Sonntag, der 20. November 2005.

5.25 Uhr:
Bei – zumal so sinnlichem – Besuch u n d wenn der Junge bei mir ist, habe ich große objektive, vor allem aber auch subjektive Schwierigkeiten,die Arbeitsstruktur zu halten; ich möchte mich dann einfach mal treiben lassen und eben n i c h t so nach der Stechuhr an den Roman. Lasse ich das aber zu einzwei Tage, strahlt es erfahrungsgemäß auf die weiteren Tage aus und weicht die Konzentration auf, die doch nötig ist, um diesen Riesentext zu durchmessen und zu feilen. Um ihn ständig präsent zu halten, reicht es allerdings, täglich zweidrei Seiten bearbeitet oder eine neu geschrieben zu haben; nur retardiert dann der Fluß.
Heute obendrein kommen noch zwei Opernbesuche dazu, nachher >>>> eine Kinderoper für meinen Jungen, zusammen mit ***. Worauf ich mich gleichermaßen freue, wie ich doch der neuen Begegnung, schon Prothoes wegen, entgegenbange. Und abends die >>>> Konwitschny-Così.

Also kam ich erst um 5 Uhr hoch soeben. Prothoe war wach, der Kleine schlief fest. „Ich schlafe noch eine Stunde, nein, ich darf nicht, ich darf nicht.“ Und die Leiter hinuntergeklettert, in der Küche Kaffee gemacht. Da der Junge nach der Oper wohl gleich bei der Mama bleiben wird, müssen auch seine Schulsachen bereit sein, wenn wir gegen halb zehn Uhr aufbrechen werden.

Prothoe wird bis morgen früh bleiben. Mittags muß sie wieder an der Uni in G. sein. Entgrenzungen. Zu vermitteln mit Arbeit. Bei ungestillter (schubertsch: unstillbarer {?}) Sehnsucht zugleich.

ARGO.

[Noch ein längeres Gespräch mit K.B. am Telefon wegen der Bibliografierung Der Dschungel durch die Deutsche Bibliothek, bzw. Deutsche Bücherei. Jene will unbedingt, diese aber, die gebietsadministrativ für Berlin zuständig ist, sperrt sich aus ungesagten Gründen. Es gab schon Krach zwischen beiden Institutionen deshalb; interne Kompetenzdifferenzen spielen dabei wohl eine Rolle; vielleicht wird in meinem Fall aber auch in Leipzig ‚gemauert’ – von außen möglicherweise, weil bekannt ist, daß Leipzig für Berlin zuständig ist. Also entschieden wir uns, daß ich für Die Dschungel einen Redaktionssitz in Frankfurt am Main oder nahbei gründen werde. Dann geht die Zuständigkeit an die Deutsche Bibliothek über, und die offizielle Bibliografierung ist gesichert.]

NACHTRAG I:

In der Kinderoper gewesen. Was immer ich auch tue. Ich liebte und liebe diese Frau. Unverbrüchlich. Sich angesehen, alle drei, immer wieder.

[Und mittags, danach, allein in die Kinderwohnung zurückgefahren.]
NACHTRAG II::
Dann Prothoe. Einer der furchtbarsten Mißbrauchsgeschichten zugehört, die mir jemals bekanntgeworden sind. Und daß die Eltern nichts gemerkt hätten und nichts die Großmutter, die das sechsjährige Mädchen dem furchtbaren ‚Klavierlehrer’ zugeführt hat. Geweint. Die halbe Nacht. Langes langes Gespräch über SM, über die Gründe. Niemand kann mir jemals mehr erzählen, es handelte sich n i c h t um Bearbeitung von Traumata.