DTs. (5. Januar 2005).

4.45 Uhr:
[Wolfgang Rihm, Trompetenkonzert „Marsyas“.]

Daß ich meine ARGO-Vornahme gestern doch noch geschafft habe! Dafür war ich ziemlich erledigt dann abends und beim Billard schnell erschöpft. Später mit Eisenhauer die Idee der Mittwochslesungen noch einmal erörtert; es geht imgrunde nur um den Platz. Sein Vorschlag, das an die „Literarischer Salon“ genannte Veranstaltungsreihe Britta Gansebohms zu knüpfen, löste höchstes Mißbehagen bei mir aus. Ich mag ihre vorgebliche Institution nicht, die darauf aus ist, sich einen Namen im Literaturbetrieb zu machen, ohne tatsächlich selbst etwas anderes als Organisation zu leisten; Autoren, die da, ohne Honorar nämlich, lesen, werden letztlich dazu funktionalisiert, ihr „Ruhm“ zu verschaffen; ein typisch kapitalistisches, in diesem Fall auch noch grob ausbeuterisches Unternehmen, das den Vermittler höher wertet als den Produzenten; selbstverständlich nimmt sie, wegen Raummiete, Auslagen etc., auch Eintritt. Ein etwaiger Überschuß bliebe bei ihr. Egal. Meine Idee jedenfalls: Wie seinerzeit, als der WOLPERTINGER entstand, einmal wöchentlich vor Freunden und Bekannten aus ARGO lesen. Das zwingt mich, von Woche zu Woche jeweils genug Text beisammenzuhaben, um jeweils 1 – 2 Stunden daraus vortragen zu können. Seinerzeit in FFM hatte ich das in der Privatwohnung gemacht; die Arbeitswohnung ist dazu aber zu klein. Ich brauche also einen anderen Raum. Ein Salon wäre an sich schon gut. Es soll vor allem nicht öfffentlich sein; in dieser Phase der Arbeit kann ich publizierte Verrisse noch auf keinen Fall brauchen. Die kommen schon noch früh genug.
Danach kurzes Treffen mit dem anderen Gregor; kurze Verabredung anwaltlicher Dinge wegen getroffen. Und beide wissen wir noch immer nicht, wie das Urteil der ersten Instanz wegen des verbotenen Buches lautet. Ich habe absolut keine Lust, deshalb in Hamburg anzurufen. Hab genug Scheiße an der Backe. Kann mich nicht aus ARGO schleudern lassen. „Wenn du gewonnen hättest, wärest du vom Verlag schon angerufen worden.“ Gut, wir haben alle mit einem negativen Ergebnis gerechnet. Interessant wird der Prozeß erst vor BGH und Bundesverfassungsgericht werden.
Literaturbetrieb. Ich: „Mir kann zur Zeit nur noch ein Literaturpreis helfen, und zwar ein hoch dotierter. Ansonsten wird es furchtbar knallen. Und den bekomme ich nach Lage der Dinge nicht.“ Eisenhauer: „Das war doch immer so. Man mag das Gegenwärtige nicht, nicht das, was weiter ist. Es macht Angst. Du bist ihnen zu sperrig, du störst sie. Preise werden an das vergeben, was nicht widersteht. An die, die sich fügen. Zumindest müssen sie bereit sein, sich zu bescheiden.“ Zum Kotzen.






Tagesplanung




5.10 Uhr:

ARGO.

10.30 Uhr:

DIE DSCHUNGEL.
Post usw. (MF-Originale zurückschicken.)

12 Uhr:

Mittagsschlaf.

13 Uhr:

MF-Artikel lesen.
DIE DSCHUNGEL.

17 Uhr:

ARGO.
DIE DSCHUNGEL.
MF.

21 Uhr:

Eisenhauer treffen wegen des Ortes der ARGO-Mittwochs-Lesungen. Abgesagt.






11.18 Uhr:
[Rihm, Die Hamletmaschine.]

ARGO. ANDERSWELT., Teil II „Skamander“ als Rohling fertiggestellt. Völlig konzentriert, nur von wenigen Auflügen in Die Dschungel und ein paar Netzrecherchen unterbrochen, seit kurz nach fünf bis eben durchgearbeitet. Dabei auch – dank der Riehm-Oper, die ich überhaupt jetzt erst begreife – das Motto für NULLGRUND gefunden: Ich war Hamlet. Ich stand an der Küste und sprach mit der Brandung BLA BLA, im Rücken die Ruinen von Europa.

Heiner Müller, Die Hamletmaschine.

