Montag, der 3. Oktober 2005.

4.42 Uh:
[Korngold, Das Wunder der Heliane.]
Kaum noch Milch da, ganz vergessen, welche für die Arbeitswohnung zu besorgen; nun schmeckt der latte macchiato so bitter, daß ich tüchtig Zucker hineingekippt habe. Bin pünktlich auf, obwohl ich bis halb eins noch „Hide & Seek“ auf DVD geschaut habe… na ja. De Niro ist sehr alt geworden, daß er nach einem so abrupt auf plot springenden Drehbuch spielt. Den ÜbergangsMangel kann er jedenfalls nicht ausgleichen. Egal. So wurde es eins, bis ich schlief.
Den „Tag der deutschen Einheit“ hatte ich übrigens ebenfalls vergessen, bis mich der nette Mensch in der Videothek darauf aufmerksam machte, daß ‚morgen’ Feiertag sei. Typisch für mich übrigens, daß ich zu Festtagen im allgemeinen (außer Weihnachten und Ostern) überhaupt kein Verhältnis habe und ich mich bisweilen sogar darüber ärgere, daß sie einem derart autoritär ‚verordnet’ sind. Warum das bei Weihnachten und Ostern anders ist… keine Ahnung.
Ah, wie schön!: Zehn Minuten v o r der Zeit an ARGO.

[Vom >>>> Verlag tisch 7 lag eine mir zugesandte Mini-Besprechung zu “Die Niedertracht der Musik” im Briefkasten; Minimini, wirklich, zumal mit der erstaunlichen Formulierung, meine Wurzeln ragten (!) in den magischen Realismus der südamerikanischen Autoren, als schwebten diese wie Hegel für Marx im Himmel und würden nun niederträchtig auf die Füße gestellt. – Eine gute, jedenfalls gutgemeinte 12-Zeilen-Rezension, die mit Borges, Cortázar und mir wie mit Seifenbläschen umgeht, die durchs Feuilleton der Nürnberger Nachrichten gepüstelt werden. Dabei muß und will ich dafür, daß überhaupt noch etwas über den Erzählband erscheint, der Autorin Christine Marendon durchaus dankbar sein. Es gibt auch Zwänge, unter denen Journalisten fronen.]

16.41 Uhr:
[Britten, Les Illuminations.]
Vier Seiten ARGO, gelaufen, Krafttraining, aber schwach heute insgesamt in der Körperleistung. Sehr müde. Habe tatsächlich noch zweimal eine Stunde geschlafen, morgens und mittags, jetzt Milch für einen richtigen latte macchiato besorgt, gerade zischt das Wasser in Peter Pears’ Gesang hinein… einen Moment bitte.
Sò. Hab mal die beiden Rattenkinder aus ihrem Käfig genommen und lasse sie auf mir herumkrabbeln, während ich tippe. Schlimmstenfalls hauen sie ab und verschwinden dann igrendwo zwischen den Bücher- und Zeitschriftenstapeln. Aber ich mag Geschöpfe nicht dauernd eingesperrt halten… und die beiden fühlen sich auf mir ja offensichtlich ziemlich wohl. Jonathan übrigens, der einmal schwarzweiß werden soll, sieht eigentlich wie ein Nacktmull aus, so wenig Fell hat er jetzt. Das sei bei dieser Art normal, erzählte die Züchterin Klauschke, so ab der achten/neunten Woche ändere sich das. Felix hingegen, der auch etwas größer ist, hat ein blaugraues,sehr samtiges Fell. Und beide Tiere haben irrsinnig große Ohren: Fledermausohren. Für einen Ohrenfetischist wie mich ist das ganz wundervoll (an keinem Elfenfilm kann ich vorbei… allein wegen dieser Ohren; vielleicht ist das auch der wahre Grund für die Elfenflut im WOLPERTINGER).
Um kurz vor vier – kurz vor dem Wecker – rief Ricarda Junge an, >>>> deren Roman ich so großartig finde, daß ich >>>> eine Laudatio auf ihn gehalten habe. Sie bekomme, trotz schleppenden Buchverkaufs, sehr viel gute Resonanz, etwa auch von XYZ und ZYX, zwei sehr namhaften Autoren, die ich hier nicht kenntlich mache, damit mein privat/Öffentlichkeits-Ärger nicht auch noch diese Autorin trifft: ZYX habe ihr gesagt, er sei beeindruckt von ihrem Mut. E r habe sich das n i e getraut, das Wort Gott in seiner Literatur einen Platz finden zu lassen. – Das eben ist es, was ich meine und was mich so verächtlich stimmt. Der Mann ist einer der großen Vertreter eines politisch engagierten Realismus’, er hatte und hat sehr viel Einfluß, wenn nicht sogar Macht: daß auch solche sich b e u g e n, wenn der Zeitgeist anderswohin weist, daß auch solche die Köpfe senken und dann dahin mit abmarschieren, wohin die vorgebliche Allgemeinheit sie haben will, ja daß sie diesen Zeitgeist dann auch noch so mitbestimmen, ideologisch, obwohl ihnen doch im Herzen nach Gott ist… das erfüllt mich mit einem so tiefen wie entsetzten Ekel. – Verstehen Sie mich nicht falsch, kein Gott ist bei m i r, aber wenn ihn andere haben, dann ist das ihr Recht und die müssen, ja dürfen das gar nicht geheimhalten aus dieser blöden Angst vor Sanktionen; es ist ja kein schlechter Quell der Inspiration, wie die abendländische Kultuergeschichte beweist… Egal, ich muß die Platte wechseln, nunmehr auf Brittens Notturno… und dann kopier ich für die zweite DSCHUNGELBUCH-Tranche weiter.

