Generationskonflikt und Hülsenfrüchte. Ernst Tochs „Die Prinzessin auf der Erbse“ als Kinderoper an der Komischen Oper Berlin.

Mit viel Witz und seitens aller Beteiligten deutlicher Freude an der Sache hat die Komische Oper Berlin jetzt ein weiteres Stück für Kinder herausgebracht, nunmehr Ernst Tochs „Prinzessin auf der Erbse“ von 1927. Allerdings hat das Regieteam Benno Elkans Libretto auf die Gegenwart umgeschrieben und ihm eine Moral unterlegt, die der kritischen Tradition des Hauses folgt. So wurde aus der absurden Mächenoper eine, wie die Komische Oper es nennt, „Oper für alle ab 8 Jahre“.
Ernst Toch gehört zu jenen vor Hitler geflohenen Exilanten, die nach ihrer Emigration nie wieder die einstige Bekanntheit erreichten und sich, wie der fraglos berühmtere Korngold, mit Filmmusiken über Wasser hielten, die ihnen die weitere künstlerische Entwicklung imgrunde unmöglich machten. Nachdem Toch 1960 den Grammy Award erhielt, nannte er sich selbst the world’s most forgotten composer of the 20th century. Inwieweit dies auf seine ästhetische Valenz bezogen wahr ist, bleibt Spekulation. Die Partitur zur Prinzessin jedenfalls steht ganz in der Tendenz der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, orientiert sich, ähnlich wie der Hindemith jener Zeit, in der Besetzung an Unterhaltungsmusiken, arbeitet aber zugleich elaboriert mit Zitaten- und Anspielungsfragmenten bei einer vorwärtstreibenden Rhythmik, die das Stück gerade für Kinder gut aufnehmbar macht: erfahrungsgemäß sind diese nämlich viel mehr über Rhythmik als über Melodik, geschweige Tonalität in Bann zu schlagen. Der rhythmischen Struktur entspricht der Inszenierungsansatz, der ständig etwas auf der Bühne geschehen läßt; die lange, wundervolle Moritat des Fräulein Herthas etwa, die in einer, möchte man sagen, „moralischen Apotheose des Popos“ gipfelt, richtet sich denn mehr an den erwachsenen Hörer. Im jungen Publikum war genau da deutlich zu merken, wie die Konzentration nachließ, die die 50minutige Vorführung ansonsten mit lauten Lachern und Zwischenapplaus begleitete.
Der Modernisierung folgend haben Cordula Däuper und Markus Karner die einem travestierten Andersen folgende Handlung in die unmittelbare Gegenwart verlegt und aus Königin und König die Inhaber von „Matratzen König“ gemacht; Kanzler und Minister werden auf diese Weise zu angestellten Mitarbeitern und die Amme zur Putzfrau. Schon darüber können sich denn auch eher Erwachsene amüsieren. Der unterschobene Generationenkonflikt richtet sich freilich mehr an Heranwachsende, und der Versuch, dem Stück eine konkrete (politisierende) Klassenmoral zu unterlegen, scheitert, da sich das kapitalistische Interesse eines Unternehmers eben nicht mehr an Standesherkünften festmachen läßt. Für die Jugendlichen und Kinder ist so etwas aber erst einmal einerlei; sondern sie haben in dieser Inszenierung einen temperamentvollen Spaß an einer deutlich jungen Oper. Das ist ganz sicher mehr, als jeder didaktische Zeigefinger aus- und damit anrichten könnte.

[Geschrieben für >>>> Opernnetz.]

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