“Was wissen Sie alles”? fragte sie.

Der Mann schwieg.
Sie saßen einander gegenüber, Gläser zwischen ihnen, an denen Kondenswasser perlte, obwohl es auch drinnen kalt geworden zu sein schien. Der Aschenbecher schräg links seitlich von ihr.
„Was w i s s e n Sie?“ fragte sie wieder. „Bitte!“
Er schwieg weiter. Rechts von ihm ihr BH, sichtbar auf dem Tisch. Nur selten deckte er ihn halb mit der Hand zu, wenn von den Nachbartischen allzu pikierte Blicke herübergeworfen wurden. Die Frau saß wie präsentiert, das wollte er nicht.
„Barmherzigkeit“, sagte er leise.
Die gutgekleidete Frau verstand ihn nicht, akustisch nicht.
„Wie bitte?“
Er schüttelte leicht den Kopf, schob ihr den BH hinüber, gab ihn ihr zurück.
„Heute nicht“, sagte er. „Ich möchte Sie nicht verletzen. Überlegen Sie es sich noch einmal.“
„Ja“, sagte sie, „Sie haben recht.“
Beide schwiegen.
Eine nicht sehr große, aber resolute Frau um die vierzig war es, die ihren Körper gut trug, die ihren Willen gut trug. Stellvertretende Geschäftsführerin eines Juweliers in der Friedrichstraße. Sie bildete aus, sie liebte es sichtlich, sich auf Parkett zu bewegen. Die Zurückweisung würde endgültig sein, sie hielte es nicht aus, so weit gegangen zu sein. Vor zwei Stunden hatten sie sich zum ersten Mal gesehen, ein paarmal gechattet vorher und einmal telefoniert.
Er erhob sich.
„Ich bleibe noch zehn Minuten“, sagte er. „Aber ich bringe Sie zur Tür. Ich möchte Sie nicht kompromittieren.“

Er zahlte, nachdem sie längst gegangen war. Saß da wie verlassen.

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