Donnerstag, den 25. August 2005.

[Schnittke, Zweites Cellokonzert.]

7.53 Uhr:

Seit Viertel vor sechs auf, seit zehn vor sechs am Schreibtisch, nach dem DTs sofort SAN MICHELE begonnen, und es läuft im selben Zug wie gestern weiter. Ich werd es nur durch die Analysestunde unterbrechen, ansonsten bis zum Ende des Roh-Typoskripts ausschließlich d a r a n arbeiten. Vielleicht abends dann noch etwas ARGO, damit ich nicht rausfalle.

Während ich eben die Musik für eb herausgesucht habe, hüpfte plötzlich mein Herzerl:
D a m i t könnt man mich kriegen:: Jeden Tag 5 bis 10 Minuten live über ein Stück der Neuen Musik sprechen. Dabei wäre ich glücklich. Aber p o e t i s c h sprechend, nicht (ab)wertend: sondern verführen.

9.42 Uhr:

Zu den wahnsinnigen, Schauer um Schauer machenden End-Klängen von Schnittkes Erstem Cellokonzert und diese Musik mitgrölend mitdirigierend, sowie von einem Morgengruß EvL’s beflügelt, habe ich soeben die Rohfassung des San-Michele-Hörstücks abgeschlossen. Unfaßbar.

16.37 Uhr:
[Kinderwohnung.]

S e h r gut weitergekommen, nicht an ARGO, aber den Rohling SAN MICHELE in die Erste Fassung formatiert und bereits zu einem Drittel bearbeitet; hier und da sind Einschübe zu machen, manchmal hängt die Dialogführung noch: Bereits jetzt stellt sich die Frage nach den Musiken, die ich verwenden werde. Es muß eine Grundmusik her, die leitmotivisch die imaginären, erinnernden und konkreten Szenen regelt und vor allem dort eine sowohl verschleifende wie klärende Funktion übernimmt, wo die Ebenen ineinander übergehen oder einander kommentieren. Ich denke, da die konkrete Situation ein Notturno, die Villa San Michele aber als Sonnentempel gemeint ist, an ein ganz helles, nicht allzu schnelles Stück – evtl. Debussy oder Bridge, da muß ich mich durchhören -, das die Nachtszenen kontakariert.

Den Kleinen aus der Schule abgeholt, strömender Regen, klitschnaß kommen wir auf unseren Rädern hier an, mein Rucksack ist durchweicht, und drinnen ist der Computer. Ich bin eigenartig abgeklärt, hol ihn oben heraus, Tropfen drauf, auch auf den Rändern der Tastatur, auf dem touchpad – muß ich ihn jetzt trocknen lassen? Ich wische ihn ab, lasse ihn zehn Minuten stehen, dann schalt ich ihn an: tadellos fährt er hoch. Ich bin nicht einmal erleichtert. Um SAN MICHELE wäre es schade gewesen, ich habe davon noch keine Sicherungskopie. Wird Zeit, daß ich ein Archiv im Netz anlege.

Und noch etwas zum Ärgern. Die Lehrerin meines Kleinen kommuniziert mit den Eltern (und diese kommunizieren mit ihr) über ein sog. Mitteilungsheft, das das Format eines Vokabelheftes hat. An sich ist das ein kluges Verfahren. Kommt der Junge aus der Schule, lese ich sofort darin und bekomme auf diese Weise auch mit, was geschehen ist, wenn er nicht bei mir, sondern bei seiner Mama war. In einem Eintrag fragt diese nun an, weshalb Adrian alleine sitzen müsse und keinen Platznachbarn habe; er sei sehr traurig darüber. Hier die Antwort:

da er sonst nur redet und nicht zuhört! Außerdem gab es mit seinen Nachbarn (er hatte 2 verschiedene) Ärger! Deshalb habe ich so entschieden!
Der Ton, der aus diesen hintereinandergereihten Ausrufezeichen spricht, bringt mich unmittelbar in Harnisch; allein das autoritäre „deshalb habe ich so entschieden“ spricht ordnungszuchtpralle Bände. Ich war eben nahe daran, eine entsprechende Bemerkung hinzuzuschreiben. In meinem eigenen Fall hätte ich das gewiß auch getan. Hier aber laufe ich Gefahr, daß dann der Kleine die Wut der Lehrerin auf m i c h indirekt zu spüren kriegt. Also laß ich es bleiben und werde mich auch morgen früh beherrschen, wenn ich den Jungen zur Schule bringen und sie sehen werde. Sie hat ihn schon bei der Einschulung angegiftet, weil er sich beim Betreten des neuen Klassenzimmers nicht ‚brav’ angestellt hat, sondern reingestürmt war. Er könne sich nicht konzentrieren, sagte sie mir letzte Woche. Daraufhin ich: „Wieso? Das verstehe ich nicht. Bei mir hört er allabends fast eine Stunde lang zu – und wir lesen italienisch.“ Den wütenden Blick, den mir d a s nun einbrachte, kommentiere ich hier besser nicht. Ganz anders dagegen die Lehrerin in der Musikschule: „Wieso? Hier ist er völlig normal und macht sehr gut mit.“ Und lächelt. Und ist ihm gut.

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