aber keinen, will ihn auch nicht zwingen, sondern das Unbewußte arbeiten lassen. Das Problem mit den beiden unbetonten Silben zu Anfang werde ich wahrscheinlich über Ablaute lösen, so viel weiß ich schon. Im übrigen: Verwunderung, daß die Gesänge, von diesem Ende abgesehen, quasi schon fertigsind; das hat wirklich etwas Überraschendes.
Im weiteren Übrigen Briefe geschrieben. Schöne Korrespondenz mit >>>> José Oliver wegen des >>>> Hausacher Leselenzes am Wochenende.
Gleich kommt mein Bub, der morgen seine erste Mathe-(Vergleichs-)Arbeit schreiben wird. Deshalb habe ich für ihn eine Probearbeit vorbereitet, damit er morgen solch eine Situation schon mal gewöhnt ist. Und damit er sich auch ganz vertraut in ihr zu fühlen lernt, habe ich ihm zu den vorbereiteten Aufgaben-Blättern ein Getränk, das er sehr liebt, gestellt, sowie eine Schale mit Fruchtgummi. Dann geb ich ihm für die vier Seiten eine halbe Stunde Zeit; danach kommt noch eine Seite mit Einmaleins-Aufgaben, die er nach Schnelligkeit lösen muß.Mal sehen, wie das alles wird. Und: Wenn das vorüber, wir haben damit gestern begonnen, stell ich ihm wieder ein Musikstück der klassischen Literatur vor – wobei ich immer mal ein Stück Neue Musik dazwischenschieben werde, auch Free Jazz, der sehr rhythmusbetont ist, mal auch ein Liedermacherstück. Jeden Wochentag so zwischen 15 und 20 Minuten gemeinsames Musikhören, ist die Vornahme.

Ich bin sowas von verliebt in >>>> diese Musik!

23.22 Uhr:
Am Terrarium noch einmal den gesamten AEOLIA-Text durchgegangen, soweit er jetzt vorliegt, also bis aufs noch zu schreibende Finale, diese sprachtechnisch und vielleicht sogar prinzipiell problembelastete >>>> Pyramide. Dabei beide Druckfassungen verglichen, abgeschmeckt; es sieht nun so aus, als b r a u c h t e n die Gesänge die von mir während des Schreibens instinktiv schon vorgenommene Aufteilung über die Seiten, nach Gedichtart, Szene, Klang usw., und als wäre mein puristischer Versuch, alles seinem jeweiligen Erscheinungsbild aneinander anzugleichen, ziemlich falsch: es geht allzu vieles verloren darüber. Außerdem verlangt d a s dann sehr deutlich eine Unterteilung in Kapitel oder differierte Gesänge, was ich auf keinen Fall haben will. Aber ich werde die Aufteilung der Segmente über die Seiten wohl noch einmal ganz neu anlegen – nachdem und wenn denn das Finale fertigsein wird. Außerdem muß die Passage v o r dem Finale noch um einige Zeilen ergänzt werden, damit das Gleichgewicht stimmt. Daß ich das alles, wie ich’s gern gehabt hätte, bis Hausach schaffe, ist jetzt doch unwahrscheinlich, zumal mich José Oliver heute um eine kleine Kolumne zu dem Festival gebeten hat, die bis morgen abend abgegeben sein muß, um dann direkt vor dem Festival in der Tageszeitung der Gegend abgedruckt zu sein. Das soll nicht viel Text sein, aber eine Idee muß man halt d o c h haben, um sie angemessen zu formulieren.
Bin eben in die Arbeitswohnung zurückgefahren, weil ich hier übernachten will, um morgen früh ohne jede Verzögerung direkt nach dem Weckerklingeln um halb fünf am Schreibtisch sitzen zu können. Um sieben will ich dann wieder zur Familie rüber, weil ich seinen Jungen wegen seiner Mathearbeit zur Schule begleiten möchte; außerdem muß ich der Lehrerin ja sagen, daß der Bub Freitag und Montag nicht am Unterricht teilnehmen kann, weil er mich nach Hausach begleitet.
So, ich schau noch mal nach Post, dann geh ich schlafen. Haben Sie eine ebenso gute Nacht, wie ganz sicher ich sie haben werde.
Der Ihre.

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