Bildungsdünkel in Der Dschungel.

In einem rundweg herzlichen Leserbrief, der diesem Unternehmen hier seine Sympathie ausdrückt, finden sich neben vielen anderen auch die folgenden Zeilen:

Ich muss gestehen, dass ich das Konzept nicht wirklich verstehe, das hinter den Dschungeln steckt, was vielleicht daran liegt, dass ich nicht regelmässig lese, aber vielleicht auch daran liegen kann, dass ich den Dschungeln und den Gedanken und Ideen darin nicht wirklich gewachsen bin – was auch ein Grund dafür ist, dass ich wenig bis gar nicht kommentiere, obwohl es mir schon hin und wieder gehörig in den Fingern juckt. Dieses Gefühl, nicht gewachsen zu sein, nicht “mitreden” zu können, ist auch der Grund, dass ich Ihnen diese Zeilen persönlich, nichtöffentlich, schreibe.
[Ich wollte darauf öffentlich antworten und habe um die Erlaubnis ersucht und sie erhalten, die Textstelle in Den Dschungeln diskutieren zu dürfen. Nun also meine nichtprivate Reaktion:]

Von anderen Stellen habe ich etwas Ähnliches gehört; nicht selten wird das als Vorwurf eines mir eigenen Bildungsdünkels formuliert. Doch ist es an dem, daß ich Kommentare ‚zur Sache’ sehr gerne hätte und sie auch, wie immer sie formuliert seien, akzeptieren und auf sie eingehen würde, – und zwar egal, von welchem Bildungsstand aus sie entstehen. Daß ich einige Dinge weiß, die andere nicht wissen, wird sowieso meistens dadurch aufgehoben, daß andere wiederum Dinge wissen, von denen i c h nichts weiß; dabei kann es sich a u ch um Belange der Herzensbildung und nicht etwa theoretischen Wissens handeln. Nur aus mir erkenntlichem Zusammenhang gerissene Behauptungen oder nicht begründete Urteile würde ich entweder ignorieren oder sogar, im Fall einer mir spürbaren, verletzenden Belästigung, löschen.
Andererseits ist nicht einzusehen – sondern ich meinerseits empfände ein solches Verhalten als arrogant -, daß jemand von sagen wir Bildungsstand M sich bewußt auf einen Bildungsstand F herunterschreibt, weil er zu meinen vorgibt, an den Leser zu denken. Er hat ganz im Gegenteil alles Recht zu versuchen, sich auch publizistisch auf einen Bildungsstand sagen wir V hochzuarbeiten; und es ist an seinen Lesern, diesen Weg dann mitzugehen – oder es eben n i c h t zu tun, das müssen sie selber entscheiden. Um der Verständlichkeit halber das Niveau zu senken, ist indes – sofern es sich nicht um ein Schein-Niveau gehandelt hat, das, obwohl es inhaltslos ist, bloß ‚etwas bedeuten’ soll – eine pädagogische Haltung und hat nach meinem Geschmack in der Dichtung nichts zu suchen. Vielmehr entspricht sie dem Machtverhältnis zwischen Schülern und ihren Lehrern. Die Dschungel l e h r e n aber nicht, noch haben sie das vor. Sie versuchen zu erzählen, und zwar indem sie weder Theoretisches noch das Private ihrer Autoren aus diesem Prozeß herausnehmen und eben auch Reaktionen der Leser fruchtbar miteinbinden möchten. In diesem Sinn bin ich für Kommentare jederlei Herkunft sehr dankbar.

28 thoughts on “Bildungsdünkel in Der Dschungel.

  1. Diese Bemerkung – oder ist es eine Annahme? – des “nicht-gewachsen-Seins” habe ich nunmehr ebenfalls mehrere Male gehört bzw. gelesen (nicht nur bez. “Stigma” allein). Sind also wir es, deren Sprache sich in einer Weise entfernt, dass sie nicht mehr allgemein verstanden wird?

