Und dann die Diskussion über “Form”.

Nicht der Inhalt sei es, sage ich, was ein Kunstwerk zu einem Kunstwerk mache, sondern die formale Gestaltung des Inhalts; der Inhalt selbst sei ziemlich egal. Es komme auf Motivverkettung, Leitmotivführung, Schönheit der Metaphern und Rhythmisierung an. Sofort Altenburg neben mir: „Es kommt auch auf den Inhalt an. Kunst darf nicht inhaltslos sein.“ Und er bekommt heftig Applaus. Als hätte ich das, was er einklagt, aus Kunst hinauswischen wollen. Selbstverständlich muß ein Inhalt da sein, aber n u r der Inhalt ist völlig unwesentlich (n u r die Form hingegen kann durchaus wesentlich sein, wie die konkrete Poesie bewies).
Der Gedanke, der mich eigentlich leitete, geht unter und s o l l auch untergehen: daß nämlich die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Kunst a u c h die Form schützen muß, insofern eben die Form wesentliches Element der Kunst ist. Worauf in den Prozessen der verbotenen Bücher aber einzig abgestellt wird, ist der Inhalt. Das Wesen der Kunst, ihre Form, wird ausgeklammert und über etwas verhandelt und gerichtet, das für sich genommen, ohne die Form, gar nicht Kunst w ä r e.

6 thoughts on “Und dann die Diskussion über “Form”.

  1. 1. gibt es für mich selten gründe, die mich davon überzeugen könnten, kein misanthrop zu sein, weshalb ich mich dem ekelgefühl anschließe
    2. zitiere ich zum problem ‘form und inhalt’ bzw. umgekehrt NABOKOV (Das Bastardzeichen), wo ein Prof. Krug sich weigert eine petition an den neuen diktator Kröte zu unterzeichnen, was er u.a. auch so begründet: “Außerdem”, sagte Krug, “sind die Metaphern alle schief, während der Satz über unsere Bereitschaft, in den Lehrplan alles aufzunehmen, was dazu beitragen kann, das politische Verständnis zu fördern und unser möglichstes zu tun, syntaktisch ganz miserabel und auch durch mein Komma nicht mehr zu retten ist.”
    Man sollte Altenburg (den ich nun gar nicht kenne) einen briefsteller schenken und dem publikum nächstens eine diskussion zwischen Lou van Burg, Wim Thoelke und Peter Frankenfeld zum thema “Was darf der liebe Gott” bieten.

  2. sich nur am inhalt zu orientieren ist zwar ein beweis von banausentum, aber ein phänomen, das unserem oberflächlichen leben entspricht; bzw. dem leben der meisten, auch der meisten leser. das ist bitter, aber führt auch zu der erkenntnis, daß der, der die kunst zu hoch einschätzt, sich zum narren macht.
    und narr und weiser sind nahe beinander.

    1. unser: unser oberflächliches leben: meines und das der mehrheit der leser und nichtleser. – aber ich maße mir natürlich nicht an, das zu beurteilen.
      es zählt ja, wenn ich an die stadt denke, in der ich lebe, oder das land, immer die mehrheit: sie entschiedet, was geschieht, und sie beeinflußt maßgeblich die lebensatmosphäre. die mehrheit besteht aus der überzahl aller einzelnen.
      soll nicht heißen, ich hätte keinen respekt vor dem individuum; im gegenteil.
      aber (zit. friedrich torberg): “Die Masse tut immer das Dumme und bedauert es später.” – und deshalb die selbstironie des “unserem oberflächlichen leben” .. bin hier schließlich in wien. und es ist herbst. 🙂

    2. “Herbst in Wien”. Ja, das wäre jetzt fast zweifach konkret-codierte Wirklichkeit geworden. Lacht.

      Ich habe, nachträglich bemerkt, tatsächlich Schwierigkeiten mit dem oberflächlichen Leben. Ich finde es einfach zu anstrengend, um mich da hineindenken zu können. Es geht mir da wie mit der Musik. Pop ist für mich deshalb ein Problem, weil ich es nicht schaffe (weil ich nicht genug Kraft dazu habe), mich gegen die geballte Macht der ästhetischen Zumutung zu wehren.

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