Wer einmal Sklave w a r.

Bleibt einer. Lebenslang. (Erst die Kinder, wenn man denn welche hat, kommen da heraus. Das immerhin ist Hoffnung.)

9 thoughts on “Wer einmal Sklave w a r.

  1. Gegen Dienstleistungen Die Verwandlung von uns allen in Sklaven (lebenslänglich), das ist die Idee der “Dienstleistungsgesellschaft”. Dagegen richtete sich das Selbstbewusstsein der Arbeiterklasse. “Gedient” wird nicht! Der “Aufstieg” zum Kleinbürger, der versklavt. Da hilft mir der Vater, der immer da und nie fort war. Und Sklaven hasst.

    Politisch sind Sie sicher anderer Ansicht, Herr Herbst.

    1. @MelusineB. Arbeiterklasse. Nein, politisch bin ich n i c h t anderer Ansicht. Wenn es denn ein Selbstbewußtsein der Arbeiterklasse geben sollte, das auch im Einzelnen und nicht nur über die Gesetze des Massenpsychologie wirkt und übers “Gemeinsam sind wir stark” hinaus.
      Den “Aufstieg” zum Kleinbürger sehe ich – wie Sie, glaube ich – als gefährlich an, unter anderem aus dem von Ihnen genannten Grund. Er ist n o c h gefährlicher als der Verlaß auf die Gruppe (Klasse).

      Was ich zu bedenken gebe, ist allerdings, daß Angehörige der Arbeiterklasse, so es eine solche hier überhaupt noch anders als rein im Glauben (in der Ideologie) gibt, gleichzeitig Angehörige der Ausbeuterklasse sind, wenn man die Begriffe am sozial-ökonomischen Weltgefälle mißt. Wir haben keine klaren Scheidungen mehr, und zwar eben gerade dann nicht, wenn wir die Trennungen mit Marx notwendig an die Ökonomie knüpfen.

    2. Nur noch Trotz (aber wirksam) Sie haben ja recht. Ich schrieb “richtete” (Vergangenheit). Es gibt keine Arbeiterklasse mehr. Und global gesehen – selbstverständlich – wäre sie, wenn es sie gäbe – Teil des Ausbeutungssystems.

      So wie es ist, kann es nur noch um Habitus gehen. (Jetzt – irgendwo ganz hinten in meinem Kopf pocht immer noch die lächerliche Sehnsucht nach Barrikadenkämpfen, lachen Sie ruhig!) Es hilft immerhin, einen Vater zu haben, der sich dran freut, wenn man sich unpassend benimmt – “bei Tische”.

    3. Darüber, Melusine. Lache ich nicht. Ich kenne diese Sehnsucht auch, bei mir ist sie lediglich nicht an eine Gruppe geknüpft – einfach, weil ich anders sozialisiert bin, weil ich Gruppen niemals angehört habe, nicht einmal “einer Generation” zugehörte. Ich bin immer, und wollte es so, allein gewesen, oder zu zweit, oder zu dritt. Das erstreckt sich auch auf mein Verhältnis zur Neuen Musik und den anderen, es sind mindere, “E”-Künsten. Nein, Ihre Sehnsucht ist n i c h t lächerlich. Sie bewahrt Wahrheit.

    4. Allein sein In gewisser Weise ist man immer allein. Die Gefährlichkeit von Gruppen besteht ja gerade darin, dass sie die Einzelnen über die Einsamkeit hinweg täuschen oder in eine falsche Solidarität zwingen, die Selbstverleugnung bedeutet. Jede Zugehörigkeit (selbst in der “Zweisamkeit”) engt ein, das ist klar. Als ich jung war, hat mich das in den Widerstand getrieben gegen die enge, beschränkte und kleinliche Frömmigkeit, aus der ich erwachsen bin. Und viele Jahre in die Verleugnung. Jetzt weiß ich, dass auch dies Heimat war (wie der Vater) und als solche immer schon verloren. Man wird zum Verräter, wenn man geht (und man muss gehen). Diese Schuld holt einen immer wieder ein.

      Die Art “Verrat” immerhin blieb Ihnen erspart, wenn es wahr ist, dass Sie sich nie “angehörig” fühlten. Aber ganz glaube ich das nicht.

    5. Gruppen bilden meist Gruppenzwänge, welche über meist restriktiv verlaufende Normierungen Teile der Realität ausblenden (wollen).
      Verhärtungen sind die Folge und desweiteren zähe Verhandlungsrunden von Gruppe nach Gruppe.
      Selbstverleugnung entsteht in einem sich an eine Gruppe anpassenden Subjekt, welches letztlich dazu befähigt sein könnte in mehreren untereinander zerstrittenen Gruppen mitzuagieren.
      Angebliche Sachzwänge symbolisieren oftmals gerne schnöde Eigeninteressen von einzelnen Gruppen ( meist von Lobbies ) – meistens steht aber nur korrupte Theorie gegen korrupte Theorie unter dem Deckmäntelchen “objektiver” Wissenschaftlichkeit.
      Da bin ich nur noch emotional dabei und daraus spricht dann mein zur Welt stehendes Ich als eine art philantropisches Ich, welches den Erfolg anderer ähnlich
      freudig zur Kenntnis nehmen darf wie den eigenen Erfolg, verknüpft sich das jeweils mit zivilen & damit schönen Ergebnissen.

    6. @MelsuineB. Ganz stimmt es auch nicht. Ich hatte, seit ich fünfzehn/sechzehn war, eine “Sehnsuchts”-Familie: die Kunst, vertreten durch den, meinte ich, Literaturbetrieb. W i e stark das in mir wirkte, kam über dreißig Jahre später in meiner Psychoanalyse heraus. Er war tatsächlich für mich ein Übergangsobjekt, bei dem aber der Übergang verlorenging, der sich also chronifiziert hatte. An der Emanzipation davon arbeite ich bis heute; zu verstehen, daß man “nicht dazugehört”, was i m m e r bedeutet, man werde n i e dazugehören, war schon schmerzlich genug, sich daraus zu befreien, ist eine unablässige narzißtische Kränkung, die man sich selbst zufügt. Bis es geschafft sein wird. Es ist unumgänglich.
      Als mich vor Jahren, 1995, Wilhelm Kühlmann zum ersten Mal traf, vor einer Lesung in Mannheim, ich werde das nie vergessen – Kühlmann ist d e r Kritiker, der mich mit einer Eloge n der FAZ in den deutschspachigen Literaturkanon endgültig hineingehoben hat (Sie müssen nur mal >>>> im Killy lesen) – … also Kühlmann kam auf mich zu und sagte als allerallererstes: “Sie sind Herbst. Jetzt verstehe ich. Und ich kann Ihnen sagen, weshalb man Sie irrational ablehnt und immer ablehnen wird: Sie haben keinen Stallgeruch.”

    7. Kein Stallgeruch – das kenne ich gut. Und die narzißtische Kränkung. Das “Nie”. Wenn man es akzeptiert, kann es aber befreiend wirken. Zwar ist man nie sicher. Aber Sicherheit macht auch selbstgefällig (das ist was anderes als Eitelkeit). Wenn man balancieren muss, bleibt man angespannt. Was gut ist.

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