Revolutionärin in eigener Sache. Audrey Tautou in Anne Fontaines Coco Chanel

Noch ganz gefangen von —> „Coco Chanel“. Ich sah den Film gestern abend. Nach der Kritik von —> Rainer Gansera ging ich ohne Erwartung ins Kino. C. und ich hatten uns absichtlich einen „Frauenfilm“ ausgesucht, einen den unsere Männer nicht hätten sehen wollen.
Aber was tat Gansera, als er den Film sah? Was nur, fragte ich mich hinterher, tun diese Menschen, wenn sie einen Film schauen, wenn sie ein Buch lesen?= Sehen sie nur, was sie sehen wollen, lesen sie nur, was sie lesen wollen? Besonders wenn ein Text, wenn ein Film so von Zwischentönen lebt wie dieser? Nein, es ist kein platter Film. Nein, es ist kein Kostümschinken, wie Gansera behauptet. Er ist die Imagination, wie „es“ gewesen sein könnte, wie Gabrielle zu Coco wurde. Selbst die Szenen im nonnengeführten Kinderheim sind angenehm unsentimental. Vielleicht hat Anne Fontaine etwas geschaffen, das so nur Frauen verstehen. (Wie sehr ich es hasse, so etwas zu schreiben! Denn ich bin selbst Emanze und wünsche mir nichts sehnlicher, als die Verständigung zwischen Mann und Frau, von der ich zugleich nicht glaube, dass sie möglich werden wird).
Fontaine zeigt in ihren Bildern, die wie Skizzen sind, wie auf Chanel gewirkt haben muss, was man „die pompöse Welt“ nennt, wie sie darin dann zu ihrem Stil fand und wie sie sich und ihren Geist befreite. Fontaine zeigt eine Frau, die immer bei sich ist, die sich nicht des schnellen Spaßes wegen Lust und Oberflächlichkeit hin gibt. Eine, die mit Männern redet. Sie plaudert nicht, sie nimmt sie ernst, ernster als die Männer selbst sich nehmen. Das wirft sie auf sich zurück und überfordert sie. Selbst Chanels Kleidungsstil fordert die Männer heraus. Es ist ein Reiz, der sich viel weniger schnell abstumpft, als die ins Mieder geschnürten aufquellenden Brüste, als die geschnürten Wespentaillen. Dem und ihrem Charme, ihrer Freiheitsliebe erliegt der Pferdezüchter Balsan, auf dessen hochherrschaftlichem Gut sich Coco wie eine Mätresse eingenistet hat. Sie nutzte, was er bot, lernte reiten, las – doch als er sich endlich seiner Liebe zu ihr bewusst wird, hat sie schon längst ihre eigene Liebe gefunden und schwört der Ehe ab.
Fontaines Film zeigt, dass Liebe auch Freundschaft ist: vielleicht ist das seine wichtigste Botschaft. Coco befreite die Frauen vom Korsett, aber zu allererst befreite sie sich selbst, befreite sich von allen Konventionen. Viele Rollen boten ihr die Männer an, alle lehnte sie ab. Und liebte. Eine konsequente, selbständige, arbeitende, unverheiratete Frau, gegen Sentimentalitäten selbst in der Liebe. Nie vorher habe ich ein schöneres Liebesgeständnis einer Frau gehört als dieses: „Ich habe mir geschworen, nie zu heiraten. Aber bei Dir vergesse ich das manchmal.“

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