Sonntag, der 25. September 2005.

4.48 Uhr Uhr:
[Nono, Al gran solo carico d’amore.]
Das muß ich Ihnen wohl zugestehen, daß ich gestern abend und nacht dann doch zuviel getrunken hatte. Hab sogar noch, spät, als hier alles schlief, am Laptop einen ziemlich heftigen Porno gesehen; der Druck war groß, ich hätte sonst nicht schlafen können: Man sollte mir Sachen wie die mit Meller nicht mitteilen, sie liegen mir zu schwer auf der Seele, und zwar vor allem deshalb, weil das verbotene Buch nicht nur zu meinen besten Romanen gehört, sondern weil es so eng mit meiner Identität verknüpft ist wie kein anderes sonst. Ich habe – um Ihnen die Bemerkung zu erklären und sie Sie nicht in den auch juristisch falschen Hals bekommen zu lassen – dafür, daß mir eine s o l c h e Transponierung von Leben in Literatur (das nämlich i s t Kunst*) g e l a n g, ziemlich teuer bezahlen müssen. Es sind insofern persönliche Diskriminierungen, die unentwegt in öffentlichen Aussagen wie derjenigen getätigt werden, um die es gestern ging, und die sicher so oder ähnlich noch einige weitere Male getätigt werden. Es ist ein Nachtreten in die Nieren oder ins Geschlecht. Und die Treter wissen das auch. Meine Beruhigung findet sich alleine noch darin – das ist persönlich, um vom Ökonomischen zu schweigen, aber nur ein schwaches Fundament -, daß die Literaturgeschichte und auch die Leser eines Tages anders urteilen werden, wenn man die nämlich lesen l ä ß t. Das ist in jedem Fall meinem Sohn zu wünschen; ich selber werd davon nichts mehr haben.
Bin also mit schwerem Kopf auf, wegen dieser Geschichte jetzt ist es bereits nach 5, ich wollte schon an ARGO sitzen. Sitz ich auch gleich. Der Kaffee steht vor mir, im Ohr echot Nono, die Augen brennen, die Kapuze schützt meinen Geist und mich.

[*) Kunst stellt aus lebendiger E r f ah r u n g eine z w e i t e, neue Wirklichkeit her, die keineswegs mit dem Erlebten, aus dem sie herübertransponiert wurde, identisch ist. Diese Bemerkung versteht sich an sich von selbst, ist aber angesichts des weiterhin geführten Prozesses hier nötig. Juristen sind nicht empfindlich gegenüber Redundanz; auch das unterscheidet sie von Künstlern.]

21.43 Uhr:
[Schoeck, Elegie op.36.]
Zurück aus Hannover, der Kleine kam natürlich viel zu spät ins Bett; dafür hat er während der zur gewiß Hälfte völlig stummen Aufführung auf seinem Kinosessel tief und selig geschlummert. Die Veranstaltung selbst war unter, sagen wir, pädagogischem oder meinethalben „aufklärerischem“ Gesichtspunkt (wie gestalte ich einen Nachmittag für Gehörlose, die an sich weder einen Zugang zu AusdrucksBallett noch gar zu Videokunst haben?) durchaus erfolgreich; über den künstlerischen Gesichtspunkt mag ich hier nicht sprechen;; es wäre wohl unfair, ihn in dem intendierten Rahmen überhaupt zu stellen. Immerhin bekam ich die (mit der verblüffenderweise noch aktiven Visacard) bezahlten Fahrtkosten in bar ausbezahlt, so daß ich über die nächste Woche kommen werde. Jetzt schau ich noch mal ARGO durch, wofür heute ja nicht so wahnsinnig viel entstand, spreche vielleicht noch im Messenger mit einzwei Freunden, schreibe eine email – und werde dann wohl schlafen gehen, wenn die halbe Flasche Wein, die noch im Kühlschrank stand, geleert ist. Falls ich nicht später noch Gute Nacht sagen sollte, sag ich Ihnen vorsorglich schon j e t z t: „Gute Nacht.“

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