Wieder das Kinderbuch. Wie dieser Tag begann. Das Arbeitsjournal des Sonntags, dem 2. Januar 2011. Nächstes zu Friedrich II. Dann eine Unterbrechung. Und nachmittags: Allan Pettersson wieder einmal.

11.25 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Ich schaff es einfach nicht, vor zwei oder drei Uhr nachts ins Bett zu kommen. Also schaff ich’s auch nicht, um halb fünf aufzustehen. Das muß sich ändern. Jedenfalls, gestern abend und nacht: ich las, dann guckte ich Film, dann las ich wieder, trank meinen Wein, rauchte, schlief noch am Schreibtisch ein, riß mich zusammen, legte mich schlafen, überhörte, na logisch, den Wecker.
Latte macchiato, Morgenzigarette, Morgencigarillo. Im Kopf >>>> Wolfgang Stürners Friedrich-II-Biografie, deren ersten Band ich bereits zur Hälfte durchhab, parallel dazu in >>>> Boockmanns „Stauferzeit und spätes Mittelalter” geschaut, einem von zwölf Bänden Deutscher Geschichte, die mir zu meinem Vierzigsten, also vor fünfzehn, bald sechzehn Jahren die Frankfurtmainer Freunde geschenkt und die völlig anders wertet als Stürner; noch einmal anders wird sich >>>> der Rader lesen. Immerhin bekomme ich wichtige Details, etwa der ersten Reise von Sizilien nach Deutschland. Der Seeweg erst, na klar! Gaeta – Roma – Genova; ab da wird’s spannend: der Landweg über Pavia, Cremona, Verona bis Trient, dann übern Reschenpaß ins Engadin. Das ist, wörtlich, nachzugehen. Bookmann spricht von Friedrich als einer Erfindung des Papstes. Das ist nicht ohne historische Ironie, ja nicht ohne historischen Sarkasmus, wenn man sich die spätere Entwicklung vergegenwärtigt und daß Friedrich das Vermächtnis seines Vaters Heinrich erfüllen will, von Anfang an, nämlich weltliche und geistliche Herrschaft wieder zusammenzuführen, was einer entschiedenen Schwächung der römischen Kirche gleichkommt. Aber abwarten. Ich selbst, momentan, bin noch Ghibelline.
Jedenfalls mit so etwas aufgewacht, den Ofen versorgt, dann plangemäß das Kinderbuch endlich wieder vorgenommen, die bereits projektierten Seiten noch einmal gelesen und schon durchkorrigiert. Eigentlich wird es, in meinem Verständnis, ein Jungenroman, einer f ü r Jungen, was Mädchen zwar mit einschließt, aber ihre Wildfangnaturen, jene mit den aufgestoßenen Knien, nicht die in rosa Röckchen oder die sich Herzchen auf den Nagellack tupfen. Diddlmäuse, ich geb es gern zu, haben in diesem Buch keinen Platz.

Grrrrr -: …. Anruf des Vaters der Freundin meines Jungen: er liege krank bei ihm. Wieso werde ich darüber erst jetzt informiert? Der Junge wollte gestern bei seiner Mama schlafen. Die aber offenbar nicht dawar, aus einem Grund, den ich nicht erzähle, denn er geht mich nichts an. Wohl aber geht mich an, daß mein Junge nicht, krank, her zu mir kam. Also ich schieße da jetzt mal rüber, mit Medikamenten und frischer Kleidung für ihn.

21.40 Uhr:
[Allan Pettersson, 2. Violinkonzert (revidierte Fassung).]
Dann war doch alles anders; weißGöttin, was mein Junge mir und dem andern Vater an die Bcke geschwätzt hat; er hätte ohne weiteres bei der Mama sein können. Das hat dann ein Telefonat ziemlich schnell geklärt. Was ein Racker! Na gut. Morgen, mein Bürschlein… morgen –

