Mittwoch, der 21. September 2005.

4.45 Uhr:
[von Einem, Violinkonzert.]
Um halb fünf hoch, aber etwas schwerer als gestern. Die Tiefschlafphasen scheinen bei mir so versetzt zu sein, daß ich nach dreieinhalb Stunden Schlafs leichter aufstehen kann als mit viereinhalb. Den latte macchiato bereitet und nach einer Morgenmusik für die Arbeit geschaut. Erst war mir – sozusagen in Folge auf den gestrigen Carl-Nielsen-Tag – nach Arnold Bax, dann sah ich aber auf der Rückseite der dritten Nielsen-Cassette den von Einem und hör ihn jetzt: eine seltsam gehüpfte Musik, die deutlich den Neoklassizismus beerbt hat.
Hab leichte Schmerzen im linken EllbogenGelenk; sollte also beim Sport etwas behutsamer mit den Hanteln umgehen. Andererseits fühle ich den Oberkörper wieder wachsen; das geht bei mir enorm schnell und ist ein gutes Gefühl: wie wieder ins Leben zurückgekehrt. Der Nikotindruck ist völlig weg, und der Geruchssinn beginnt, empfindlich zu werden: Immer wieder eine Art Aufstoßen von Übelkeit, wenn mir Leute begegnen, die geraucht haben. Aufstoßen von Übelkeit aber auch, als gestern beim Laufen Gerüche von Döner-Spießen über den Sportplatz geweht wurden. Und das Eßverhalten ändert sich: Ich habe einen großen, fast gierigen Bedarf an Joghurt, Quark, Roggen-und Haferflocken; dagegen mag ich sehr viel seltener Fleisch anrühren.
Der Tag heute ist strukturell noch etwas wirr, wegen U.’s Beerdigung am Mittag/Nachtmittag. Deshalb fällt auch noch einmal die Analyse aus. Ich weiß ja nicht, wie es nach der Trauerfeier weitergehen wird. Sollte mein Freund R., ihr Mann, mit mir noch sprechen oder insgesamt lieber noch Gesellschaft haben wollen, bliebe ich auf jeden Fall bei ihm.
Jetzt aber. ARGO.

13.13 Uhr:
[Henze, Requiem. Für Uda.]
Fast vier Seiten ARGO bereits. Meine Stimmung ist unauffällig, wie eine eher graue, aber sehr ruhige See. Bin die fünfeinhalb Kilometer gelaufen; allmählich werde ich zwar nicht spürbar schneller, aber sehr viel leichter, fliegender sozusagen. Beim Hanteltraining vorsichtig gewesen, was offenbar gut war: jetzt, nach dem Mittagsschlaf, keinerlei Schmerzen mehr im Ellbogengelenk. Ich futtere meine Müsli/Joghurt/Quark-Mischung, dann setz ich mich aufs Fahrrad und radle zu der Beerdigung auf die andere Seite Berlins.

[Ich bin noch die Penny-Markt-Geschichte schuldig, ich weiß; vielleicht schaff ich sie nach meiner Rückkehr nachmittags/abends.]

16.02 Uhr:
[Berlioz, Requiem (Ende). Für Uda.]
Eine sehr kurze einfühlsame Trauerfeier. Ohne Pomp, man kann fast sagen: nüchtern diese Gestorbene wirklich g e e h r t. Ich mochte keine Blume mitgeben, bin da sehr heidnisch, sondern irgend einen Gegenstand auf die Reise. Fand etwas aus Tokyo, das ich damals aus einem Schrein bekam, das brachte ich ihr sozusagen nun zurück; denn in Tokyo lernte ich sie kennen und überhaupt nur dort kannte ich sie.
Kein Begräbnis. Hinweggehen ins Leere. Man saß noch etwas auf Kaffee und Kuchen beisammen in einem Nebenraum. Ich mochte nicht. Kann so schnell nichts essen. Trank einen Kaffee, trank ein Glas Wasser, gab dem Freund bis heute abend die Hand; da wird es noch einmal ein Beisammensein geben.
Liebe Leserinnen, liebe Leser: Falls mein Testament verlorengehen sollte: Ich möchte zurück in die Erde. Egal wo, es kommt mir auf Heimat, die hab ich eh nicht, nicht an. Irgendwo mit möglichst wenig Sarg um mich, damit der Kontakt zu den Geschöpfen da ist, in die Erde; am besten in einem Regenwald, da ist der natürliche Stoffwechsel schneller, da ist man im Nu wieder Blatt und Rinde und Schweif eines Tiers. Das dachte ich auf der radelnden Rückfahrt mit Berlioz’, eines Nichtgläubigen wie mir, wundervollem Requiem in den Ohrhörern und also dem Kopf. Und im Herzen sowieso.

NACHTRAG.
Bis gegen 22.30 Uhr mir R.S. und der Trauergesellschaft im Brecht-Keller beisammengesessen. Danach Lktoratsgespräch mit Source im Messenger, dabei noch ein paar ARGO-Sätze. Gegen 24 Uhr ins Bett. Und so klug gewesen, nicht noch, als ich heimkam, eine Flasche Wein zu öffnen.

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