Männerbesuch.

(…) ich verstehe Dich nicht. Wie kannst Du so verwundert sein? Das mußt Du doch wissen, daß ein Mann, den Du zu Dir einlädst und der dazu eine Reise unternimmt, etwas von Dir will, also sich zumindest Hoffnungen macht. Die können enttäuscht werden; selbstverständlich. Aber ist das so, dann trennt man sich wieder, und zwar möglichst schnell, schon damit der Schmerz nicht zu groß wird. Finden beide, wechselseitig, keinen erotischen Gefallen aneinander, existiert das Problem nicht. Dann hat man zweidrei nette Abende, die Gespräche werden allerdings auf gar keinen Fall mehr intensiv. Locker mögen diese Abende sein, sehr befreit und heiter; etwas anderes aber ist dann nicht mehr zu erwarten. Sehr wahrscheinlich gibt es zwischen Frauen und Männern keinerlei Austausch, also auch keinen intellektuellen, sofern nicht eine erotische Spannung besteht. Ich habe diesbezüglich, je älter ich werde, den Eindruck eines vielleicht genetischen Naturgesetzes, das zwischen den Geschlechtern waltet und auf das unsere ohnedies fragliche Autonomie nur unter Anwendung von Zwang (etwa der Ein- und Nachwirkung tiefer Verletzungen) einen Zugriff bekommt, der in jedem Fall verdrängenden, wenn nicht sogar brutal sanktionierenden Charakters ist. Daß unser aller Menschenbild eine solche Natur-Dynamik nicht gefällt, weil sie unsere demokratische Vorstellung von Selbständigkeit verletzt, steht auf dem einen Blatt, daß es dennoch wirkt, auf einem anderen. Ich beobachte solche Vorgänge sowohl an mir wie an befreundeten Männern ausgesprochen genau. Daß ich darüber publiziere, hat mir unterdessen den Ruf eines schlimmen Machos eingetragen (…) – das moralische Verdikt wegen eines Verhaltens, das nichts andere tut, als genau hinzusehen und die Erkenntnisse oder anhand von Belegen sich bildenden Theorien öffentlich zu diskutieren. (…)

4 thoughts on “Männerbesuch.

  1. Einige User glauben – ich möchte, liebe I., diesen Gedanken ums Internet erweitern -, wir könnten uns, indem wir unsere Wünsche und Begehren (oder eben nicht-Begehren) in die Cyberräume flößen, von unseren Körpern suspendieren; es ließen sich also entweder sexuelle Bedürfnisse ausleben, ohne daß wir, bürgerehe-technisch gesprochen, untreu würden, oder aber es ließe sich hier der seit Aristoteles und Aton so erstrebte reine geistige Zustand erlangen. Beide Positionen, glaube ich, irren. Denn es gibt derzeit überhaupt kein Medium, das auf auch nur annähernde Weise derart sexualisiert wäre, wie gerade dieses. Was Professor Murnau, der Birkengeist im WOLPERTINGER, damals in Hannoversch Münden ausrief: „Wir müssen in die Maschinen hinein!“ – das ist längst Realität geworden. Der Elementargeist des überkommenen Aberglaubens hat diese Aufgabe mit Bravour gelöst – und er stand immer für das Unwägbare, nicht zu Richtende und nicht zu Bezähmende. Damit ist er ein Gespenst gewordenes Symbol fürs Sexuelle – oder genauer: die auf irdisches Begehren bezogene Erotik. Übrigens macht genau das alle Halbgötter so liebenswert, indes die Götter selbst abweisend sind und starr wie Marmor. Das Gotthafte an den Halblingen aber zeigt, wie sehr zugleich der G e i s t in ihnen ist. Genau das, aber umgekehrt geschaut, gilt fürs Internet.
    Dieses sexualisierte Medium, das sich zu großen Teilen ganz direkt entweder aus militärischer, also prinzipiell destruktiver Forschung oder aber eben aus den Porno-Sites finanziert, die nichts anderes als das in den Markt verdinglichte unheimlich-Sexuelle sind, hält das sehnsüchtige körperliche Begehren sehr nachdrücklich, wenn auch oft unmerklich, am Leben, ja die Seelen werden geprägt von im Netz nicht nur verbal, sondern auch bildlich und in Filmen ausgeführten Fantasien, allein deren Möglichkeit sich uns vordem nie erschloß. Die nun aber gleichsam bewiesen und damit wünschbar sind: Wo vordem ein in uns aufsteigendes ungewöhnliches Begehren sofort vor uns selbst zensiert worden ist, sagt nun eine objektive Realität, daß es da und auch erfüllbar ist und damit ein faktisches Recht hat. Insofern weitet gerade das allervergeistigste, völlig unhaptische Medium Internet die Möglichkeiten des körperlichen Begehrens ganz besonders aus. Ins Internet zu fliehen, um dem Körper zu entgehen, ist insofern die Flucht eines Hasen mitten in den Fuchsbau hinein.

