Arbeitsjournal. Sonnabend, der 18. November 2007. Mannheim und Berlin.

6.59 Uhr:
[Bei Kühlmanns.]
Ich glaube, >>>> hierzu sollte ich noch mal etwas schreiben, unter den anderen Kommentaren. Sehr wahrscheinlich hat sie (er?) vergessen, die Kommentarfunktion auszuklicken. Ich werde L. aber bitten, die Kommentare stehenzulassen, und zwar nicht, weil ich fände, sie müsse sowas aushalten, sondern weil ich den Eindruck habe, diese eigenartig erbitterte Diskussion tue nichts mehr, als ihre Anonymität ganz besonders zu schützen. Sofern L. „echt“ ist, kann ihr der indirekte Vorwurf, sie verfasse „Literaturinstituts-Prosa“ ja ohnedies egal sein. Im übrigen kenne ich zumindest e i n e, die aus dem in ihrem Fall Leipziger Literaturinstitut hervorgegangen ist, die ich zu den ganz wichtigen neuen Stimmen der deutschen Romanliteratur zähle: >>>> Ricarda Junge nämlich. Und auch Thomas Pynchon haben seine Lehrstunden in creative writing-Seminaren zumindest nicht geschadet.

Ich sitze noch in Mannheim; es wird wohl nichts werden mit der frühen Abfahrt. Was daran liegt, daß es sehr spät wurde gestern nacht, ich kam – von einem ziemlich klugen Doktoranden heimgefahren – erst nach 24 Uhr hier an, da lag Frau K. schon zu Bett; Prof. Kühlmann wiederum war ja, und bleibt dort bis heute morgen, in Tübingen. Rein aus der Sicht des Gastes hab ich nun etwas ein schlechtes Gewissen, aber zum einen war ich tatsächlich vom Wagen des Doktoranden abhängig, zum anderen war das Gespräch mit den Studenten, Doktoranden und >>>> Hanna Leybrand, bei einem höchst witzigfrechen Heidelberger Griechen geführt, zu intensiv, um es abbrechen zu mögen.

Die Lesung nachmittags um 16 Uhr war nicht so gut besucht wie die Vorlesung am Donnerstag abend, war eher schlecht besucht, wie auch schon das Schreibseminar; doch der Austausch war dann um so intensiver. Daß >>>> der Mannheimer Morgen heute früh schreibt, ich hätte nicht „die große, renommierte“ Poetik-Dozentur inne, sondern nur eine kleine; was sich daraus erfolgere, daß ich nicht in der repräsentativen Aula vorgetragen hätte, ist ein kleines bittres Pillchen, das aus der Fabrikation der Mißgunst stammt und schon deshalb nicht für voll genommen werden muß, weil Herr Thomas Groß übersieht und wahrscheinlich übersehen w i l l, daß hier finanzielle Ausstattungsfragen im Hintergrund wirkten; die Stadt Heidelberg hat sich aus der Dozentur zurückgezogen, um ihren Sparauflagen Rechnung zu tragen. Außerdem ist mir ein nicht-repräsentativer Rahmen sehr viel lieber, ich bin ja kein Vorturner, sondern mich interessiert die Sache. Wer Schalen mag, muß sich Bananen kaufen, nicht einen Dichter.

Zur Werkstatt, creative writing: Wir waren zu acht, zweidrei lasen Texte, ich schlug erstmal einen weiten Bogen, „Was wollt ihr?“, „Was erwartet ihr?“ usw. Schließlich kamen wir überein, unsere Schreibwerkstatt wirklich öffentlich zu führen; ich sprach von einem „virtuellen Seminar“: Ich werde in Der Dschungel eine Rubrik einrichten, die WERKSTATT heißt. Dort können die jungen Autoren, wenn sie denn mögen, ihre Texte zu ihrer gegenseitigen und meiner Diskussion einstellen; es sind auch weitere junge Schreiber, die noch nicht am der Werkstatt teilgenommen haben, dazu eingeladen. Ich werde jeweils einen Über-Beitrag schreiben, die Texte selbst werden dann als Kommentare eingestellt, unter denen sie weitere Kommentare je diskutieren, lektorieren, Änderungsvorschläge usw. unterbreiten. Auf der zweiten „realen Werkstatt“ am 14. 12. werde ich dann einzelne Texte noch einmal vortragen.
Für erste stellte ich folgende Aufgabe: „Stellen Sie einen Spiegel vor sich auf den Schreibtisch. Sehen Sie sich genau an. Und versuchen Sie, das abzuschreiben, was sie sehen. Seien Sie so genau wie nur möglich.“ Ich werde die Aufgabenstellung gleich auch noch einmal in der Rubrik formulieren, sowie ich sie eingerichtet haben werde. Zugleich werde ich den Text der Ersten Vorlesung ebenfalls in eine eigene Rubrik verschieben, damit die nervöse Flexibilität der Hauptseite Der Dschungel nicht weiter gestört wird. Auch dort, unter den Vorlesungen, lasse ich die Kommentarfunktion offen.
Ich trinke Kaffee und rauche meine Cigarillos.
Guten Morgen, Leser.

11.12 Uhr:
[ICE Mannheim-Berlin, Halt Frankfurt am Main.]
Nun geht’s also heim, ich bekam sofort einen Zug, nachdem ich zum Mannheimer Hbf gebracht worden war. Der >>>> moobicent-Zugang ins Netz funktioniert ganz ausgezeichnet, sogar auf freier Strecke gibt es oft das schnelle UMTS. Ich bin dabei, ein wenig müde, Die Dschungel wieder auf Vordermann zu bringen, brauche aber wohl auch noch eine Mütze Schlaf.
Noch allerdings diskutiere ich gerade über Skype, auch Innsbrucker Studenten mit in >>>> das Virtuelle Seminar einzubinden. Mal sehen, ob man das Rad auch r i c h t i g drehen kann: Studenten, die sich dann beim zweiten „realen“ Workshop sowohl einesteils „wirklich“ sehen, wie andernteils über eine Messenger-Konferenz unterhalten. Sollte das alles funktionieren, sollte die Presse noch mitspielen. Bloß bin ich ihr halt unheimlich bis unangenehm, und eigentlich will da keiner, daß ausgerechnet ich solch ein Rad drehe, vielleicht auch überhaupt, d a ß solch ein Rad gedreht wird.

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