DTs. Dienstag.( 15. März 2005).

6.04 Uhr:
Beim Aufstehen, Trauer sowieso, im yahoo-messenger von Ana (nach einem endlos langen Gespräch wegen L. und Vorwürfen, Tränen; ich weinte und legte irgendwann auf); Ana also:




(23:35:28): lass uns zu dem von Dir vorgeschlagenen Modus operandi wechseln. Der Kontakt hat keinen Sinn.
Arbeitslähmung nun. Überhaupt Lähmung. Das Internet schafft Verbindungen direkt über neuronale Verschaltung, wirkt direkt auf das Gefühl, das aber ohne Anschauung bleibt und bei sehr starker Affektion zu permanenten Mißverständnissen, Vorwürfen und sämtlichen weiter denkbaren Fehlleitungen führt, – einfach nur deshalb vielleicht, weil man sich nicht einfach mal in den Arm und auf menschliche Weise schlicht – trösten kann. Und durchs Telefon, das ja ebenfalls Trennung, Getrenntheit, materialisiert, verstärkt sich das noch.

Dazu noch dieser peinliche Ärger mit meinem neuen kleinen Verlag tisch 7, der mir allen Ernstes zumutet, während der Messetage am Fußboden einer Gastwohnung zu schlafen und die Luftmatratze noch selbst mitzubringen. Über die symbolische Demütigung, die so etwas für einen 50jährigen Mann bedeutet, scheinen sich beide Verleger nicht klarzusein. Und nicht einmal eine eigene Messekarte wird dem Autor gegeben, sondern “durchs Gatter gereicht” wie als ich 18 war. Ich habe mit Tammen von den horen telefoniert, er hinterlegt mir nun eine im Literaturhaus Berlin. Und wegen einer Unterkunft: “Warum hast du mir das nicht früher gesagt? Ich hätte Dir doch ein Zimmer reserviert.”
Wahrscheinlich fahre ich jetzt nur für einen Tag, Donnerstag, mache mittags die horen-Veranstaltung, abends die Lesung und fahre dann nachts nach Berlin zurück.






Tagesplanung.




6.30 Uhr:

MF.

8.30 Uhr:

MF.
DIE DSCHUNGEL.

11 Uhr:

Telefonate, Geldbriefe etc.
Post. Leipzig-Fahrt arrangieren

12 Uhr:

Joggen gehen.

13 Uhr:

Mittagsschlaf.

14 Uhr:

MF.
DIE DSCHUNGEL.

19 Uhr:

MF.
DIE DSCHUNGEL.






9.25 Uhr:
Noch ungefrühstückt, weil kein Espresso mehr im Haus. Die sich privat fortsetzende Psychoanalyse und der Grund der Kunst: “Auf diesen Ebenen bist Du (noch) wie ein Kind. Diese Dimension hat man Dir genommen – und das schon so früh, dass mich der Anblick der Wunde körperlich verletzt.” Sofort fällt mir Parzifal ein, also Anfortas: “Nimm mir mein Erbe,/schliesse die Wunde,/dass heilig ich sterbe,/rein Dir gesunde!” Die Parallelen sind schlagend: Anfortas geschwächt durch das Weib, das ihn verführt und dessen Verführung er ständig sucht. Die Erlösung dann durchs geschlechtslos-Geistige, für das der “Tor Parsifal” steht, dem das-Weib-an-sich Kundry “dienen, dienen” sagt usw. Erlösung durch Abkehr vom Fleisch. Diesen in meinem Gefühl verlogenen Weg Wagners will ich auf keinen Fall gehen. Deshalb mein starker Akzent auf Körperlichkeit.

14.44 Uhr:

Gegen die verstimmte Trägheit und den Muskelkater durchgesetzt und ab zur Aschenbahn. 20 Runden à 400 m, also 8 km in 40 Minuten gejoggt. Keine Meisterleistung, aber für den zweiten Tag nach so langer Pause und mit Muskelkater okay. Die Knie rächten sich, wie vorhergesehen, für den Lauf auf Steinpflaster gestern. Bißchen Hanteltraining noch, dann eine Stunde schlafen und wieder an MF.

