Judith in London (2).

Er hatte sich nicht umgezogen; es sah nicht einmal so aus, als hätte er zwischenzeitlich etwas erlebt oder getan. Sogar das Aktentäschchen hielt er noch unterm Arm. Für einen Moment hätte man auch ihn für einen Unsterblichen halten können, so sehr wirkte er jeder lebendigen Tätigkeit entrückt und so wenig dem Alltag gehörig. Er liebte es, diesen Eindruck zu machen. Anders als die Frau lebte er nur in Absicht. Nichts war ihm ferner als realitätsfremde Schwärmerei; und genau dem kam der gegenteilige Eindruck zupaß. Mit sieben Jahren bereits hatte er seinen Lebensplan entworfen und sich bedingungslos an ihn gehalten. Hürden pflegte er zu unterlaufen; zu springen wäre ihm lächerlich vorgekommen. Alles an ihm täuschte wie sein Name. Es zogen sich Schleifspuren von Überwältigten hinter ihm her, von hintergangenen Freunden, überlisteten Lehrern, ausgetricksten Professoren. Er war auf bestem Wege, ein bedeutender Jurist zu werden. Und das war der Geruch, den die Frau schon mittags in die Nase bekam; aus keinem anderen Grund hatte sie so unerdenklich flink von ihrem Tonic Water hochgesehen.
Nun sah Mahmut sie sofort. Auch mittags hatte er sie gesehen, aber er hatte sich nicht anstrengen wollen. Jetzt dachte er: Sieh an, sie erkennt mich wieder.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .