Paranoia, poetisch.

Ein erzählender Dichter ist notwendigerweise Verschwörungstheoretiker. Wäre er das nicht, es fielen ihm keine schlüssigen, in sich geschlossenen Geschichten ein.

(XIIC).

6 thoughts on “Paranoia, poetisch.

  1. aber nur dann, wenn er ‘schlüssige, in sich geschlossene’ stories erzählen will, kann…
    tun das alle? ich meine, nur wenige. und auch sie betonen doch (manchmal) die relativität und (notwendige) fiktionalität ihrer stories.

    ersetze doch mal ‘dichter’ mit ‘politikerIn’ und ‘theoretiker’ mit ‘praktiker’, dann ist’s schlüssig… 😉

    1. Fiktionalität schließt Schlüssigkeit nicht aus. Sondern setzt sie voraus. In diesem Sachverhalt lauert ein Problem, auf das hinzuweisen ich bislang nie müde wurde. “Offene” Erzählungen hingegen täuschen, wenn sie offen s i n d, die Offenheit meist vor. Etwa an die Fragmente zu denken…

      Was ich zu zeigen – und zu schaffen – versuche, ist, daß Fiktionen (als Wirkung, wohlgemerkt) denselben Stellenwert denselben Stellenwert kausaler Verbindung haben und ein Teil geschlossener Systeme sind, völlig gleichwertig mit anderen, sagen wir materiellen Wirkfaktoren. Es sind hie wie da Informationen.

    2. du hast einerseits nicht unrecht, andererseits fühle ich mich bei dieser zustimmung nicht ganz wohl.

      information(en) ist alles: ob geruch, bilder, verschriftliches… darauf kommt es – glaube ich – nicht an.

      bestandteil des literarischen ist die fiktionalität. ob in sich geschlossen (dh. eine unmissverständliche aussage produzierend) oder nicht (mehrere möglichkeiten offen lassend) story bleibt story. der/die leserIn begibt sich bewusst in eine (andere) schein-welt. und kodiert deren infos auch als nicht-realität.

      zum unterschied etwa von historischen abhandlungen, die den anspruch erheben ‘zu zeigen, wie es gewesen’ (ranke). da wird ‘realität’ vorgegaukelt (letztlich sind diese ‘hist.abhandlungen ja auch nur ‘geschichten’).
      d.h. der literat ist kein (vor-)gaukler (oder ‘verschwörungstheoretiker) sondern eine der MÖGLICHE realitäten aufzeigt zum unterschied vom (alten) historiker, vom politiker, vom wissenschaftler schlechthin (sofern er sich nicht relativiert).

      mmh, argumentieren wir aneinander vorbei? oder liege ich falsch?

      ich glaube jedenfalls es kommt darauf an
      a) mit welchem anspruch welche information den konsumenten vorgegeben wird und
      b) wie er sie infolge seines habitus inkl hegemonialer umwelt-strömungen für sich und sein weltbildd ‘kodiert’…

    3. @kdany: Sie haben, in “klassischer” Auslegung recht. Nur hat spätestens mit Adorno die Ästhetik begonnen, einen Wahrheitsanspruch zu stellen – also Übereinstimmung mit Wirklichkeit zu formulieren -, der aus der schlichten Trennung der Sphären (hie Leben, dort Kunst) längst hinausgefallen ist. Deshalb überhaupt kam es erst zur Diskussion des Wertes von “Kunsthandwerk” ./. Autonomie der Künste. Tatsächlich erlauben künstlerische Zusammenhänge (Vor-Scheine) bisweilen genauere Aussagen und Erkenntnisse, als die wissenschaftliche Analyse, die deduktiv arbeitet und dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten verpflichtet ist, herstellen kann. Um Ihnen ein Beispielfür das, was ich meine, zu geben: Thomas Pynchon’s “Die Enden der Parabel” weiß mehr von politischen Zusammenhängen und ihrer Rezeption in den Köpfen und Herzen der Menschen als irgend ein theoretisches Werk der Politik- und Medientheorie. Literatur schreibt sich eben n i c h t nur zur Erbauung, sondern sie ist ein Erkenntnismodell. Näher habe ich das h i e r ausgeführt.

    4. das ist eine erschütternde, ja niederschmetternde wahrheit, herbst, mit der mir schlagartig die (wirklichen, neben dem vielen müll) kunstwerke der postmoderne be-greif-bar werden. für mich ist das jetzt ein kleiner bllitzstrahl, für den ich ihnen unendlich dankbar bin – war er doch ein fehlendes puzzleteilchen in meiner eigenen “ästhetik” auf einer bestimmten ebene (intuitiv wusste ich das schon länger) — danke.
      und ihr satz “Tatsächlich erlauben künstlerische Zusammenhänge (Vor-Scheine) bisweilen genauere Aussagen und Erkenntnisse, als die wissenschaftliche Analyse, die deduktiv arbeitet und dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten verpflichtet ist, herstellen kann” trifft auch auf kunstwerke vergangeneer epochen zu, wie etwa (natürlich auch) der klassik.

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