Sonntag, 1. Mai 2005.

9.29 Uhr:

Email des Verlegers mit den folgenden schmackigen Sätzen:



ich habe in den letzten woche sehr intensiv das thema pressearbeit verfolgt
und muss leider feststellen, es ist außerordentlich schwer, rezensionen
deines bandes zu initiieren. das liegt nach meinem eindruck sehr daran, dass
sich die damen und herren rezensenten nur sehr ungern mit erzählungen
beschäftigen wollen. und – auch das ist nicht zu übersehen – du hast
leidenschaftliche anhänger, aber es gibt eben auch einige menschen, die man
nicht direkt als deine freunde bezeichnen kann. du bist eben ein autor, der
polarisiert.

Als käme es darauf an, als wäre wichtig, ob jemand gemocht wird. Ganz sicher wäre mir Heimito von Doderer geradezu ekelhaft gewesen; das darf das Urteil aber nicht davon abhalten, genau und auf die Arbeit bezogen zu sein; und also hätte ich bei aller persönlichen Antipathie die berufsethische Verpflichtung gehabt, sein Genie zu erkennen. Nur scheint der Betrieb so etwas nicht mehr in seinem Kulturbegriff zu haben, der sich statt dessen an Gefälligkeiten orientiert. In diesen Komplex gehört dann ebenfalls hinein, daß darüber selbstverständlich nicht gesprochen werden darf. Das habe ich h i e r einmal paralipomenisch zur Sprache gebracht. Und bin nicht bereit, mich dem zu fügen. Denn welche Haltung einer hat, bestimmt auch seine Poetik, nicht allerdings sein Handwerk. Über diesen widersprüchlichen Zusammenhang ist nachzudenken.

11.45 Uhr:

Gefühl von Wandlung: einfach herumsitzen und mit Eigner sprechen an einem Sonntag ohne Wunsch, irgend etwas Narratives zu hinterlassen. Die begonnenen Geschichten “einfach mal stehenlassen”. Wenn sie sich weiterentwickeln w o l l e n, w e r d e n sie das auch.

Eigners Mißtrauen gegenüber Lobo Antunes und einen an Südamerika orientierten europäischen Neo-Barock, den wiederum i c h sehr mag. Zu dem auch Eigners großer Roman “Brandig” zählt. Dazu komischerweise e r: “Daum les ich den ja auch nicht mehr.” “Dann darf ich ihn aber nicht mehr weiterempfehlen.” Und er: “Doch. Denn sonst m ü ß t e ich ihn ja wiederlesen.”

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