Dann kam M. und brachte meine zerstörte Musik-Festplatte wieder. Er hat sie tiefgekühlt, dann ein wenig, wie sagenhaft auch immer, behandelt – und alle Musikdateien wiedergewonnen, nahezu 150 GB, darunter seltene Aufnahmen oder solche, die es nur einmal gibt, bei mir – und die Platte selbst funktioniert auch wieder. „Aber rechne damit, daß sie jederzeit versagen kann. Man steckt nicht drin. Fehler jedenfalls hat sie.”
Immerhin, wir haben alle Dateien auf meiner Backup-FP zusatzgesichert. War mir nie eingefallen, daß ich, was ich für meine Arbeitsdateien als Routine fast täglich, wenigstens einmal pro Woche besorge, auch für die Musik tun sollte. Man wird aber auch aus grad noch entgangenem Schaden klug. Und während die Dateien von hie nach da hinüberliefen, hörten wir beide Musik. Es wurde ein wirklicher, ein intensiver Nachmittag, erst mit zwei schönen Konzerten Respighis, dann stellte ich dem Freund >>>> Allan Pettersson vor, der für mich, kaum daß er anklingt, sofort wieder Droge wird. Wir hörten freilich nicht mein Hörstück, sondern Petterssons Musik direkt: das 2. Violinkonzert in der ersten Fassung, dann die 16. Sinfonie mit Altsaxophon. Dabei sprachen wir kaum. So ging das bis vor einer halben Stunde, Cigarillos und Ardbeg’s Malt dazu, unterfrischt von mehrmals Espressi. Und weil ich trotz alldem recht gut gearbeitet habe, kommt mir der Tag sehr erfüllt vor. Allerdings will ich jetzt noch etwas in Stürners Friedrich-Biografie weiterlesen.

Auch die Löwin meldete sich, die mir mittags eine so liebevolle wie lusthungrige Mail geschrieben; wir wollen zur Nacht telefonieren. Und wieder wunderschön, übrigens, ist >>>> Bruno Lampes Tagebuch heute.

5 thoughts on “Wieder das Kinderbuch. Wie dieser Tag begann. Das Arbeitsjournal des Sonntags, dem 2. Januar 2011. Nächstes zu Friedrich II. Dann eine Unterbrechung. Und nachmittags: Allan Pettersson wieder einmal.

  1. Allan Pettersson Endlich begegnet mir mal jemand, für den Allan Pettersson Droge ist. Ich halte ihn nach Mahler für den größten Symphoniker des vorigen Jahrhunderts. Warum nur kommt er in den Spielplänen so wenig – eigentlich gar nicht – vor. Er ist gewaltig und betörend. Man kann nach seiner Musik süchtig werden, ja!

    1. @Brunopolik zu Pettersson. Daß Pettersson so gut wie kaum vorkommt, jedenfalls außerhalb Schwedens, aber auch in Schweden selbst steht, meinem Eindruck nach, seine konzertische Präsenz zu seiner kompositorischen Bedeutung in eklatantem Mißverhältnis, hat viele Gründe. Zu denen zählt nicht zuletzt, daß der querköpfige Mann nicht sehr handhabbar gewesen ist; aber auch kompositorisch steht er massiv gegen die Zeit. Dabei hat er nicht nur vor sich hingewerkelt, sondern Komponisten seiner Generation, die seriellen Techniken nahestanden, auch mehr oder minder aggressiv der Unmenschlichkeit geziehen. Da zudem sein Kompositionsverfahren seinerseits in seiner Qualität immer wieder scharf bezweifelt wurde, sich seine Musik aber trotz ihrer tonalen Bindung nicht einfach konsumieren läßt, hatte er auch im Publikum letztlich kaum einen Rückhalt. Die Zumutungen der Neuen Musik sind immerhin über Szenen gedeckt, bzw. gedeckt gewesen, auch über die Musikphilosophie zum Beispiel Adornos, die enorm auf Boulez gewirkt hat, der heue nahezu unumschränkt und durchaus diktatorisch die Geschehen der Neuen Musik bestimmt: ihre Wertungen, ihre Aufführungen, ihre Wirkung auf Dirigenten. Pettersson ist ein Klotz, der fast unsozial dasteht – das hat Tragik, wenn einem klar ist, von welch humanistischem Impuls der Mann getrieben war – aber auch den, nämlich tönende Gestaltung von Leid, hat man ihm immer wieder als Verfallensein ans Selbstmitleid herumgedreht. Daß sowas von Leuten kam, die es sich ganz gut in ihren jeweiligen Betrieben eingerichtet hatten und haben, ist nicht ohne Zynismus.
      Ein Hauptproblem der Rezeption Petterssons ist ganz gewiß sein Pathos, das erst mit der Postmoderne und den folgenden Neo-Romantiken wieder diskutabel wurde; denken Sie an die Kehre Pendereckis. Der aber hat vorher in den bereits kanonisierten Kreis der Neutöner gehört. Pettersson nie. Wiederum der Kitsch Arvo Pärts gilt als Widerstand gegen Sowjet-Doktrinen legalisiert.
      Pettersson hat auch persönlich denen, von denen er eigentlich abhängig gewesen wäre, gern ans Schienbein getreten, dem Vernehmen nach. Daß all sowas von der Bewertung seiner kompositorichen Größe müßte unabhängig sein, kann man nur vergeblich fordern. Dagegen tun läßt sich nur stetes und wiederstetes Einfordern, ein eigenes Beharren auf der Bedeutung Petterssons auch gegen die offenbaren Widerstände. Wenn wir’s schaffen, für ihn andere zu begeistern, wird sein Werk erhalten bleiben. Gutta cavat lapidem, non vi sed saepe cadendo.

