9. März 2005. Mittwoch.

5.45 Uhr:

Die ersten Vögel singen draußen. Es ist unvermittelt warm geworden, ich muß nicht einmal das Fenster schließen. Freilich feuert der Alkohol von gestern nacht in mir durch mich nach. Viel zu spät wieder erwacht, ich will notieren, skizzieren, zu ARGO weder Kraft noch Lust. Abwarten, was mit dem Konto geschieht, wann die ersten Zahlungsaufforderungen eingehen, was der Notfonds der VG Wort beschließt usw. Traurigkeit wegen I., die Wut ist fast ganz weg. Eine Art nüchterne Melancholie. Dazu gestern I., noch v o r dem Bruch:weisst du – manchmal kommt es mir vor, als lebte jemand als schriftsteller und freidenker auf einem anderen planeten, ausgestoßen, allein, einsam, langsam vor sich hinfaulend…Und ich spüre, wie sehr sich alles verändert hat in den letzten drei Jahren, in mir, um mich herum, ich merke wieder diese permanente, manchmal nur heimliche Depression, die mir früher nicht vertraut war, von der ich nichts wußte; ich war für meine strahlende Lebenswut berühmt. Wie wenig davon geblieben ist. Es brauchte nur ein Kind – und dann die Frau, die geht. (Ich zitierte jetzt gern aus dem verbotenen Buch. Doch ist mir auch d a s untersagt.)

0.13 Uhr:

Nichts geschafft außer einem Bettelbrief an die Maurer. Ansonsten diskutiert, wieder und lange mit Ana; zum Schluß aufgrund eines Mißverständnisses meinerseits fast ein Streit, ich ging einfach raus aus dem Messenger; sie, verletzt, rief an, fing mich ab, bevor ich mich auf den Weg zu G. machte,um mit ihm zu essen und zu sprechen. Er: “Du mußt vier Wochen Internet-Pause machen. Die Dschungel tun dir nicht gut, diese Frauen tun dir nicht gut, du verlierst den Kontakt zu Realität.” Ich: “Es i s t eine Realität.” Usw. Seine enorme Skepsis gegenüber dem Netz, aber auch gegenüber meinem Verhältnis zu Frauen. “Sie kommen sich austauschbar vor”, sagt er fast mit I.’s Worten, “wenn du so über deine Bekanntschaften öffentlich schreibst.” Er macht sich, zu Recht, große Sorgen. Ich mach mir die ja auch. “Immer brauchst du etwas, um Dich zu fühlen: Deine Literatur, Deine Musik, diese Frauen. Es reicht Dir nicht, einfach nur zu sein.” “Ich b i n dann auch nicht. Ich ist eine Illusion.” – Kaum von der Hand zu weisen, daß das stimmt; aber nicht selten beneide ich ihn um seine wirklich wunderschöne Selbstsicherheit. Jemand sein, ganz ohne Leistung.

0.57 Uhr:

Auch d a s gehört in den Zusammenhang der Perfidie: lamasohn kann meine (erotische) Dominanz nicht mehr spüren, weil es mir so schlecht geht; “du kommst für mich aus der Opferrolle nicht heraus, das geht mit Dominanz nicht mehr zusammen.” Genauso funktioniert die sich selbst erschaffende Wahrheit. Wolpertinger und Anderswelt zählen mit einem Mal nicht, auch nicht für Menschen, die nicht einen Bruchteil davon schafften oder jemals schaffen werden. Statt dessen bricht die Erotik des Erfolgs durch, bzw. die mangelnde des Mangels. (Die Dominanz dann aber, wenn ich wieder h e r a u s s e i n werde aus diesem Sumpf! Dann wird es wieder heißen: Wie arrogant. Welch ein Scheusal.)