Donnerstag, der 1. Dezember 2005.

4.59 Uhr:
Schwerer, lastender Traum voller Unrat; wörtlich zu nehmen: Exkremental. Dennoch um halb fünf (auf) den Wecker gehört, jedenfalls nur fünf Minuten liegen geblieben und l e i c h t gekämpft. Dann hoch.
An den Schreibtisch. latte macchiato. ARGO.

(Wollte noch was zu Frauen schreiben, aber will mich jetzt nicht verzetteln. Vielleicht tu ich’s später. Allein, damit der Kleingeist wieder was zu schimpfen hat. Entsprechend legte Freund F. mir nahe, doch Martin Mosebachs Ivan Schmidt in Buenos Aires auftreten zu lassen. Selbstverständlich ist das eine ausgezeichnete Idee. Wobei zum Kleingeist ganz sicher nicht dieser Autor gehört, wohl aber die wertende Disposition eines manchen Rezensenten.)

8.53 Uhr:
[Jeff Buckley, Grace. Von Ulli Faure geschickt, zum testenden Anhören.]
Über zwanzig Seiten ARGO bearbeitet; das hat sich mal gelohnt… Zur Bäckerin, ein frisches halbes Brot geholt: Also ich find es ja schön, wenn es so kalt ist – klirrend kalt und klar. Sogar die ungeheizte Arbeitswohnung hat etwas davon, selbst im Dunklen. Nun aber der Blick hinter mich: das Sienagelb der GartenhausFassade, das frische Rot der Schindeln, darüber meerblau leuchtend der Himmel.

Frühstück.

9.29 Uhr:
[Immer noch Buckley. Ist nicht meine Musik. Aber manches kommt mir gut vor, z. B. ‚Hallelujah’. Und meine Ohren öffnen sich.]

Ich wollte etwas über Frauen schreiben und weiß schon, daß Sie gespannt sind: entweder in Erwartung, endlich wieder „Sie Aschloch!“ rufen zu können oder despektierlich eine Braue zu heben, na ja, oder aber um zu nicken oder um nachzudenken, einerlei. Ich beschränke mich auf eine Mail, die ich soeben las, die nachts an mich abgeschickt wurde und von der ich vorhin, als ich „noch was zu Frauen“ angekündigt habe, noch gar nichts wußte.

ich will sie nicht.
ich begehre sie nicht.
oft genug verabscheue ich sie.

dennoch: ich brauche sie.
fragen sie nicht wofür.

Außerdem machen sich die Freunde Sorgen um mich. Ich habe Freunde. Ich meine, das ist ein großes Geschenk. Wenn ich wütend bin, wenn ich verzweifelt bin, wenn ich trauere -und auch, wenn mich das Glück mal wieder im Nacken packt und die Leidenschaft an mir herumrüttelt – , ist daran ganz unbedingt zu denken. Ich habe Freunde. Nicht falsch, sich einen Zettel zu schreiben, ihn auf ein Stückchen fester Pappe zu kleben und sichtbar auf dem Schreibtisch aufzustellen.

Und jemand hat das verbotene Buch gelesen und vergleicht es in seiner elektronischen Nachricht mit einem der tiefsten Romane, die überhaupt-je geschrieben wurden: mit Aragons “La mise à mort”.

15.33 Uhr:
[Mal wieder Konstantin Wecker. Sein Erfolg beruht auf einem wechselseitigen Irrtum: daß seine Hörer w o l l e n, was er singt, daß sie auch für sich so leben wollen. „Denn wer sich fügt, der fängt bereits geheim zu lügen an.“]
Enorm tief geschlafen zu Mittag. Rasiert, geduscht, man kommt sich ganz frisch vor. Jetzt die Partikel zur anthropologischen Kehre aus Den Dschungeln herauskopieren und dann als Skizzenseiten ausdrucken. Die Dschungel als Steinbruch für Gedanken.

Tiefe Berührung wieder durch Kleist. Dieses Gefühl einer furchtbar ähnlichen Weltsicht. Kaum ein Goethe i s t.

18.32 Uhr:
Furchtbares Telefonat mit A., Schreierei, Haßausbrüche, Drohungen (Sie: „Ich komme nach Berlin und reiße Dir den Arsch auf!“ Wiederum ich: „Na komm doch, du bist doch nix als ein Fake!“) usw. Und wieder ‚argumentiert’ sie mit jemandem, den ich schon einmal dieses Weblogs verwies. Ärgerlich nur, daß ich w i e d e r einmal glaubte und ihr das Lektorat für ARGO übergab und ihr das, weil sie dringend einen Nachweis dafür brauche, sogar schriftlich bestätigt habe. Ich hab ihr THETIS und BUENOS AIRES geschickt und sie tatsächlich für voll genommen. Obwohl mein Freund G. mich schwer gewarnt hat: „Du hast sie nie gesehen, du weißt gar nichts, sie kann werweißwas sein. Das ist alles ein Fake, sag ich dir.“ Nun bin ich tatsächlich hereingefallen und muß meine Lektoratsübertragung schriftlich zurücknehmen.

Dann noch Aldi Meola und Einer, die im Weblog mobben, und glagolica, der eine private beleigende Email schickte. Das geht mir alles nah. Ich habe aber herausbekommen, wer der Verfasser des von glagolica als den seinen behaupteten Aufsatz „Rückwärts in die Zukunft“ ist und eine freundliche, doch um Stellungnahme bittende Email dahin geschrieben. Verwirrung an alledem ist das permanente anonyme Posten, bei dem, weil die Nicks nicht geschützt sind, niemand mehr sagen kann, wer hinter welchem Beitrag steckt. Im Prinzip kann die ganze Mobberei von einer einzigen Person ausgehen; es können aber auch mehrere Personen sein.

21.58 Uhr:
Sehr müde.
Frage mich derzeit, warum ich mir alledies antu. Aber es ist eine rhetorische Frage, die aus dem Niedergeschlagensein rührt. Momentan kämpfe ich mit mir, ob ich die Kommentarfunktion nicht wieder deaktiviere. Vielleicht halte ich’s wie Buschheuer und lasse mich über eine emailAdresse kontaktieren, wenn denn jemand partout etwas sagen will. Es wäre halt nur schade um viele der bisherigen Beiträge und die interaktiven Momente. Vielleicht reagiere ich auch g a n z anders und schalte die Kommentarfunktion willkürlich aus und ein oder verwende einen Zufallsgenerator dazu.