    1. Nein, das glaube ich nicht. Vielmehr ist es, denke ich, eine Frage des Willens. Es hat im 19. Jahrhundert den Ausdruck des “Kunstwillen”s gegeben, der auf den unbedingten Künstler gemünzt war. Ich meinerseits habe den Ausdruck “Rezeptionswille” geprägt, der den Rezipienten und seinen Willen meint, unbedingt etwas zu verstehen – und dann eben L u s t zu haben und Erkenntnis. Das ist eine Erfahrung an mir selbst, der ich nämlich früher überhaupt nicht in Bildende Kunst, geschweige moderne, hineinfand. Es ist der wahrscheinlich ziemlich mühsamen Anleitung meiner damalige Lebensgefährtin und heutigen Freundin Do zu verdanken, daß ich zu sehen lernte. Es ist für Menschen, die so etwas nicht gewöhnt sind, sehr schwer zu begreifen, daß etwas, das Lust bereiten soll, anfangs Arbeit macht. Viel Arbeit. Und d i e s e s Wissen und dieses Gefühl gehen im allumfassenden Entertainment verloren – und sollen auch verloren gehen. Daran haben aber gewiß nicht die Leser schuld, die den Vorgang oft nicht einmal merken. Deshalb wäre Arroganz gegenüber Lesern, die ihr Unverständnis ausdrücken, so furchtbar unangebracht. Ebenso unangebracht ist es aber auch, der Leser wegen das eigene Niveau zu verraten. (Übrigens gibt es viele Bücher, die auch mir nach wie vor verschlüsselt sind. Was mich bisweilen ganz ratlos macht.)

    2. Der Wille zu verstehen. Ich stimme Ihnen da zu.
      Eine andere Ebene ist es, etwas unbedingt verstehen zu wollen – eine Art mentale Anstrengung, die, ob der Angespanntheit, die Lust und den Genuß des Erlebens mindert. Ein Text offenbart sich über mehr als Sprache allein. Der Rezipient umhüllt und unterlegt ihn mit einer ganz eigenen Frequenz. Die Erfahrung des sehen Lernens, auf die Sie sich beziehen, hat viel mit dem Rezeptionswillen zu tun; sic: einem Willen zu einer bestimmten Passivität, innerhalb derer Wirkung erst auftreten kann.
      Die Lust, die aus etwas entspringt, das man mit Energie, Zeit und Arbeit angereichert hat, entpuppt sich tatsächlich als eine brennende – und degradiert Vorheriges, weniger Konzentriertes, nicht selten zu einer lauen Freude – im Vergleich.

      “Lust ist nicht nur Kraft sondern Freude an gelebter Kraft”.
      [Sir A. Crowley; aus: “Das Buch Thoth”]

      (Die wirklich im Gedächtnis haftenden Bücher – haben sie nicht alle ein Mysterium? Mir jedenfalls geht es so, dass diese Werke sich nahezu einbrennen in die Erinnerung)

    3. Wahrnehmung als Ganzes äussert sich im Be-greifen und wirken “lassen”. Die Mischung von Aktivität und Passivität also. Viele haben oft mit einem von beidem Schwierigkeiten und somit erschliesst sich ihnen wohl auch nicht alles. Aber offensichtlich ist es ein Lernprozess… das macht wiederum Mut.

    4. Der von mir gemeinte Mut bezog sich darauf, dass ich es für einen Lernprozess halte und nicht auf einen Leserbrief oder die Genehmigung des auszugsweisen Abdruckes.

    1. Weshalb sollten sich. Intellektualität und Herzensbildung und theoretisches Wissen ausschließen? Es kann bisweilen gegensätzliche Konflikte hervorrufen, aber es muß deswegen doch eines und/oder das andere nicht fehlen.

    2. lesen sie das heraus, dass ich das unterstellt hätte? dem ist nicht so. ich habe da keine schublade. herzensbildung macht zum glück vor geistiger fortbildung nicht halt. wäre ja noch schöner. aber interessant, dass sie es so gelesen haben.

