DTs. 17. August 2005. (Mittwoch).

7.30 Uhr:

Verschlafen. Ärgerlich. Ran an die Arbeit!



Tagesplanung.

67.30 – 9 Uhr:

ARGO.

9 – 12 Uhr:

DAS WUNDER VON SAN MICHELE.

12 – 13.45 Uhr:

DIE DSCHUNGEL.
DSCHUNGELBUCH.

14 – 15 Uhr:

Analyse

nachmittags:

DSCHUNGELBUCH.

Weiteres offen.


8.04 Uhr :

Ich sei kein Mann für sie, schreibt eine Frau. Ich las das soeben und reagierte. Sie wolle allein den geistigen Austausch mit mir. Ich entgegne, ohne erotische Spannung erlahme mein Geist – also ohne die Möglichkeit einer realen Spannung (denn das hier ist das Netz, und die räumliche Entfernung lasse ein Vorauswissen, ob sich so etwas einstellen werde oder nicht, gar nicht zu). Daraufhin sie, unter Versicherung ihrer Sympathie: „Die Akte Soundso ist hiermit geschlossen.“
Jetzt schnürt’s mir das Herzl, und ich kann wieder nicht arbeiten. Wann kommt endlich eine, die nicht immer alles präformiert, sondern das Spiel der Kräfte zuläßt, das b e i d e in diese vulkanische Spannung versetzt, auf daß es Leben u n d Dichtung anheizt? O h n e Leben – und das h e i ß t: ohne Eros – ist alle Dichtung Nichts.

8.52 Uhr:
Ich starre auf den Text und komme nicht rein, bin ganz woanders. Hab, zur Ablenkung und weil es sowieso sein muß, den heutigen Newsletter wegen Anthony Burgess geschrieben und rausgeschickt. Erst verschlafen, dann dieser Korb, und die ganze Struktur, die ich grad wieder aufbauen wollte, kracht zusammen. Dafür jagen mir Hunderte Paralipomena, die meine Traurigkeit – eine Form der Ent-Täuschung – auffangen helfen, durch den Kopf, das Verhältnis von Geist und Körper, Inspiration und Eros betreffend. Aber Dschungelzeit ist erst ab mittag. Wie geh ich mit dieser permanenten elenden Vergeblichkeit um? Ist daraus wenigstens etwas allgemeines zu gewinnen? Eine Geschichte vielleicht? Mir fällt auf, wie so sehr Vieles in ARGO genau das erzählt: Vergeblichkeit. Vergeblichkeit und Trennungen. Man wittert eine Freude, ein Wiedergewinnen von flüssiger Kraft – und Patsch kriegt man einen auf den Deckel. Aber was mich hielt alle Jahre, seit ich Jugendlicher, vielleicht sogar seit ich Kind war, diese AUS DER HOFFNUNG WIRKENDE ENERGIE, will ich auf keinen Fall verlieren. „Woher nehmen Sie die Kraft, immer noch so an das Leben zu glauben?“ fragte mich vor wenigen Jahren Christa Bürger. Heute würde ich antworten: „Es ist eine Projektionskraft. Sie findet sich nicht ab.“
Daran will ich mich festhalten; ich möchte kein skeptischer Mann werden, sondern dieses innere Glühen bewahren. Ich leg mal Musik auf. Und werde das ARGO-Struktur-Element auf den Nachmittag schieben. Sonst leidet nachher alles, und ich krieg auch wieder für SAN MICHELE nichts zuwege.

12.04 Uhr:
[Jarrett, Sapporo Concert.]

SAN MICHELE. D i e s e Arbeit ging gut voran! Schlage mir mit überlauter Musik die Gefühle aus dem Leib: Es ist s o laut, daß ich eh nichts anderes empfinden kann als das Knallen und die Echos in den Gehörgängen. Dadurch wird e i n Teil von mir fast bewußtlos, während ein anderer freikommt und im Park der Villa San Michele herumspaziert, ja sogar ein nächtliches Gespräch mit dem Teufel führen kann – einem schönen Teufel, in seiner ewigweiblichen Gestalt. Klingt hier kitschig, ist es aber nicht im Text: dort hat es vielmehr diesen feinen niebelschütz’schen Humor, den ich von allem Anfang an gern hestellen wollte. Es ist absurd: Indem ich das Arbeitszimmer mit (herrlichem, doch krawalligem) Lärm fülle, höre ich die Zikaden in Munthes Park und sogar, tief darunter vom Hafen, das leise Brummen bis zu mir an der Brüstung der Kolonnaden herauf.

Muß aber nun abbrechen, einmal wegen des „Plans“, an den ich mich halten will (zur Disziplin gehört Routine); zum anderen muß ich für Elisabeth aufräumen, die in den nächsten zwei Stunden putzen kommen wird. Dazwischen dann immer mal wieder ein DSCHUNGEL-Segment einstellen. Und nach der Analyse einzwei Stunden DSCHUNGELBUCH. Daraufhin ARGO nachholen.

20.14 Uhr:

>>>> Parallalie kam zu Besuch, unverhofft klingelte das Mobilchen. Draußen vorm Torpedokäfer hab ich auf ihn gewartet, da hier oben Elisabeth mit Staubsauger und Feudel wirbelte. Dummerweise ein Bier bestellt, dem ein zweites folgte. Lange geplaudert, auch ein wenig benommen und traurig geplaudert, über Frauen und Männer, über Projektionen und mögliche prinzipielle Geschlechtsunterschiede; schließlich hoch in die Arbeitswohnung und in mein Pirandello-Stück hineingehört. Nun erst ist er fort. An Arbeit im eigentlichen Sinn war und ist insofern nicht mehr zu denken. Immerhin, er hat Tintenfisch-Tinte aus Italien mitgebracht, für schwarze Pasta, und den Extrakt eines Trüffel-Sugos. Ich schau jetzt ein wenig ratlos vor mich hin, höre Musik, formuliere für Die Dschungel, warte darauf, daß EvL sich meldet, die den Tag über schwieg, weil Nacht war in Buenos Aires und sie vorhin für eilige Gänge loschießen mußte; teilweise bewölkt, 18 Grad, sagt Yahoo.



Arbeitsfortschritt:
SAN MICHELE, TS. Bis S. 9.
DIE DSCHUNGEL, Paralipomena et al.

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