Lärm (2).

Auf manche Ideen kommt man direkt aus der Arbeitssituation heraus: Wie ich am Schreibtisch sitze, die Staxhörer auf den Ohren und die Kunstkopfaufnahmen aus Palermo abhöre, wie mir Mopeds quer durch den Schädel fahren, ich zusammenzucke, weil hinter mir ein schwerer Gegenstand aufschlägt, und wie ich dann im Botanischen Garten flaniere, Vögel zwitschern, ein paar junge Leute scherzen auf und vor einer Bank, und alles wird grundiert von dem immerwährenden Rauschen, das nur bisweilen Hupfunken an wirkliche Autos binden, an wirkliche Mopeds. Es ist beeindruckend, mit welcher Insistenz die Maschinen akustisch unsere Städte bestimmen und wie sehr wir uns daran gewöhnen. Wir gehen über einen metropolenweiten, höchst dissonanten Klangteppich, in dem wir bis zu den Knien versinken. In südlichen und allen Städten der Dritten Welt ist er der Garant dafür, daß man lebt. Turbas faco, ergo sum.

[Eine O-Ton-CD später: Ich ging eben durchs Schweigen der Mumien in den Kapuzinerkatakomben Palermos, das zwar kein Schweigen ist, sondern die elektrische Lichtanlage brummt derart laut und unentwegt, doch wird es eben dadurch fast nicht ertäglich. Wer sich hat mumifizieren lassen Mitte des 18. bis in die Zwanziger des 19. Jahrhundert hinein, wird nun von einem Tinnitus gequält, der nicht hoch, sondern baßhaft ist… so wenig zu orten wie ein phasenverkehrtes Geräusch. „Dann doch lieber wieder Erde werden, nicht wahr?“ sage ich zu drei deutschen Touristen, deren einer den Tod aus der seinerzeitigen Mumifizierungspraxis sachkundig hinwegerklärt.]

{Zur Seite getuschelte Anmerkung zur Lesbarkeit des hier versteckten Links: Etwas längere Texte stellen wir ausschließlich in die entsprechende Rubrik.} herbst & deters fiktionäre

4 thoughts on “Lärm (2).

  1. Stax? Kunstkopf? Mein erster Gedanke war: das ist so weit weg, vor 10 oder 15 Jahren konzentrierte sich die “Unterhaltungselektronik” noch um die Individualisten, die gerne auch viel Geld für Ihre Klangträume (in Form eines teuren Elektrostaten, vielleicht noch mit Röhrenverstärker) ausgeben. Es ist auch bemerkenswert, wie die Musik aus dem Radio unsere Metropolen verschmutzt, uns umgibt mit einem einlullenden Klangteppich, der uns harmonisch verdummt und uns unserer Fähigkeit beraubt innovativ zu sein. “Klingt” verbittert – ist aber auch so.

    1. Die Klangträume sind unter anderem mein Arbeitsmaterial. Und die Medien für meine musikalischen Räusche.

      Für Verbitterung übrigens besteht wenig Anlaß. Denken Sie an Cage, der in seiner New Yorker Wohnung die Fenster aufrissen und dem Interviewer zurief: “Da! Hören Sie! Das ist M u s i k!” Wir können, was uns umgibt, f o r m e n.

  2. Süß, daß er “wir” sagt. {Genauso zur Seite getuschelt – I h r e Wortwahl, mein Gutster -: Der Autor in der Verdopplung – oder wie?}
    DD dito: Fiktionär.

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