    3. wie käme ich dazu zu werfen. damit sollte man sogar bei menschen vorsichtig sein, die man lange kennt. allerdings ist mir die reaktion so gesehen nicht unverständlich. tretminen lauern ja nicht selten. ich versuche mich weitgehend (zunehmend…) von sarkasmen fernzuhalten (wenn es mir auch nicht immer gelingt).

    4. bockspringen “weshalb sollten sich intellektualitaet und herzensbildung und theoretisches wissen ausschliessen?”

      ich sag mal so, liebe hochgeistige eierschaukler:
      wenn intellektualitaet zum beispiel der sadistische sportlehrer ist und theretisches wissen der bock. dann wird die kleine herzensbildung, so sehr sie die beinchen spreizt, so weit sie anlauf nimmt, so gut ihr vorsatz ist, den sprung nicht schaffen. der sportlehrer triezt sie zu sehr, er lacht sie sogar aus, lacht ihr hinterher. der bock ist zu sperrig, szu hart, zu breit, zu hoch.
      so sieht das naemlich aus.
      dann steht sie auf, die herzensbildung, klopft sich den wams ab und sagt: “die trauben sind mir zu sauer.”

    5. Das Beispiel ist, wie ein Beispiel fast immer, bereits mit einem verstauchten Fuß in Die Dschungel gekommen. Denn hier wird nicht gelehrt, sondern angeboten, während die Anbieter dabeisind zu denken oder zu träumen oder zu fantasieren – wer Lust hat oder wen’s drängt, die oder der dürfen mittun, müssen aber nicht. Allerdings sind verstauchte Füße doch ohnedies von trainierendem Unterricht befreit: ein Beispiel, das freilich ganz genauso hinkt. Denn diese Schule einmal angenommen, so könnte ein Sportlehrer auch ein liebender sein und den Sport seinen Schülerinnen und Schülern nicht als hartes Training vermitteln, sondern als ein Weg, ihren Körper gesundzuerhalten.

      Dummerweiswe zeitigt hartes Training, das deshalb wehtut, ebenso sehr großartige Ergebnisse, wie Menschen daran zugrundegehen können. Arturo Benedetto Michelangeli etwa, einer der legendären Pianisten des Zwanzigsten Jahrhunderts, war als “Wunderkind” bis zu acht Stunden täglich, damit er Klavier übte, in ein Zimmer gesperrt worden. Er gab – längst ein berühmter, ja legendenumwobener Mann, zu dessen Konzerten die Hörer gepilgert sind – diese Lehrmethode an seine eigenen Schüler weiter, u.a. an den kleinen L.O., bei dem das überhaupt nichts fruchtete. Musiker zwar w u r d e er, aber beileibe kein großer. Und hat sein Leben danach als Lehrer an einem Konservatorium verbracht; wahrscheinlich verbringt er es da n o c h. Gelegentlich komponierte er. Ich schrieb für ihn mein erstes Libretto, in den Endsiebzigern. Zurückblickend denke ich: Welch ein unnötiges, welch ein grausames Opfer hat das kleine Kind bringen müssen! So viel Unbeschwertheit zerstört – damit einer Lehrer an einem Konservatorium wird. (Das ist keine Überhebung über Musiklehrer, sondern es nimmt nur die Verhältnismäßigkeiten in den Blick.)

  2. Ich bin leider nicht ganz im Bilde, was in den Dschungeln diskutiert, was vermittelt wird. Der Anspruch jedoch, Fragen jeder Herkundft möglichst zu beantworten würde meiner Ansicht nach erfordern, zumindest die Spracheder des Fragers – auch nach unten – anzupassen. Sich auch für weniger gebildete Leser verständlich auszudrücken muss auf keinen Fall bedeuten, das Niveau der Veröffentlichung insgesamt zu senken.