  2. Allan Pettersson Mehr zufällig begegnete ich durch facebook jetzt erst Ihrer Antwort auf meinen Kommentar zu dem “Klotz” Allan Pettersson. Es eilt, sich für diesen außerordentlichen schwedischen Komponisten zu engagieren. Denn die Zeit dafür ist nach Adorno/Boulez-Jahrzenten reif – ja überreif!

    Ihre Ausführungen sind interessant und spannend. Der große Dirigent Albrecht schämte sich schon vor mehr als 15 Jahren dafür, dass für diesen Komponisten nicht mehr getan wird. Damals 1994/95 fand im norddeutschen Raum ein Festival mit 67 Konzerten in 27 Städten statt, wo wir Pettersson mit seiner Siebten erstmals kennen lernten. Dann hörten wir ihn noch ein- oder zweimal. Und nun findet so lange schon die große Stille um ihn statt. Nur in seinen CDs von jpc ist er uns unverändert präsent. Mehr am Rande erscheint wieder mal eine Würdigung, und zwar im Rahmen aller kaum bekannten schwedischen Komponisten in einem schönen Beitrag mit dem Titel “Stimmen aus einem unerhörten Land” von Volker Tarnow im immer lesenswerten Magazin der Berliner Philharmoniker.

    1. @Brunopolik. Adornoboulez. Zu Pettersson. Dann nimmt es etwas wunder, daß die Philharmoniker Pettersson nicht auch aufführen. Oder ist dergleichen geplant? Falls Sie näheres wissen, bekäme ich gerne bescheid.

      Im Jahr 2006 schrieb ich für Pettersson ein “Requiem”, das Bernd Leukert – seinerzeit noch Leiter der Neuen Musik des Hessischen Rundfunks – und ich dann für den hr produzierten und >>>> das von dem Sender auch ausgestrahlt wurde. Sowohl Leukert als auch ich bemühen uns derzeit wegen des Pettersson-Jubiläums um eine Wiederholung, bzw., bei einer anderen Funkanstalt, um die Übernahme der Sendung. Ob das klappen wird, ist noch ungewiß. Sollten Sie an dem Stück interessiert sein, schreiben Sie’s mir bitte unter Verwendung des ;>>>> fiktionären Kontaktformulars. Ich melde mich dann bei Ihnen.

      Als selber sehr von Adorno geprägter Künstler stößt mir Ihre Bemerkung zu Adorno/Boulez um so bitterer auf, als ich weiß, daß Sie recht haben.

    2. Keine konkrete Konzertankündigung der Berliner Eine konkrete Konzertankündigung der Berliner Philharmoniker haben auch wir leider nicht gefunden. Aber der Hinweis auf Pettersson müsste verpflichten!

      Am “Requiem” bin ich natürlich interessiert. M.E. findet ein Umbruch statt, nicht nur in der Musik. Ich finde die Musik in den letzten Jahrzehnten bei aller Widersprüchlichkeit und Technikverliebheit als adäquaten Ausdruck der Zeit, in der sie geschrieben wurde wunderbar und ich schätze viele der Komponisten, vor allem auch Stockhausen. Aber Leute wie Henze und eben auch Pettersson haben daneben ebenfalls Bestand. Adorno/Boulez sollte nicht so destruktiv klingen, wie es offenbar bei Ihnen angekommen ist.

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