22.57 Uhr:

Keine Musik gehört heute, was ein Zeichen für schlechtes Befinden ist. Tatsächlich auch kaum etwas geschafft. Anruf vom WDR, ob ich eine Rezension übernehmen wolle. Auf MF sei man gespannt. Usw.
Nachgetragene Notizen aus der Lützowbar: Innere Ruhe Anas wegen,der Vulkan ist still geworden, grummelt nur noch ein wenig. Letztlich, bei distanzierter Überlegung und meinen Körper in die Dynamik einbezogen, der für Askese nicht gebaut ist, wäre für diese Beziehung schon aufgrund der räumlichen Entfernung keine Basis gewesen – meinetwegen nicht, der ich, anders als sie, nicht unter dem keuschen (sehr liebenden) Gebot der Monogamie stehe. Ich wäre in Sachen Treue unverläßlich gewesen, Ana hat recht.
Anders, völlig anders ist da E. aus Wien; sie liebt, ist v e rliebt, in zwei, vielleicht drei, aber auch sie mag nicht asketisch sein und vögelt, wie es kommt. Ganz wunderbar. Und erzählt. Und zwinkert in die Cam.

Mittags dann, kaum hab ich geduscht, eine SMS: “Wollen wir bei einem Espresso klären, warum wir nicht zueinander passen? So um halb drei? Wo? Gruß, K.”
Ich erst keine Ahnung, wer K. i s t und woher der Kontakt stammt. Also zurückgerufen; es ist schon viel später, halb vier vielleicht. Wir verabreden uns im Kollberg am Kollwitzplatz; das will ich nun haben, zu einem Rendezvous zu gehen, um mir einen Korb zu holen. Das ist entschieden neu. Ich bin, wie immer, pünktlich, sie kommt keine fünf Minuten später. Der erste Blick schon sagt: submissiv und eigentlich bereitet. Ein langes, sehr angenehmes Gespräch dann; wunderschön, wie sie bisweilen, wird es sehr sexuell, den Kopf senkt. Ich rühre sie bis fast ganz zum Schluß nicht an. Da erst will ich ihren Nacken sehen, nichts anderes. Sie beugt den Kopf. Ich streiche zärtlich darüber. Dann verabschiede ich mich. Denn diesen Korb will ich behalten.

Gegen 19 Uhr noch zum Literaturhaus geradelt, um meine Messekarte abzuholen. Tammen ist da, hat sie schon bereit. “Bleibst du zur Veranstaltung?” “Nein, sei mir nicht böse.” Über die Lützowbar (Prince of Wales und diese Notizen) zurück in die Arbeitswohnung. Meine Beine schmerzen, die Knie schmerzen von ungewohntem Sport. Aber es ist ein guter Schmerz. Bereits nach zwei Tagen Laufen arbeiten die hinteren Oberschenkel und die Waden präsize wie Kolben. Es ist die reine Lust, wenn der Körper sich entfaltet. Kaum 25 Minuten geradelt vom Literturhaus Charlottenburg auf den Prenzlauer Berg.
Da wollte ich an MF, aber war ohne Konzentration, halberregt, sexualisiert unruhig. Also einen harten Porno gesehen, da kommt Ana ins Netz, über den Messenger…berichtet glücklich von ihrem Mann, daß sie glückhaft zusammengewesen seien. Darauf habe ich wirklich keine Lust. Sie hält mich wirklich für eine Art Bruder. Ich verweigere mich. Sie: “Willst du jetzt wieder aus dem Dialog gehen und meine Sätze in deinem Weblog verwursten?” Sie sagt wirklich verwursten.
Nein, das ist nicht mein Interesse. Ich will auch solche Spiele nicht spielen. Und beende den Dialog. Sie hat sich entschieden, sie hat ihren Mann. Er ist genug für eine monogam begehrende Frau (und wirklich scheint er wundervoll zu sein; ich hatte jedenfalls diesen Eindruck). Das akzeptiere ich also völlig. Und denke und fühle an E.’s herzerfüllende Promiskuität.

Eine Mischung aus Melancholie, Trauer und Lebenslust. Ich möchte lieben. Und wieder schreiben. ARGO ist jetzt sehr weit weg. MF geht vor. Und: Beim Radfahren auch noch das rechte Hosenbein meines geliebten grauen Anzugs zerrissen.Die Geldknappheit geht jetzt schon ans Basale: Keine Mittel, das nähen zu lassen. So wie meine drei anderen Anzüge bei der Reinigunsfirma bleiben müssen, weil ich keine Mittel habe, sie auszulösen. Der türkische Inhaber rief mich bereits einigermaßen verzweifelt dreimal an.

Müde und schmerzvoll, aber angenehm, wegen der Muskeln.



Arbeitsfortschritt:


MF, Exzerte korrigiert ff.