    1. Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Es handelt sich bei diesem Satz um eine Hypothese, die mir die Erfahrung nahelegt, die aber ganz sicher in dieser Unbedingtheit nicht zu halten ist – und zwar schon deshalb nicht, weil es objektive Arbeitszusammenhänge gibt, die etwas völlig anderes erfordern, etwa in Teams. Aber auch dort wirkt auf die eine und/oder andere Art immer etwas Erotisches mit hinein. Nun ist “Eros” nicht ausschließlich auf Sexuelles bezogen, das aber – rein pheromonal – seinen Anteil dennoch h a t. Es kann sich – wie das in langjährigen Partnerschaften unweigerlich geschieht – freilich sublimieren, indem alle Beteiligten von ihren Körpern absehen – was bedeutet, daß, wenn Sexuelles dennoch durchbricht, es fast notwendigerweise zu “Seitensprüngen” kommt, die ihrerseits vom jeweiligen Partner akzeptiert werden, und sei es nur dadurch, daß er/sie es übergeht oder lieber “nichts davon wissen will” und besser gar nicht erst fragt, sondern die weil meist vorübergehende Affaire ‚einfach’ – selbstverleugnend – übersieht. Teampartnern in objektiven Arbeitszusammenhängen sind die ‚anderen Affairen’ meist sowieso egal.

      Ich formuliere hier, ich weiß, ins sehr Vage. Und stelle bisweilen rigide, allerdings belegbare Hypothesen auf, die für mich so lange Gültigkeit besitzen, bis sie als falsch erwiesen sind. Das ist ein imgrunde naturwissenschaftliches Procedere. Je härter ich – unter anderem für mich selbst – so etwas fasse, um so größer wird zwar der (auch eigene) Widerspruch, aber gerade damit die Chance, etwas zu widerlegen oder zu bewahrheiten, und zwar in den anzuwendenden Schattierungen. Tatsächlich haben mir bislang so gut wie alle Männer – nach einigem Widerstreben – zugestanden, daß es ihnen zumindest ähnlich geht, wie es der von Ihnen zitierte Satz behauptet. Frauen hingegen widersprechen ihm meist überaus entschieden. Was ich a u c h schon interessant finde.

      (Modifiziert wird der Kern des Satzes sehr oft dann, wenn aus verschiedengeschlechtlichen erotischen Anziehungen Freundschaften wurden. Darunter befasse ich auch langjährige Partnerschaftsbeziehungen. Hier b l e i b t der Austausch intensiv, wenn auch auf einer anderen Ebene. Das treibende Feuer ist indessen verloren. Es kommt dann etwas Mütterliches in die Beziehung, das schon wegen des Inzesttabus Sexuelles ausschließt. Mir ist bislang kein einziger Fall bekannt, der anders geartet wäre – von „abstrakten“ Beziehungen, etwa „reinen Brieffreundschaften“, einmal abgesehen. Übrigens muß die erotische Spannung nicht von beiden Seiten gleichmäßig da sein, es kann sogar überhaupt nur eine(r) begehren und die/der andere nicht. Nur muß die/der Begehrende das dann ohne Übergriffigkeiten aushalten können. Es genügt dann die Projektionskraft, um dem Austausch die feurige Kraft zu bewahren.

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