O h n e das BLA BLA, das ist flappsiger Unfug, der Angst vorm eigenen Pathos hat. Zugleich nochmal sämtliche Hauptmotive in die Coda hineingenommen, so daß einerseits die Simularität deutlich wird, sowohl des allegorischen Grundbasses als auch des kybernetischen und sozialen Realismus, von dem ARGO gesättigt sein muß, als auch eine rekapitulierende, also überschaubare Zusammenfassung dessen anschaulich wird, was als Erzählstrang noch geschlossen werden muß.

Jetzt werd ich ein bißchen „dschungeln“, dann Mittagsschlaf. Danach unbedingt die Bettelbriefe schreiben, die ich ständig vor mir herschiebe. Außerdem emails an Zenke etc. wegen zugesagter Funk-Aufträge. Daraufhin die Marianne-Fritz-Artikel zu lesen beginnen. Am Abend werd ich dann ARGO lesen, soweit der Text bislang steht, um die Erste Fassung vorzubereiten, die nächste Woche wegen Döblin-Preis und Berlin-Stipendium hinausgeschickt werden muß. O h n e Nullgrund: „Laß das sein“, riet Ricarda Junge, „du provozierst die Leute sowieso schon genug, gibt ihnen nicht auch noch d i e s e Kost zu fressen. Einfach aus Klugheit.“ – Ihres Lächelns wegen will ich denn klug s e i n.

14.29 Uhr:
[Janácek, Das schlaue Füchslein.]

Ersten Bettelbrief rausgeschickt, an den Deutschen Literaturfonds, als Email. Ein ziemlich widerliches Gefühl, so gegen den eigenen Stolz anzugehen. Aber es geht auch um den Roman; wenn ich mir das so immer wieder laut vorsage, dann komm ich klar (auch wenn ich das als eine Ausrede empfinde).

Quellenangaben für den Phantastik-Essay rausgesucht und weggeschickt. Hatte ich völlig verschwitzt.

18.06 Uhr:
[Klaus Huber, Ecce homines für Bratsche und Streichquartett.]

Dann abermals zwei Betttelbriefe, nachdem der erste schon bedauern ließ… Die ganze Zeit so ein Zeug formuliert. Das ist schon ein Kreuz. Mit einer Freundin kurz drüber gemailt. „Denken Sie einfach, dass betteln ein Teil Ihres Berufsbildes ist.“

23.33 Uhr:

Längere Mailwechsel, ein paar Gespräche im Netz, leichte Müdigkeit. Viel Neue Musik gehört, weil das so klärt. Mit I. telefoniert, eventuell kommen sie und die Kinder Samstag/Sonntag her. Brem kommentiert wieder, ein seltsamer, sehr klarer Ton der Warnung grundiert seine Texte. Zudem die Korrespondenz mit der Freundin. N o c h so ein Satz, der mich stutzen läßt: „mein hang zu papier und bleistift ist keine neue konservative attetuede wie bei so vielen leuten um uns herum. ich habe schon als kind jeden schnipsel bemalt oder mit wichtiger kindergeheimschrift beschrieben.“ Der mich einen Augenblick lang verharren, auch Verlorenes bedauern ließ, bei dem ich doch zugleich überzeugt bin, hier wird wirklich von Geschichte geschrieben, h i s t o r i s c h e r Geschichte. Von etwas, das eigentlich schon vorbei ist, während man es noch liebend betreibt. (Betreibe ich selbst es? Ich lese erschreckend wenig seit einiger Zeit. Und kaum noch etwas ‚nur für mich’. Das war einmal anders; irgendwoher muß die mir nachgesagte Bildung ja stammen. Aber es ist so wenig da, das wirklich fesselt; manches von Krausser, auch wenn der gern mit den Speckschwarten nach seinen Lesern schmeißt; vieles von Böhmer… dann fang ich schon nachzudenken an. Ja, Marianne Fritz. Sonst sind das alles, um mit Dr. Lipom zu sprechen, Fernsehserien. Ich bin ungerecht, ich weiß. Aber bei meinen try-and-error-Proben kommt allzu oft der error heraus. Das ermüdet. Da schreibt man sich, mit Tucholsky gesprochen, seine Literatur lieber selbst.)

Arbeitsfortschritt:
ARGO, bis TS 196. (Rohling Teil II abgeschlossen.)
ARGO-Rohling auf die Erste Fassung umformatiert und angelesen
(noch in 1-zeiligem Abstand).
Bettelbriefe.
Korrespondenzen.
DIE DSCHUNGEL.