    1. Das ist wahr. Es wird ja hier auch versucht. Ob es gelingt, weiß ich nicht. Manchmal sind einem Menschen mit fremder Sprache intuitiv näher als solche mit der eigenen. Ich werde, wenn ich, sagen wir, (für meinen Gescmack) simpel argumentieren soll, schnell ungenau. Was vielleicht auch daran liegt, daß ich ans Simple nicht glaube. Zusammenhänge, noch die scheinbar einfachsten, sind komplex.

    2. Komplexität des Einfachen. Das Einfache e r s c h e i n t uns nur komplex, da es als Einfaches mit Vielem vernetzt ist; grundlegende Bausteine sind, je einfacher sie sind, in umso mehr Elementverbindungen enthalten. Etwas so Simples wie Wasserstoff oder Kohlenstoff kommt nahezu überall vor.
      Und grundlegende Erkenntnisse sowie die grundlegenden Dinge sind ebenfalls immer einfach; oft sogar derart simpel, dass mensch aus dem Staunen nicht mehr herauskommt.

    3. Das so-Einfache w ä r e aber als Einfaches nicht. Sondern sein “Wesen” – also der Bedeutungshof, in dem es überhaupt nur sein kann – entsteht rein durch die Wechselbeziehung durch zahllos anderes Einfache. Mithin durch ein Netzwerk.Und das ist ebenso komplex wie deshalb dasjenige, was dieses Einzelne ausmacht. Das Einzelne ohne das andere ist – Nichts.
      [Mir liegt ein erotischer Vergleich auf der Zunge, bzw. in den tippenden Fingern: Kein Mann würde je von einer abgetrennten Frauenbrust, und wäre sie noch so schön, erregt. Nicht einmal der Nekrophile wüßte damit etwas anzufangen. Selbst er braucht den Zusammenhang. Das Gleiche gilt, vielleicht sogar noch verstärkt, für das erotische Verhältnis einer Frau zum männlichen Glied. Der Dildo ist kein Gegenargument, weil er maschinell geführtes Objekt ist, daß erst zusammen mit der Vorstellung die erhoffte Lust zuwegebringt. Nicht er, sondern die Vorstellung ist es, auch wenn wiederum s i e alleine nicht reicht.]

    4. Die Annahme eine abgetrennte Frauenbrust sei etwas “Einfacheres” als ein unversehrter Frauenkörper ist a priori. Tatsächlich erfordert sie jedoch ein Mehr an Abstraktion. Noch sind die Bezüge – zumindest für mich – nicht Einfaches = Einzelnes, sondern Einfaches = Einfaches im Sinne des Simplen (die Formulierung, die Sie ürsprünglich auch wählten).

      [P.S.: Ich mochte Hegel noch nie – erotisiert ist er noch unsympathischer *lacht]

    5. Jetzt wird’s akademisch-absurd. Aber geht nicht anders. Die abgetrennte Frauenbrust i s t einfacher als ein unversehrter Frauenkörper, schon weil sie “weniger” ist und also, im Sinne dieser Diskussion, nicht so komplex. Jeder, der so etwas einmal in der Anatomie gesehen hat, erfährt das unmittelbar. Und daß sie nun ein Mehr an Astraktion fordere, ist genau das, was ich meinte. Das M e h r schafft die Substanz, nicht das weniger.
      Einfaches=Einfaches ist eine Tautologie, gegen die ich nichts ins Feld führen möchte, da hier nach dem Kalkül des Logischen Schließens die Hinsichten, ohne das zu erklären, verschiedene sind. Das Simple ist immer das Falsche. (Deshalb ist e i n Gott ja so katastrophal für die Welt geworden: e i n Gott ist i m m e r Hitler. Götter hingegen, im Plural – und das meint, inkorrekterweise, selbstverständlich die Göttinnen m i t – , sind Erde und Leben. Symbolisch gesprochen.)

