10 thoughts on “Von Paglia.

  1. Einspruch! Historisch:
    Bathory, Erzsebeth

    Zeitgenössisch:
    Almarez, Stella Delores
    Archer-Gilligan, Amy
    Gallego, Charlene
    Powell, Frieda, Becky
    van Houten, Leslie
    Wuornos, Carol, Aileen
    Zimmermann, Marina, Anna

    Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

    1. Gerade auf Erzebeth bezieht sich Paglia an der zitierten Stelle. Ich bin jetzt nicht in der Arbeitswohnung, trage aber die Stelle nach. Soviel nur: Die Barthory ist eine Entsprechung zu Gilles de Rais, nicht zu Jack the Ripper.

      [Aber ich gebe zu, über diesen Einspruch recht froh zu sein.]

    2. Es gibt keinen weiblichen Mozart, weil die gesellschaftlichen Verhältnisse so waren, wie sie waren. Es gibt aber genügend weibliche Monster, weil die gesellschaftlichen Verhältnisse so waren, wie sie waren und so sind, wie sie sind. (Lyndie England fällt mir aktuell ein, ich bin nicht so auf dem laufenden wie Randolph Carter). Das eine Phänomen (Genie) ist deshalb auch nicht die Bedingung des anderen (Serienmörder), sondern alles wird durch die vorherrschende Gesellschaftsform bestimmt, die ich nur ungern Patriarchat nennen will, weil diese Bezeichnung immer auch eine Anklage enthält. Ich will aber nur konstatieren. Bitte die genaue Fundstelle angeben. Ich habe irgendwo die “Masken der Sexualität” herumfliegen und wüsste gerne den Zusammenhang des Zitates (falls es DARIN zu finden ist, könnte ich nachlesen).

    3. Bekommen Sie. Schrieb ich schon vorhin, ich bin nur jetzt nicht in der Arbeits-, sondern der sogenannten “Kinderwohnung” meiner Zwei-Väter-WG. “Die Masken der Sexualität” gehören neben Hofstaedter, Ranke-Graves, Walker, Grimms “Deutschem Aberglauben”, Negt & Kluge sowie Benjamins Passagenwerk und den vier grundlegenden monotheistischen Büchern (Talmud, Bibel, Koran, Buch Mormon) zu meinen unmittelbar greifbaren poetologisch einflußreichsten “Handbüchern”. Hineingeschmuggelt (*lacht auf*) hat sich auch noch Donna Harraway.

      Ich finde in keiner Weise, daß “Patriarchat” eine Anklage enthalte. Der Begriff bezeichnet sehr genau, was der Monotheismus angerichtet hat, und die Paglia ist da auf einer höchst beachtlichen Spur. Um es s o zu sagen: Wenn, wie neuerdings die Forschung bemerkt, der Verzehr einer Curry-Wurst nicht auf die Gene selbst, aber auf ihre Aktivierung grundlegenden Einfluß haben kann, dann hat die patriarchale Dynamik möglicherweise Seelen nicht nur sozial geformt. Es ist mir bewußt, daß es sich bei dem letzen Satz um einen skandalösen handelt.

    4. Ich wollte nicht drängeln Es eilt ja nicht. Wegen des Patriarchats: Ich benutze den Begriff als Frau nur ungern. Wenn Frauen ihn benutzen, klingt er manchmal anklagend, viel zu wenig beiläufig und substantiell, aber das ist nur meine Empfindung. Gleichzeitig impliziert er immer sein Gegenteil: Matriarchat. Nicht zu greifen, eine gesellschaftliche Struktur, die sich im Nebel der geschichtlichen Mutmaßungen verliert und als rarer Status quo nur noch bei entlegenen indischen Bergvölkern (oder so) von Ethnolog(inn)en mit einem gewissen Übereifer beschrieben wird, zur Sozialutopie geworden ist. Das alles will ich vermeiden.Es ist halt so, wie es ist. Die Antwort auf alles, was schief gelaufen ist, kann nicht Matriarchat heißen, und das ist eigentlich immer konnotiert, wenn man den Begriff Patriarchat benutzt. Oder vielleicht auch nur in meinem Hirn.

