Donnerstag, den 7. April 2005.

Das wird heut mit der Arbeit nichts. Erst jetzt furchtbar verkatert auf, furchtbar gezecht gestern abend und in die Nacht hinein mit Eigner und Katanga. Eigner hat Arrak mitgebracht aus Paris, nachmittags ließ ich schon mit G. die Beine baumeln auf der Bergmannstraße, all so etwas ist nicht gut, ich darf meine Disziplin nicht einmal unterbrechen, sonst geht gleich a l l e s durcheinander. Also brach ich auch meinen Ramadan und ärger mich jetzt. In anderthalb Stunden Analyse, um 16 Uhr bereits meinen Kleinen, nein, an Arbeit ist nicht zu denken… oder zu denken s c h o n: an die erste der Erzählungen, die mir so im Kopf herumgehen. Also laß ich sie genau das t u n: durch meinen Kopf flanieren.

Ich fand eben sogar drei Zeilen eines neuen Textes, den ich gestern nacht, nachdem ich in die Arbeitswohnung kam, getippt haben muß; es ist völlig unverständliches, sentimentales Zeug:

Es wäre einfach gewesen.

Wir hätten gesagt, was wir sind und was wir wollen. Aber alles, wirklich alles, haben wir dem Machtkalkül geopfert: Wofür es nötig sei, etwas zu wollen.

Lange über Lernet-Holenia und Joseph Roth diskutiert; diesen l i e b t Eigner, jenen mag er nicht. Ich las einige Seiten vor. Sie sind ihm zu gefüllt mit einer F o r m, die sich überlebt hat und der Lernet-Holenia, anders als Roth, zugehörte. In der (Vor-)Liebe wird vielleicht die Gesellschaftsschicht spürbar, der man entstammt(e). Mein ulkiges Heimatgefühl beim Gattoparden ist Eigner ebenso fremd, wie er es doch verstehen kann. Dieser seltsam aristokratische Gedanke stammt dabei gar nicht von mir, sondern ihm, der sie so, erinner ich mich, gestern nacht auch formuliert hat. Er, der proletarisch-kleinbürgerliche Sobczik, ich der aus einer Familie von Offizieren und Künstlern stammende Aristokrat. Lustig. Katanga, dabeisitzend, lachte sich eins. Und fand meine warme Begeisterung für das von Lernet-Holenia beschriebene Milieu ebenso befremdlich. (Wie auch immer, “Die Standarte” ist meisterhaft gemacht. Ich sehe Resa l e b e n.)

Eigentlich hatt’ ich heute wieder laufen wollen. Und wollen möcht ich ja immer noch.

Also vorsorglich streichen, diesen Tag, aus den ArbeitsAnnalen.

12.51 Uhr:
[Jarrett spielt Klavierkonzerte von Mozart.]

Trotz des immer noch anhaltenden Katers die neue Erzählung begonnen: DIE SCHÖNE. Wobei es s c h o n ungewöhnlich ist, daß ich eine derartige Heldin “Elisabeth Schneider” heißen lasse.

Und Anruf vom SWR: Ich möchte doch bitte eine kleine Erzählung zum Thema soundso schreiben, und, bitte, sie solle so schön sein wie >>>> der “Engel”, den ich für den SWR zu Weihnachten geschrieben hätte. – Sowas macht einen dann s c h o n etwas glücklich.


LEKTÜREN:
Lernet-Holenia, Die Standarte. (ff)

Arbeitsfortschritt:
DIE SCHÖNE. Projektiert. Erste Sätze.

3 thoughts on “Donnerstag, den 7. April 2005.

  1. “… : durch meinen Kopf flanieren.” Dieser Gerichtsmediziner, der erzählt, manchmal schaffe es die Larve ja bis in’s Gehirn,
    über den erweichten Mund, die Nase, oder das Auge.
    Und, aus ihr schlüpfe dann eine (intakte) Fliege.
    Nur, sie fände dann den Ausgang nicht mehr, meistens, und wenn sie, die Gerichtsmediziner,
    den Schädel öffneten, fänden sie diese Fliege vor, tot.

    1. Meinte die ” Made “.
      ( Auch wenn diese ja eine Insekten la r v e ist. )
      Gleich werde ich die Zeremonie der Beerdigung des Papstes
      ansehen, sehr müde schon.
      Einmal hat ein Papst, Paul VI, in meine Kinderaugen gesehen.
      Ein sehr einsamer trauriger Blick.
      Ich empfand ihn als einen (mich) abweisenden.
      Der Freudezusammensturz dann.
      Ich, ein hellblonder Engel, umgeben von Nonnen,
      durch die ich mich nach vorne gedrängt hatte, um
      ihn zu sehen.

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