Freitag, der 2. Dezember 2005.

5.11 Uhr:
Der Wecker, den ich gestern beim vergleichsweise frühen Zubettgehen (23 Uhr!) nicht mehr kontrollierte, war aus mir nicht mehr nachvollziehbaren Gründen auf 4.49 Uhr gestellt, so daß ich mit meinem ziemlich fies schmeckenden, weil ‚normalen’ Filterkaffee erst um 5 am (weil Kinderwohnung: Küchen-)Schreibtisch saß. Über Nacht ist kein weiteres Unheil in Den Dschungeln geschehen, ich werde die Kommentarfunktion darum eingeschaltet lassen (>>>> parallalie, mit dem ich noch telefonierte, hat recht: „Du mußt sie für Die Dschungel ja d o c h wieder einschalten.“). Außerdem habe ich soeben d e n Beitrag, der sich auf >>>> Sources dortigen Text bezog, wieder offline gestellt; beide Beiträge sind aus der Wut entstanden und wollen der erlittenen Verletzung möglichst noch eine weitere hinzufügen: also sie entstammen d i e s e r Dynamik. Das muß nicht sein. Was m i c h an dem Streit derart verletzte, war, daß sie an einer Übersetzung des verbotenen Buches saß, ja damit fertig war, daß sie sich um das Buch kümmerte (ich selber darf ja nicht, ich habe nicht einmal mehr die Rechte, solch eine Übersetzung zu gestatten oder zu verbieten) – und mir nun wörtlich sagte „Ich habe sechs Monate Übersetzungsarbeit in den Mülleimer geworfen“. Das ist, als hätte sie gesagt: „Du gehörst in den Mülleimer“. Es gibt da keinen Unterschied. Ich begreife solche Sätze nicht, ich begreife solch ein Verhalten nicht. Und es verwundet mich mehr, als daß es mich nur kränkte. Zumal, wenn ich jemandem das Lektorat an ARGO übergebe; einen größeren Vertrauensbeweis kann ich nicht leisten. Aber egal. Wie den Kommentaren ihres entsprechenden Beitrags zu entnehmen, ist sie nun von ihren Speichelleckern betätschelt. Soll sie meinetwegen s e i n. Aber laßt bitte m i c h mit alldem in Zukunft in Ruhe; in hab genug Kach im eigenen Haus.

So, ARGO.

8.17 Uhr:
[Jarrett, Konzert München 1975.]
Sehr schöne Nachrichten und schlechte Nachrichten, die aber zu erwarten war.

Der Vater heute morgen zum Sohn, während die beiden beim Frühstück Jarrett hören und mitsingen: „Vielleicht kamnst du eines Tages auch so toll Klavier spielen.“
Darauf der Fünfjährige: „Ich möchte aber Geige spielen, Papa.“
Erstaunt der Vater: „Geige? Wie kommst du darauf? Das ist klasse, aber Geige zu spielen ist sehr schwer!“
Der Sohn: „In meiner Klasse spielen a u c h schon zwei Geige.“
Der Vater: „Du willst wirklich Geige spielen?“ Er kann es nicht glauben, er hat sich das als Pubertierender gewünscht, bekam die Geige aber nicht.
Der Sohn: „Ja, Papa, Geige.“
(Ich werd heute nachmittag mit der Lehrerin in der Musikschule sprechen.)

Und im Briefkasten liegt die Kündigung des Kredites der American Express Bank. Ich hatte vor zwei Wochen einen Brief geschrieben und um eine viel kleinere Ratenzahlungsmöglichkeit gebeten. Hatte zugleich an den Vorstand der Bank wegen einer evtl MäzenHandlung geschrieben. Kam mir wie Heinrich Heine vor, der sich an Rothschilds wandte. Nun also die Androhung der Zwangsvollstreckung. Ich werde um einen Privatkonkurs nicht herumkommen. Irgendwie hat der Gedanke etwas Erleichterndes: D i e s e r Kampf ist dann wenigstens vorbei. Andere Künstler haben mit so etwas auch leben müssen, weshalb sollte es mir anders ergehen?

[Mir fällt gerade auf, wie gut das in Die-Dschungel-als-Künstlerroman paßt; es hat, obwohl es das nicht ist, etwas Inszeniertes. Das Leben s e l b s t inszeniert es mir und, liebe Leser, Ihnen.]

Es schreibt mir eine finya-Chatterin:

In Ihrem Dschungel kriegen die Affen.
Da wäre wohl selbst Sielmann beeindruckt.

Wenn man es s o sehen kann, hat auch das etwas Erlösendes.

12.39 Uhr:
[Jarrett ff.]
Eigentlich wollte ich schon schlafen. Zehn Seiten ARGO, dann festgeredet im Yahoo Messenger:

ANH
Interessanterweise meldet sich der Prof, den google als möglichen Hintergrund für ‚glagolica’ recherchiert hat, auf meine persönliche Mail nicht… Also der mir eventuell diese anonyme Beleidigung geschickt hat.
HS
es sind feige leute
ANH
Was an diesem ganzen Chaos jetzt aber klarwird, das sind die Gründe, die in der Ablehnung durch den Literaturbetrieb wirken. V o r Den Dschungeln hab ich sowas nur geahnt, jetzt zeigt es die Hörner.
HS
obwohl gar keine objektiven gründe vorliegen sollten dafür : es muß in der psyche derer liegen, die ablehnen. aber das hast du ja schon längst begriffen und formuliert.
ANH
Ich schrieb es schon einmal an anderer Stelle: Wären meine Bücher nicht von m i r geschrieben worden, der Betrieb würde sie bejubeln.

Ich wollte das erst als eigenständigen Beitrag einstellen, aber dann hätt’s wieder geheißen: der Herbst lamentiert. Übrigens eine typische Kleinbürgerbewegung: das Leid dem Leidenden zuzuschreiben; letztlich wird er für die Erniedrigungen, die er erlitt, selbst verantwortlich gemacht. Adono hat diese Dynamik bereits einmal beschrieben: Der dem Arbeiter gehässig gegenüberstehende Arbeiter. Die durch die Entfremdeten internalisierte EntfremdungsDynamik. Soviel einmal m e h r zum ‚gewöhnlichen’ Menschen.

[Seltsam zudem >>>> parallalies Beobachtung wegen der >>>> anonymen Sabine, die meines Wissens früher nie gepostet hat und einen Link angibt, der zur Physikalischen Fakultät der Uni Erlangen führt. Komisch also schon d a s. Aber daß ihr Beitrag momentlang verschwunden und dann wieder aufgetaucht sei, ist eigentlich nicht zu erklären. Soviel ich weiß, lassen sich anonym eingestellte Beiträge durch die Beiträger weder löschen noch korrigieren. Das ist ebenso rätselhaft wie, da hat eine andere anonyme Kommentatorin recht, daß seit der hämischen Streitigkeiten solch eine F l u t anonymer Beiträger in Die Dschungel eingebrochen ist.]