    6. Das ist ein Anschein, mehr nicht. Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich leugne ich nicht, dass ein Körperteil allein weniger komplex ist als ein Körper samt Persona. Für Mens jedoch verhält es sich nicht so, dass die unmittelbare Wahrnehmung rein anatomisch ist, ergo: klinisch – sondern er muss zuvor einen genzen Körper zuordnen können um auch zuordnen zu können, was er im Beispiel der abgetrennten Brust (übrigens ein grausiges Beispiel) überhaupt vor sich hat.
      Das Simple ist m. E. nach archetypisch zu verstehen; nur seine Einfachheit erlaubt ihm überhaupt die (vielfältige) Durchdringung.

      Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Ratio die Brust nicht zuordnen könnte, wäre der Körper in Gänze nicht bekannt – ergo ist die Zuordnung an sich schon eine Abstraktion vom Ganzen und somit komplexer als das Einfache

    7. Das eben bestreite ich. Es gibt kein Mens ohne Physis. Sehr wahrscheinlich ist die Physis sogar das Wesentliche, weil sie das Mens b e w i r k t: also etwas anderes, als sie selbst ist. Das ist, für mich, ein Wunder, das ich immer wieder bestaune.
      Nur dann – hinreichend u n d notwendige Bedinung, erkenntnistheoretisch gesprochen – wenn ich von einem Geist, der ohne Körper sei, ausgehe, komme ich beim Einfachen auf etwas Substanzielles. Gehe ich aber vom K ö r p e r als dem Vorgängigen aus, werde ich, subtrahiere ich ihn um seine Einzelteile, bei dem schaurigen Beispiel dieser abgetrennten Brust – oder etwas anderem Analogen – enden. Die körperliche Welt also wird reich durch Vielheit, die Geistige durch Simplizität. Das gestehe ich, wenn ich die Grundannahmen je für sich betrachte, unumwunden zu. Nur stehe ich halt auf der Seite der Vielheit, der v i e l e n Göttinnen und Götter, der v i e l e n Geschöpfe, der v i e l e n Gefühle; religionstheoretisch gesprochen bin ich Polytheist. Mir scheint schon die irdische Realität – und keine andere möchte ich leben – vom Monotheismus derart zugerichtet worden zu sein, daß ich alleine deshalb jeder Vielgötterei helfend zuspringen würde. Mit dem Monotheismus, dessen ziemlich direktes Ergebnis die Warengesellschaft ist, haben wir seit über zweitausend Jahren Erfahrung gesammelt; was ein Polytheismus möglicherweise angerichtet hätte, das wissen wir nicht. Da das eine aber schlecht ist, jedoch das andere möglicherweise nicht, entscheide ich mich für das Mögliche. Ich möchte nicht, daß nur e i n Tier lebt auf der Welt. Ich möchte v i e l e Tiere, v i e l e Sprachen, v i e l e Häuser, v i e l e Götter und v i e l, s e h r viel Vermischung. Jeder Mischlung birgt eine Hoffnung mehr.

    8. All dies bestreite ich nicht. Aber wir bewegen uns hier weg von der Welt der absouluten Annahmen hin zur Vermischung der Elemente und Ideen. Auch ist die Annahme, Mens sei ohne Körper nicht möglich, eine vielleicht für unsere Spezies richtige – das sei mal dahingestellt. Religöse Fragen bringen aus der klaren Brühe, bei der es begann, nur noch mehr Gemüse in den Eintopf. Ich sprach von der Struktur von Mens, nicht von Polytheismus. Das Einfache wäre der Wasserstoff, der, aufgrund seiner simplen Struktur eben Anteil an vielen Zusammensetzungen haben kann. Ein komplexes und angereichertes Element wie Plutonium kann eben dies nicht.