      Aber ich meinte natürlich tatsächlich Patriarchat:-).

      Ich mag Curry-Wurst übrigens ganz gerne.

    5. Lächelt. Ich mag Curry-Wurst nur, wenn ich – verzeihen Sie das Neu-“Deutsch”, aber hier gehört es hin – echt scheiße drauf bin. Damit es mir dann noch schlechter geht und ich einen Grund habe, sozusagen die Seele in den Stoffwechsel verschiebend.
      Ja, Ihre Idiosynkrasie gegenüber “Matriarchat” verstehe ich gut, obwohl ich sie – als Mann – nicht teile… schon deshalb, weil mir Geschlechterkampf Lust bereitet… und wer wollte schon einen schwachen “Gegner”? Das wußte bereits Cäsar.

      Und abermals mein Lieblingswort: D e n n o c h:: Der Begriff Matriarchat ist weniger historisch-vernebelt, als mehr utopisch. Und wie kräftig er sein kann, haben die Dichtungen der Christa Reinig, vor allem aber der Wienerin Marianne Fritz gezeigt (bei der Fritz bis “Dessen Sprache du nicht verstehst” – danach wird es leider pathologisch privatistisch… oder, kann auch sein, ich kapier das nur nicht). Mein Wolpertinger-Roman hat von allem Anfang an – freilich sehr von Ranke-Graves geprägt, Harraway kannte ich damals noch nicht, auch nicht Judith Butler – mit einer solchen utopischen Gegenwelt gespielt. Matriarchat k a n n die Antwort also s c h o n sein, aber eben nicht als historischer Begriff. In den letzten drei Jahren tendiere ich dazu, Harraways Überlegungen für zeitgemäßer zu halten, auch wenn sie auf nicht ganz unbedenkliche Weise die Technologie seelisch affirmieren. Es ist ja nur ein Ansatz… wie im übrigen dieses Literarische Weblog auch. Was daraus werden wird, kann ganz sicher keiner sagen. Gefordert sind Leidenschaft, also Intensität, Sinnlichkeit (g a n z wichtig, gerade in diesem Medium!, – immerhin sind wir physiologisch) und Neugier.

      P.S.: Neugier schließt Vor-Urteile aus. Sowohl was die neue Kommunikationsform selbst, als auch, was die über sie realisierbar erzählte Sexualität anbelangt. Also das, was man völlig unscharf “Pornografie” nennt.

    6. Frage der Perspektive… Ob allerdings de Rais nicht eine französische Entsprechung zum Ripper ist, lässt sich letztlich auch nicht endgültig bestätigen oder widerlegen.
      Solange über die Motive des Ripper kein genaueres wissen herrscht -vermutlich also nie- bleibt seine Motivation im Dunkel. Bei Bathory oder de Rais ist mehr Tathintergrund dokumentiert.
      Unterstellt man dem Ripper aber die “üblichen” neuzeitlichen Motive -abweichend von dR und B – so bleiben doch noch die neuzeitlichen weiblichen Ripper-Äquvalente übrig.
      Ich finde es sowieso merkwürdig, Mozart und den Ripper in einen Topf zu schmeißen, sind die “Schöpfungen” der beiden doch völlig unterschiedlicher Natur.

    7. Zu Ihrem letzten Satz. Das ist gerade eine der skandalösen Essenzen bei Paglia (einer Frau): daß sie genau das bestreitet.

      Im übrigen handelt es sich bei solchen Sätzen – die ich auch deshalb als Denk- und Fühlanstöße bisweilen ganz unkommentiert in Die Dschungel stellte – um Provokationen, bei denen ganz besonders interessant die Emotions-Ränder sind, die sie berühren. Es ist dafür fast unerheblich, ob es sich um “richtige” oder “falsche” Sätze handelt. Deshalb finden sich in meinen Paralipomena einige, die sich nach den Gesetzen des Kalküls des Logischen Schließens schlichtweg widersprechen. Das ist durchaus nicht unbewußt.

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