22.50 Uhr:
[Ligeti, Concerto Romanesk.]
Um es noch einmal zu wiederholen; das ist auch nach dem Gespräch, das ich eben im Pratergarten führte, sehr wichtig: Ich glaube nicht mehr an die gesellschaftliche Bedeutung der erzählenden Literatur. Sie ist ihres Widerspruchscharakters weitgehend verlustig gegangen und eine Funktion der Unterhaltungsindustrie geworden. Das „Männliche“, Zweckrationale, hat sich – auch in den Frauen (den „Leserinnen“) – durchgesetzt. Gerade darum vollende ich die Form als das Ungestalte – oder versuche doch, sie zu vollenden. Das Risiko, das ich (und andere wenige mit mir) dabei ‚fahren’, ist klar.
Brauchen wir noch Bücher (erzählende Bücher)? Ich selbst brauche sie nicht mehr. Tiefer kann ein Dichter kaum fallen.

4 thoughts on “Montag, der 3. Oktober 2005.

  1. kaffeeweißer. ist pflanzlich, schmeckt gut und reißt´s immer raus, wenn man die milch vergessen hat. auch wenn man die wohnung für ein paar tage verlässt und sie ein gast unterdessen benutzen kann, hat er immer: kaffeeweißer.

    1. Nee,iiih, nich’ bei Espresso… Für Filterkaffee haben Sie recht, aber dafür ist hier gar nichts vorgesehen, weder Kaffeepulver noch ein Trichter für Filterpapier. Wenn Pulverkaffee, dann koch ich ihn orientalisch: Massig Pulver ins Kochwasser, Cardamom und extrem viel Zucker dazu, ein Spur Zimt (manchmal etwas Chili-Pulver), dreimal aufkochen. Fertig.

      Sie merken, ich bin total übermüdet; zweimal fielen mir schon die Augen überm Arbeiten zu; immerhin sind knapp drei Seiten geschafft. Die Frage lautet: Noch mal hinlegen für eine Stunde oder noch die zwei nächsten Stunden durchhalten und dann laufen und d a n n endlich schlafen? (Ich stell mir die Frage beim heutigen MDTFEB: Brittens Serenade für Tenor, Horn & Orchester.)

    2. dann eben immer filterkaffee und kaffeeweißer dahaben und DANN (das ist der trick) NICHT espresso trinken.
      und noch mal ins bett legen, das scheint mir die nahel i e g e n d s t e lösung.

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