      [Es geht mir tatsächlich darum, bei den soziologischen Aussagen widerspreche ich gar nicht. Simpel d a r o b auch das herangezogene Beispiel aus den Naturwissenschaften]

    9. Ich bestreite eine Welt der absoluten Annahmen. Sie interessiert mich gar nicht. Sondern mit Nietzsche mag ich sagen: “Ob es Gott gibt oder nicht, spielt für unser Erkentnisvermögen keine Rolle. Also kann ich ihn ausklammern.”
      Und was die für unsere Spezies richtige Annahme anbelangt – unter Spezies verstehe ich jetzt irdische Lebewesen – ,so bestreite ich überhaupt nicht die Richtigkeit für andere Spezies; aber die sind mir egal. Ich lebe h i e r, auf der Welt, nirgendwo anders und sehr wahrscheinlich schon gar nicht mehr nach meinen Tod. Deshalb gilt für mich für die andere Annahme dasselbe, was Nietzsche über Gott dachte. Anders als Kant, der es ebenfalls für unmöglich hielt, über Gott überhaupt was zu sagen, würde ich ihn auch nicht für eine allgemein verbindliche Moral postulieren, wie er es tat. Sondern die Verbindlichkeit unterliegt, glaube ich, dem ständigen Wandel.
      Und Wasserstoff, Pardon, wäre alleine eben Nichts. Er wäre bloß Wasserstoff. Seine lebenswichtige Bedeutung erhält er aus dem Zusammenhang, der ebenfalls kein statischer, sondern ein sich ständig verändernder ist. Die Wirkung von Wasserstoff – übrigens gerade in der Verbindung mit Plutonium und dann ziemlich verheerend – rührt ja eben von seiner V i e lseitigkeit.

    10. Der Konsens naht. (Ich beschränke mich jetzt darauf, sonst müsste ich >>>>Feen herbeizitieren).

      Ein Letztes aber noch, wiederholt: Das Einfache ist vielseitig ob seiner Einfachheit. Es könnte eben nicht vielseitig sein, wäre es nicht einfach.

  3. Nein, bleiben Sie bei Ihrem Stil, sonst wäre das hier nicht mehr dasselbe. Ein Reiz dieses Projektes hier ist auch genau die Tatsache, dass man Texte nicht nur flüchtig überfliegen und sich dann weiterklicken kann. Es gibt Konsumseiten, die man sich nebenbei “reinzieht” und sofort wieder vergisst, Die Dschungel gehören nicht dazu.

    Es bedarf einiger Übung und einigem Willen, einige Texte oder Passagen zu begreifen. Manchmal ist es nur ein wenig anstrengend, manchmal ist es schrecklich anstrengend und machmal gelingt es trotz aller Anstrengung nicht wirklich – aber manchmal macht das auch gar nichts, die Gedanken sind geweckt und gehen ihren eigenen Weg und das war die Anstrengung dann auch trotz Vergeblichkeit wert.

    1. Genau auf diese Weise habe ich zum ersten Mal Jean Paul gelesen. Den “Titan”. Da war ich fünfzehn. Ich kapierte einfach nichts. Aber einige Bilder – vor allem die Begegnung mit dem katatonischen Vater auf den Borromäischen Inseln – leibten sich in mich derart tief ein, daß sie zu einer permanenten Begleitung wurden. Dabei erinnerte ich mich noch mit dreißig an alles ganz falsch – aber dieses “Falsche”, dem ein sehr richtiges Innenbild entsprach, besaß ein ungeheures Feuer. Das erlosch und erlosch nicht. Bis ich dann, mit 32, Jean Paul erneut vornahm. Es wurde damals die Initiation einer derart reißenden Jean-Paul-Sucht, daß die Strukturierung meines Romanes “Wolpertinger oder Das Blau” (Dielmann Verlag, heute bei dtv in München) sich ganz direkt darauf bezog. Ähnlich ging es mir mit James Joyce und einem heute vergessenen Autor namens Peter Fladl-Martinez. (“Fünf Variationen über die Nacht”, erschienen 1977 im alten Rogner & Bernhard-Verlag). Und wenn ich jetzt gelegentlich “Spektrum der Wissenschaft” lese, verstehe ich a u c h immer nur ein Achtel, nicht selten weniger. Dennoch spürte und spüre ich hinter solchem oft ein Geheimnis. Und dieses Geheimnis – nein, die Geheimnishaftigkeit – bringt meine Fantasie zum Brennen. Ob es nun ‘existiert’ oder nicht. Es i s t.

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