Beziehungsunfähigkeit. Physiognomie der Kunst (2).

Kunst wird anstelle der fehlenden oder gescheiterten Mutter-Repräsentanz zum libidinösen Ersatzobjekt, in das reife Libidoobjekte wie abgesplitterte Repräsentanzstücke integriert werden müssen; sie sind aber logischerweise nicht mit dem Kunst-Objekt kompatibel und wollen das berechtigterweise auch gar nicht sein. Genau das schafft die Konflikte, die sich letztendlich in der Beziehungsunfähigkeit des Künstlers ausdrücken. Im 19. Jahrhundert nannte man das “Einsamkeit”. Hierher rührt das melancholische Element aller Kunst. Es ist immer ein Teil Verzweiflung in ihr – nur daß sie, anders als die individuelle Depression, die Verzweiflung herumdreht, nämlich pervers s c h ö n macht, und zwar mit zunehmender Reife des ästhetischen Konstrukts. Kunst interpretiert aus dem Elend Lust.

Arbeitet der Künstler, den Kunst diesermaßen als Mutter-Repräsentanz trägt, konsequent, so entsteht zwar ein überindividuelles Werk; persönlich bleibt es aber immer auf das frühkindlich angelegte Ersatz-Objekt bezogen, ja wäre ohne es nicht existent. Die bei einem gelungenen Kunstwerk sich einstellende Transzendenz leistet insofern immer der Rezipient, nicht der Künstler selbst. Das Kunstwerk löst sich von der Mutter, nicht hingegen der Künstler. Wenn er nicht permanent weiterarbeitet, entfremdet sich ihm sein Werk obendrein: Es gleitet ins Allgemeine, worin er selbst eben n i c h t aufgehoben ist. Deshalb stets das n e u e Buch.

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